Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Bürger und Soldaten sich zur Ruhe begeben, mit stürmender Hand überwältigt worden sey. An vier Orten zugleich sollte der Angriff geschehen; die ganze Nacht zwischen dem 9ten und 10ten wurde mit den nöthigen Anstalten zugebracht. Alles war in Bereitschaft, und erwartete, der Abrede gemäß, früh um 5 Uhr das Zeichen mit den Kanonen. Dieses erfolgte, aber erst zwey Stunden später, indem Tilly, noch immer zweifelhaft wegen des Erfolgs, noch einmal den Kriegsrath versammelte. Pappenheim ward beordert, auf die Neustädtischen Werke den Angriff zu thun; ein abhängiger Wall und ein trockner nicht allzu tiefer Graben kamen ihm dabey zu Statten. Der größte Theil der Bürger und Soldaten hatte die Wälle verlassen, und die wenigen Zurückgebliebenen fesselte der Schlaf. So wurde es diesem General nicht schwer, der Erste den Wall zu ersteigen.

Falkenberg, aufgeschreckt durch das Knallen des Musketenfeuers, eilte von dem Rathhause, wo er eben beschäftigt war, den zweyten Trompeter des Tilly abzufertigen, mit einer zusammen gerafften Mannschaft nach dem Neustädtischen Thore, das der Feind schon überwältigt hatte. Hier zurück geschlagen, flog dieser tapfere General nach einer andern Seite, wo eine zweyte feindliche Parthey schon im Begriff war, die Werke zu ersteigen. Umsonst ist sein Widerstand, schon zu Anfang des Gefechts strecken die feindlichen Kugeln ihn zu Boden. Das heftige Musketenfeuer, das Läuten der Sturmglocken, das überhand nehmende Getöse machen endlich den erwachenden Bürgern die drohende Gefahr bekannt. Eilfertig werfen sie sich in ihre Kleider, greifen zum Gewehr, stürzen in blinder Betäubung dem Feind entgegen. Noch war Hoffnung übrig, ihn zurück zu treiben, aber der Kommendant getödtet, kein Plan im Angriff, keine Reiterey in seine verwirrten Glieder einzubrechen, endlich kein Pulver mehr, das Feuer fortzusezen. Zwey andre Thore, bis jezt noch

Bürger und Soldaten sich zur Ruhe begeben, mit stürmender Hand überwältigt worden sey. An vier Orten zugleich sollte der Angriff geschehen; die ganze Nacht zwischen dem 9ten und 10ten wurde mit den nöthigen Anstalten zugebracht. Alles war in Bereitschaft, und erwartete, der Abrede gemäß, früh um 5 Uhr das Zeichen mit den Kanonen. Dieses erfolgte, aber erst zwey Stunden später, indem Tilly, noch immer zweifelhaft wegen des Erfolgs, noch einmal den Kriegsrath versammelte. Pappenheim ward beordert, auf die Neustädtischen Werke den Angriff zu thun; ein abhängiger Wall und ein trockner nicht allzu tiefer Graben kamen ihm dabey zu Statten. Der größte Theil der Bürger und Soldaten hatte die Wälle verlassen, und die wenigen Zurückgebliebenen fesselte der Schlaf. So wurde es diesem General nicht schwer, der Erste den Wall zu ersteigen.

