Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Kammerdiener. (lacht fürchterlich) O Gott --
Nein -- lauter Freiwillige. Es traten wol so etliche
vorlaute Bursch' vor die Front heraus, und fragten
den Obersten, wie theuer der Fürst das Joch Men-
schen verkaufe? -- aber unser gnädigster Landesherr
lies alle Regimenter auf dem Paradeplaz aufmar-
schieren, und die Maulaffen niederschießen. Wir
hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf
das Pflaster sprüzen, und die ganze Armee schrie:
Juchhe nach Amerika! --

Lady. (fällt mit Entsezen in den Sofa) Gott!
Gott! -- Und ich hörte nichts? Und ich merkte
nichts?

Kammerdiener. Ja gnädige Frau -- warum
mußtet Ihr denn mit unserm Herrn gerad auf die
Bärenhaz reiten, als man den Lermen zum Aufbruch
schlug? -- Die Herrlichkeit hättet Ihr doch nicht
versäumen sollen, wie uns die gellenden Trommeln
verkündigten, es ist Zeit, und heulende Waisen dort
einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine
wütende Mutter lief, ihr saugendes Kind an Bajo-
neten zu spießen, und wie man Bräutigam und
Braut mit Säbelhieben auseinander riss, und wir
Graubärte verzweiflungsvoll da standen, und den
Burschen auch zulezt die Krüken noch nachwarfen in
die neue Welt -- Oh, und mitunter das polternde
Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht solte
beten hören --
Lady.
Kammerdiener. (lacht fuͤrchterlich) O Gott —
Nein — lauter Freiwillige. Es traten wol ſo etliche
vorlaute Burſch' vor die Front heraus, und fragten
den Oberſten, wie theuer der Fuͤrſt das Joch Men-
ſchen verkaufe? — aber unſer gnaͤdigſter Landesherr
lies alle Regimenter auf dem Paradeplaz aufmar-
ſchieren, und die Maulaffen niederſchießen. Wir
hoͤrten die Buͤchſen knallen, ſahen ihr Gehirn auf
das Pflaſter ſpruͤzen, und die ganze Armee ſchrie:
Juchhe nach Amerika!

Lady. (faͤllt mit Entſezen in den Sofa) Gott!
Gott! — Und ich hoͤrte nichts? Und ich merkte
nichts?

Kammerdiener. Ja gnaͤdige Frau — warum
mußtet Ihr denn mit unſerm Herrn gerad auf die
Baͤrenhaz reiten, als man den Lermen zum Aufbruch
ſchlug? — Die Herrlichkeit haͤttet Ihr doch nicht
verſaͤumen ſollen, wie uns die gellenden Trommeln
verkuͤndigten, es iſt Zeit, und heulende Waiſen dort
einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine
wuͤtende Mutter lief, ihr ſaugendes Kind an Bajo-
neten zu ſpießen, und wie man Braͤutigam und
Braut mit Saͤbelhieben auseinander riſſ, und wir
Graubaͤrte verzweiflungsvoll da ſtanden, und den
Burſchen auch zulezt die Kruͤken noch nachwarfen in
die neue Welt — Oh, und mitunter das polternde
Wirbelſchlagen, damit der Allwiſſende uns nicht ſolte
beten hoͤren —
Lady.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0044" n="40"/>
          <sp who="#KAM">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Kammerdiener.</hi> </speaker>
            <p><stage>(lacht fu&#x0364;rchterlich)</stage> O Gott &#x2014;<lb/>
Nein &#x2014; lauter Freiwillige. Es traten wol &#x017F;o etliche<lb/>
vorlaute Bur&#x017F;ch' vor die Front heraus, und fragten<lb/>
den Ober&#x017F;ten, wie theuer der Fu&#x0364;r&#x017F;t das Joch Men-<lb/>
&#x017F;chen verkaufe? &#x2014; aber un&#x017F;er gna&#x0364;dig&#x017F;ter Landesherr<lb/>
lies alle Regimenter auf dem Paradeplaz aufmar-<lb/>
&#x017F;chieren, und die Maulaffen nieder&#x017F;chießen. Wir<lb/>
ho&#x0364;rten die Bu&#x0364;ch&#x017F;en knallen, &#x017F;ahen ihr Gehirn auf<lb/>
das Pfla&#x017F;ter &#x017F;pru&#x0364;zen, und die ganze Armee &#x017F;chrie:<lb/><hi rendition="#fr">Juchhe nach Amerika!</hi> &#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LAD">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Lady.</hi> </speaker>
            <p><stage>(fa&#x0364;llt mit Ent&#x017F;ezen in den Sofa)</stage> Gott!<lb/>
Gott! &#x2014; Und ich ho&#x0364;rte nichts? Und ich merkte<lb/>
nichts?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#KAM">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Kammerdiener.</hi> </speaker>
            <p>Ja gna&#x0364;dige Frau &#x2014; warum<lb/>
mußtet Ihr denn mit un&#x017F;erm Herrn gerad auf die<lb/>
Ba&#x0364;renhaz reiten, als man den Lermen zum Aufbruch<lb/>
&#x017F;chlug? &#x2014; Die Herrlichkeit ha&#x0364;ttet Ihr doch nicht<lb/>
ver&#x017F;a&#x0364;umen &#x017F;ollen, wie uns die gellenden Trommeln<lb/>
verku&#x0364;ndigten, es i&#x017F;t Zeit, und heulende Wai&#x017F;en dort<lb/>
einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine<lb/>
wu&#x0364;tende Mutter lief, ihr &#x017F;augendes Kind an Bajo-<lb/>
neten zu &#x017F;pießen, und wie man Bra&#x0364;utigam und<lb/>
Braut mit Sa&#x0364;belhieben auseinander ri&#x017F;&#x017F;, und wir<lb/>
Grauba&#x0364;rte verzweiflungsvoll da &#x017F;tanden, und den<lb/>
Bur&#x017F;chen auch zulezt die Kru&#x0364;ken noch nachwarfen in<lb/>
die neue Welt &#x2014; Oh, und mitunter das polternde<lb/>
Wirbel&#x017F;chlagen, damit der Allwi&#x017F;&#x017F;ende uns nicht &#x017F;olte<lb/>
beten ho&#x0364;ren &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Lady.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0044] Kammerdiener. (lacht fuͤrchterlich) O Gott — Nein — lauter Freiwillige. Es traten wol ſo etliche vorlaute Burſch' vor die Front heraus, und fragten den Oberſten, wie theuer der Fuͤrſt das Joch Men- ſchen verkaufe? — aber unſer gnaͤdigſter Landesherr lies alle Regimenter auf dem Paradeplaz aufmar- ſchieren, und die Maulaffen niederſchießen. Wir hoͤrten die Buͤchſen knallen, ſahen ihr Gehirn auf das Pflaſter ſpruͤzen, und die ganze Armee ſchrie: Juchhe nach Amerika! — Lady. (faͤllt mit Entſezen in den Sofa) Gott! Gott! — Und ich hoͤrte nichts? Und ich merkte nichts? Kammerdiener. Ja gnaͤdige Frau — warum mußtet Ihr denn mit unſerm Herrn gerad auf die Baͤrenhaz reiten, als man den Lermen zum Aufbruch ſchlug? — Die Herrlichkeit haͤttet Ihr doch nicht verſaͤumen ſollen, wie uns die gellenden Trommeln verkuͤndigten, es iſt Zeit, und heulende Waiſen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wuͤtende Mutter lief, ihr ſaugendes Kind an Bajo- neten zu ſpießen, und wie man Braͤutigam und Braut mit Saͤbelhieben auseinander riſſ, und wir Graubaͤrte verzweiflungsvoll da ſtanden, und den Burſchen auch zulezt die Kruͤken noch nachwarfen in die neue Welt — Oh, und mitunter das polternde Wirbelſchlagen, damit der Allwiſſende uns nicht ſolte beten hoͤren — Lady.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/44
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/44>, abgerufen am 21.11.2024.