Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.
schneidet, je sorgfältiger ich das Messer der Welt verberge. Höre. Sage mir Ferdinand: Wem that ich dis alles? Ferdinand. (tritt mit Schreken zurük) Doch mir nicht mein Vater? Doch auf mich soll der blutige Wiederschein dieses Frevels nicht fallen? Beim all- mächtigen Gott! Es ist besser, gar nicht geboren seyn, als dieser Mißethat zur Ausrede dienen. Präsident. Was war das? Was? Doch! ich will es dem Romanenkopfe zu gut halten -- Ferdi- nand -- ich will mich nicht erhizen vorlauter Kna- be -- Lohnst du mir also für meine schlaflosen Näch- te? Also für meine rastlose Sorge? Also für den ewigen Skorpion meines Gewissens? -- Auf mich fällt die Last der Verantwortung -- auf mich der Fluch, der Donner des Richters -- Du empfängst dein Glük von der zweiten Hand -- das Verbrechen klebt nicht am Erbe. Ferdinand. (strekt die rechte Hand gen Himmel) Feierlich entsag ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert. Präsident. Höre junger Mensch, bringe mich nicht auf. -- Wenn es nach deinem Kopfe gienge, Du kröchest dein Lebenlang im Staube. Ferdinand. O, immer noch besser, Vater, als ich kröch um den Tron herum. Präsident. (verbeißt seinen Zorn) Hum! -- Zwingen muß man dich, dein Glük zu erkennen. Wo zehn andre mit aller Anstrengung nicht hinauf- klimmen,
ſchneidet, je ſorgfaͤltiger ich das Meſſer der Welt verberge. Hoͤre. Sage mir Ferdinand: Wem that ich dis alles? Ferdinand. (tritt mit Schreken zuruͤk) Doch mir nicht mein Vater? Doch auf mich ſoll der blutige Wiederſchein dieſes Frevels nicht fallen? Beim all- maͤchtigen Gott! Es iſt beſſer, gar nicht geboren ſeyn, als dieſer Mißethat zur Ausrede dienen. Praͤſident. Was war das? Was? Doch! ich will es dem Romanenkopfe zu gut halten — Ferdi- nand — ich will mich nicht erhizen vorlauter Kna- be — Lohnſt du mir alſo fuͤr meine ſchlafloſen Naͤch- te? Alſo fuͤr meine raſtloſe Sorge? Alſo fuͤr den ewigen Skorpion meines Gewiſſens? — Auf mich faͤllt die Laſt der Verantwortung — auf mich der Fluch, der Donner des Richters — Du empfaͤngſt dein Gluͤk von der zweiten Hand — das Verbrechen klebt nicht am Erbe. Ferdinand. (ſtrekt die rechte Hand gen Himmel) Feierlich entſag ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abſcheulichen Vater erinnert. Praͤſident. Hoͤre junger Menſch, bringe mich nicht auf. — Wenn es nach deinem Kopfe gienge, Du kroͤcheſt dein Lebenlang im Staube. Ferdinand. O, immer noch beſſer, Vater, als ich kroͤch um den Tron herum. Praͤſident. (verbeißt ſeinen Zorn) Hum! — Zwingen muß man dich, dein Gluͤk zu erkennen. Wo zehn andre mit aller Anſtrengung nicht hinauf- klimmen,
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nicht mein Vater? Doch auf mich ſoll der blutige
Wiederſchein dieſes Frevels nicht fallen? Beim all-
maͤchtigen Gott! Es iſt beſſer, gar nicht geboren
ſeyn, als dieſer Mißethat zur Ausrede dienen.
Praͤſident. Was war das? Was? Doch! ich
will es dem Romanenkopfe zu gut halten — Ferdi-
nand — ich will mich nicht erhizen vorlauter Kna-
be — Lohnſt du mir alſo fuͤr meine ſchlafloſen Naͤch-
te? Alſo fuͤr meine raſtloſe Sorge? Alſo fuͤr den
ewigen Skorpion meines Gewiſſens? — Auf mich
faͤllt die Laſt der Verantwortung — auf mich der
Fluch, der Donner des Richters — Du empfaͤngſt
dein Gluͤk von der zweiten Hand — das Verbrechen
klebt nicht am Erbe.
Ferdinand. (ſtrekt die rechte Hand gen Himmel)
Feierlich entſag ich hier einem Erbe, das mich nur
an einen abſcheulichen Vater erinnert.
Praͤſident. Hoͤre junger Menſch, bringe mich
nicht auf. — Wenn es nach deinem Kopfe gienge,
Du kroͤcheſt dein Lebenlang im Staube.
Ferdinand. O, immer noch beſſer, Vater, als
ich kroͤch um den Tron herum.
Praͤſident. (verbeißt ſeinen Zorn) Hum! —
Zwingen muß man dich, dein Gluͤk zu erkennen.
Wo zehn andre mit aller Anſtrengung nicht hinauf-
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