Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784. Louise. Weinen Sie, weinen Sie Walter. Ihre Wehmut wird gerechter gegen mich seyn, als Ihre Entrüstung. Ferdinand. Du betrügst dich. Das sind ihre Tränen nicht -- Nicht jener warme wollüstige Thau, der in die Wunde der Seele balsamisch fließt, und das starre Rad der Empfindung wieder in Gang bringt. Es sind einzelne -- kalte Tropfen -- das schauerliche ewige Lebewol meiner Liebe. (furchtbar- feierlich, indem er die Hand auf ihren Kopf sinken läßt) Tränen um deine Seele, Louise -- Tränen um die Gottheit, die ihres unendlichen Wohlwollens hier verfehlte, die so muthwillig um das herrlichste ihrer Werke kommt -- O mich däucht, die ganze Schöpfung solte den Flor anlegen, und über das Beispiel betreten seyn, das in ihrer Mitte geschieht -- Es ist was gemeines, daß Menschen fallen, und Paradiese verloren werden; aber wenn die Pest un- ter Engel wüthet, so rufe man Trauer aus durch die ganze Natur. Louise. Treiben Sie mich nicht aufs äuserste, Walter. Ich habe Seelenstärke so gut wie eine -- aber sie muß auf eine menschliche Probe kommen. Walter, das Wort noch, und dann geschieden -- -- Ein entsezliches Schiksal hat die Sprache unsrer Herzen verwirrt. Dürft ich den Mund aufthun, Walter, ich könnte dir Dinge sagen -- ich könnte -- -- aber das harte Verhängniß band meine Zunge, wie meine Liebe, und dulden muß ichs, wenn du mich wie eine gemeine Mäze mishandelst. Ferdin.
Louiſe. Weinen Sie, weinen Sie Walter. Ihre Wehmut wird gerechter gegen mich ſeyn, als Ihre Entruͤſtung. Ferdinand. Du betruͤgſt dich. Das ſind ihre Traͤnen nicht — Nicht jener warme wolluͤſtige Thau, der in die Wunde der Seele balſamiſch fließt, und das ſtarre Rad der Empfindung wieder in Gang bringt. Es ſind einzelne — kalte Tropfen — das ſchauerliche ewige Lebewol meiner Liebe. (furchtbar- feierlich, indem er die Hand auf ihren Kopf ſinken laͤßt) Traͤnen um deine Seele, Louiſe — Traͤnen um die Gottheit, die ihres unendlichen Wohlwollens hier verfehlte, die ſo muthwillig um das herrlichſte ihrer Werke kommt — O mich daͤucht, die ganze Schoͤpfung ſolte den Flor anlegen, und uͤber das Beiſpiel betreten ſeyn, das in ihrer Mitte geſchieht — Es iſt was gemeines, daß Menſchen fallen, und Paradieſe verloren werden; aber wenn die Peſt un- ter Engel wuͤthet, ſo rufe man Trauer aus durch die ganze Natur. Louiſe. Treiben Sie mich nicht aufs aͤuſerſte, Walter. Ich habe Seelenſtaͤrke ſo gut wie eine — aber ſie muß auf eine menſchliche Probe kommen. Walter, das Wort noch, und dann geſchieden — — Ein entſezliches Schikſal hat die Sprache unſrer Herzen verwirrt. Duͤrft ich den Mund aufthun, Walter, ich koͤnnte dir Dinge ſagen — ich koͤnnte — — aber das harte Verhaͤngniß band meine Zunge, wie meine Liebe, und dulden muß ichs, wenn du mich wie eine gemeine Maͤze mishandelſt. Ferdin.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0162" n="158"/> <sp who="#LOU"> <speaker> <hi rendition="#fr">Louiſe.</hi> </speaker> <p>Weinen Sie, weinen Sie Walter.<lb/> Ihre Wehmut wird gerechter gegen mich ſeyn, als<lb/> Ihre Entruͤſtung.