Falkenberg, aufgeschreckt durch das Knallen des Musketenfeuers, eilte von dem Rathhause, wo er eben beschäftigt war, den zweyten Trompeter des Tilly abzufertigen, mit einer zusammen gerafften Mannschaft nach dem Neustädtischen Thore, das der Feind schon überwältigt hatte. Hier zurück geschlagen, flog dieser tapfere General nach einer andern Seite, wo eine zweyte feindliche Parthey schon im Begriff war, die Werke zu ersteigen. Umsonst ist sein Widerstand, schon zu Anfang des Gefechts strecken die feindlichen Kugeln ihn zu Boden. Das heftige Musketenfeuer, das Läuten der Sturmglocken, das überhand nehmende Getöse machen endlich den erwachenden Bürgern die drohende Gefahr bekannt. Eilfertig werfen sie sich in ihre Kleider, greifen zum Gewehr, stürzen in blinder Betäubung dem Feind entgegen. Noch war Hoffnung übrig, ihn zurück zu treiben, aber der Kommendant getödtet, kein Plan im Angriff, keine Reiterey in seine verwirrten Glieder einzubrechen, endlich kein Pulver mehr, das Feuer fortzusezen. Zwey andre Thore, bis jezt noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="198"/>
Bürger           und Soldaten sich zur Ruhe begeben, mit stürmender Hand überwältigt worden sey. An vier           Orten zugleich sollte der Angriff geschehen; die ganze Nacht zwischen dem 9ten und 10ten           wurde mit den nöthigen Anstalten zugebracht. Alles war in Bereitschaft, und erwartete, der           Abrede gemäß, früh um 5 Uhr das Zeichen mit den Kanonen. Dieses erfolgte, aber erst zwey           Stunden später, indem Tilly, noch immer zweifelhaft wegen des Erfolgs, noch einmal den           Kriegsrath versammelte. Pappenheim ward beordert, auf die Neustädtischen Werke den Angriff           zu thun; ein abhängiger Wall und ein trockner nicht allzu tiefer Graben kamen ihm dabey zu           Statten. Der größte Theil der Bürger und Soldaten hatte die Wälle verlassen, und die           wenigen Zurückgebliebenen fesselte der Schlaf. So wurde es diesem General nicht schwer,           der Erste den Wall zu ersteigen.</p>
        <p>Falkenberg, aufgeschreckt durch das Knallen des Musketenfeuers, eilte von dem Rathhause,           wo er eben beschäftigt war, den zweyten Trompeter des Tilly abzufertigen, mit einer           zusammen gerafften Mannschaft nach dem Neustädtischen Thore, das der Feind schon           überwältigt hatte. Hier zurück geschlagen, flog dieser tapfere General nach einer andern           Seite, wo eine zweyte feindliche Parthey schon im Begriff war, die Werke zu ersteigen.           Umsonst ist sein Widerstand, schon zu Anfang des Gefechts strecken die feindlichen Kugeln           ihn zu Boden. Das heftige Musketenfeuer, das Läuten der Sturmglocken, das überhand           nehmende Getöse machen endlich den erwachenden Bürgern die drohende Gefahr bekannt.           Eilfertig werfen sie sich in ihre Kleider, greifen zum Gewehr, stürzen in blinder           Betäubung dem Feind entgegen. Noch war Hoffnung übrig, ihn zurück zu treiben, aber der           Kommendant getödtet, kein Plan im Angriff, keine Reiterey in seine verwirrten Glieder           einzubrechen, endlich kein Pulver mehr, das Feuer fortzusezen. Zwey andre Thore, bis jezt           noch
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0206] Bürger und Soldaten sich zur Ruhe begeben, mit stürmender Hand überwältigt worden sey. An vier Orten zugleich sollte der Angriff geschehen; die ganze Nacht zwischen dem 9ten und 10ten wurde mit den nöthigen Anstalten zugebracht. Alles war in Bereitschaft, und erwartete, der Abrede gemäß, früh um 5 Uhr das Zeichen mit den Kanonen. Dieses erfolgte, aber erst zwey Stunden später, indem Tilly, noch immer zweifelhaft wegen des Erfolgs, noch einmal den Kriegsrath versammelte. Pappenheim ward beordert, auf die Neustädtischen Werke den Angriff zu thun; ein abhängiger Wall und ein trockner nicht allzu tiefer Graben kamen ihm dabey zu Statten. Der größte Theil der Bürger und Soldaten hatte die Wälle verlassen, und die wenigen Zurückgebliebenen fesselte der Schlaf. So wurde es diesem General nicht schwer, der Erste den Wall zu ersteigen. Falkenberg, aufgeschreckt durch das Knallen des Musketenfeuers, eilte von dem Rathhause, wo er eben beschäftigt war, den zweyten Trompeter des Tilly abzufertigen, mit einer zusammen gerafften Mannschaft nach dem Neustädtischen Thore, das der Feind schon überwältigt hatte. Hier zurück geschlagen, flog dieser tapfere General nach einer andern Seite, wo eine zweyte feindliche Parthey schon im Begriff war, die Werke zu ersteigen. Umsonst ist sein Widerstand, schon zu Anfang des Gefechts strecken die feindlichen Kugeln ihn zu Boden. Das heftige Musketenfeuer, das Läuten der Sturmglocken, das überhand nehmende Getöse machen endlich den erwachenden Bürgern die drohende Gefahr bekannt. Eilfertig werfen sie sich in ihre Kleider, greifen zum Gewehr, stürzen in blinder Betäubung dem Feind entgegen. Noch war Hoffnung übrig, ihn zurück zu treiben, aber der Kommendant getödtet, kein Plan im Angriff, keine Reiterey in seine verwirrten Glieder einzubrechen, endlich kein Pulver mehr, das Feuer fortzusezen. Zwey andre Thore, bis jezt noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/206
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/206>, abgerufen am 24.11.2024.