</p><lb/> </sp> <sp who="#FER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker> <p>Du betruͤgſt dich. Das ſind ihre<lb/> Traͤnen nicht — Nicht jener warme wolluͤſtige Thau,<lb/> der in die Wunde der Seele balſamiſch fließt, und<lb/> das ſtarre Rad der Empfindung wieder in Gang<lb/> bringt. Es ſind einzelne — kalte Tropfen — das<lb/> ſchauerliche ewige Lebewol meiner Liebe. <stage>(furchtbar-<lb/> feierlich, indem er die Hand auf ihren Kopf ſinken<lb/> laͤßt)</stage> Traͤnen um deine Seele, Louiſe — Traͤnen<lb/> um die Gottheit, die ihres unendlichen Wohlwollens<lb/> hier verfehlte, die ſo muthwillig um das herrlichſte<lb/> ihrer Werke kommt — O mich daͤucht, die ganze<lb/> Schoͤpfung ſolte den Flor anlegen, und uͤber das<lb/> Beiſpiel betreten ſeyn, das in ihrer Mitte geſchieht —<lb/> Es iſt was gemeines, daß Menſchen fallen, und<lb/> Paradieſe verloren werden; aber wenn die Peſt un-<lb/> ter Engel wuͤthet, ſo rufe man Trauer aus durch<lb/> die ganze Natur.</p><lb/> </sp> <sp who="#LOU"> <speaker> <hi rendition="#fr">Louiſe.</hi> </speaker> <p>Treiben Sie mich nicht aufs aͤuſerſte,<lb/> Walter. Ich habe Seelenſtaͤrke ſo gut wie eine —<lb/> aber ſie muß auf eine menſchliche Probe kommen.<lb/> Walter, das Wort noch, und dann geſchieden — —<lb/> Ein entſezliches Schikſal hat die Sprache unſrer<lb/> Herzen verwirrt. Duͤrft ich den Mund aufthun,<lb/> Walter, ich koͤnnte dir Dinge ſagen — ich koͤnnte — —<lb/> aber das harte Verhaͤngniß band meine Zunge, wie<lb/> meine Liebe, und dulden muß ichs, wenn du mich<lb/> wie eine gemeine Maͤze mishandelſt.</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Ferdin.</hi> </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0162]
Louiſe. Weinen Sie, weinen Sie Walter.
Ihre Wehmut wird gerechter gegen mich ſeyn, als
Ihre Entruͤſtung.
Ferdinand. Du betruͤgſt dich. Das ſind ihre
Traͤnen nicht — Nicht jener warme wolluͤſtige Thau,
der in die Wunde der Seele balſamiſch fließt, und
das ſtarre Rad der Empfindung wieder in Gang
bringt. Es ſind einzelne — kalte Tropfen — das
ſchauerliche ewige Lebewol meiner Liebe. (furchtbar-
feierlich, indem er die Hand auf ihren Kopf ſinken
laͤßt) Traͤnen um deine Seele, Louiſe — Traͤnen
um die Gottheit, die ihres unendlichen Wohlwollens
hier verfehlte, die ſo muthwillig um das herrlichſte
ihrer Werke kommt — O mich daͤucht, die ganze
Schoͤpfung ſolte den Flor anlegen, und uͤber das
Beiſpiel betreten ſeyn, das in ihrer Mitte geſchieht —
Es iſt was gemeines, daß Menſchen fallen, und
Paradieſe verloren werden; aber wenn die Peſt un-
ter Engel wuͤthet, ſo rufe man Trauer aus durch
die ganze Natur.
Louiſe. Treiben Sie mich nicht aufs aͤuſerſte,
Walter. Ich habe Seelenſtaͤrke ſo gut wie eine —
aber ſie muß auf eine menſchliche Probe kommen.
Walter, das Wort noch, und dann geſchieden — —
Ein entſezliches Schikſal hat die Sprache unſrer
Herzen verwirrt. Duͤrft ich den Mund aufthun,
Walter, ich koͤnnte dir Dinge ſagen — ich koͤnnte — —
aber das harte Verhaͤngniß band meine Zunge, wie
meine Liebe, und dulden muß ichs, wenn du mich
wie eine gemeine Maͤze mishandelſt.
Ferdin.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |