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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Eine Würgescene fing jezt an, für welche die Geschichte keine Sprache, und die Dichtkunst keinen Pinsel hat. Nicht die schuldfreye Kindheit, nicht das hülflose Alter, nicht Jugend, nicht Geschlecht, nicht Stand, nicht Schönheit können die Wuth des Siegers entwaffnen. Frauen werden in den Armen ihrer Männer, Töchter zu den Füßen ihrer Väter mißhandelt, und das wehrlose Geschlecht hat bloß das Vorrecht, einer gedoppelten Wuth zum Opfer zu dienen. Keine noch so verborgene, keine noch so geheiligte Stätte konnte vor der alles durchforschenden Habsucht sichern. Drey und funfzig Frauenspersonen fand man in einer Kirche enthauptet. Kroaten vergnügten sich, Kinder in die Flammen zu werfen - Pappenheims Wallonen, Säuglinge an den Brüsten ihrer Mütter zu spießen. Einige ligistische Offiziere, von diesem grausenvollen Anblick empört, unterstanden sich, den Grafen Tilly zu erinnern, daß er dem Blutbad möchte Einhalt thun lassen. "Kommt in einer Stunde wieder, war seine Antwort. Ich werde dann sehen, was ich thun werde; der Soldat muß für seine Gefahr und Arbeit etwas haben." In ununterbrochener Wuth dauerten diese Greuel fort, bis endlich Rauch und Flammen der Raubsucht Grenzen sezten. Um die Verwirrung zu vermehren, und den Widerstand der Bürger zu brechen, hatte man gleich anfangs an verschiedenen Orten Feuer angelegt. Jezt erhob sich ein Sturmwind, der die Flammen mit reißender Schnelligkeit durch die ganze Stadt verbreitete, und den Brand allgemein machte. Fürchterlich war das Gedränge durch Qualm und Leichen, durch gezuckte Schwerter, durch stürzende Trümmer, durch das strömende Blut. Die Atmosphäre kochte, und die unerträgliche Glut zwang endlich selbst diese Würger, sich in das Lager zu flüchten. In weniger als zwölf Stunden lag diese volkreiche, feste, große Stadt, eine der schönsten Deutschlands, in der Asche, zwey Kirchen und einige Hütten ausgenommen. Der

Eine Würgescene fing jezt an, für welche die Geschichte keine Sprache, und die Dichtkunst keinen Pinsel hat. Nicht die schuldfreye Kindheit, nicht das hülflose Alter, nicht Jugend, nicht Geschlecht, nicht Stand, nicht Schönheit können die Wuth des Siegers entwaffnen. Frauen werden in den Armen ihrer Männer, Töchter zu den Füßen ihrer Väter mißhandelt, und das wehrlose Geschlecht hat bloß das Vorrecht, einer gedoppelten Wuth zum Opfer zu dienen. Keine noch so verborgene, keine noch so geheiligte Stätte konnte vor der alles durchforschenden Habsucht sichern. Drey und funfzig Frauenspersonen fand man in einer Kirche enthauptet. Kroaten vergnügten sich, Kinder in die Flammen zu werfen – Pappenheims Wallonen, Säuglinge an den Brüsten ihrer Mütter zu spießen. Einige ligistische Offiziere, von diesem grausenvollen Anblick empört, unterstanden sich, den Grafen Tilly zu erinnern, daß er dem Blutbad möchte Einhalt thun lassen. „Kommt in einer Stunde wieder, war seine Antwort. Ich werde dann sehen, was ich thun werde; der Soldat muß für seine Gefahr und Arbeit etwas haben.“ In ununterbrochener Wuth dauerten diese Greuel fort, bis endlich Rauch und Flammen der Raubsucht Grenzen sezten. Um die Verwirrung zu vermehren, und den Widerstand der Bürger zu brechen, hatte man gleich anfangs an verschiedenen Orten Feuer angelegt. Jezt erhob sich ein Sturmwind, der die Flammen mit reißender Schnelligkeit durch die ganze Stadt verbreitete, und den Brand allgemein machte. Fürchterlich war das Gedränge durch Qualm und Leichen, durch gezuckte Schwerter, durch stürzende Trümmer, durch das strömende Blut. Die Atmosphäre kochte, und die unerträgliche Glut zwang endlich selbst diese Würger, sich in das Lager zu flüchten. In weniger als zwölf Stunden lag diese volkreiche, feste, große Stadt, eine der schönsten Deutschlands, in der Asche, zwey Kirchen und einige Hütten ausgenommen. Der

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[200/0208] Eine Würgescene fing jezt an, für welche die Geschichte keine Sprache, und die Dichtkunst keinen Pinsel hat. Nicht die schuldfreye Kindheit, nicht das hülflose Alter, nicht Jugend, nicht Geschlecht, nicht Stand, nicht Schönheit können die Wuth des Siegers entwaffnen. Frauen werden in den Armen ihrer Männer, Töchter zu den Füßen ihrer Väter mißhandelt, und das wehrlose Geschlecht hat bloß das Vorrecht, einer gedoppelten Wuth zum Opfer zu dienen. Keine noch so verborgene, keine noch so geheiligte Stätte konnte vor der alles durchforschenden Habsucht sichern. Drey und funfzig Frauenspersonen fand man in einer Kirche enthauptet. Kroaten vergnügten sich, Kinder in die Flammen zu werfen – Pappenheims Wallonen, Säuglinge an den Brüsten ihrer Mütter zu spießen. Einige ligistische Offiziere, von diesem grausenvollen Anblick empört, unterstanden sich, den Grafen Tilly zu erinnern, daß er dem Blutbad möchte Einhalt thun lassen. „Kommt in einer Stunde wieder, war seine Antwort. Ich werde dann sehen, was ich thun werde; der Soldat muß für seine Gefahr und Arbeit etwas haben.“ In ununterbrochener Wuth dauerten diese Greuel fort, bis endlich Rauch und Flammen der Raubsucht Grenzen sezten. Um die Verwirrung zu vermehren, und den Widerstand der Bürger zu brechen, hatte man gleich anfangs an verschiedenen Orten Feuer angelegt. Jezt erhob sich ein Sturmwind, der die Flammen mit reißender Schnelligkeit durch die ganze Stadt verbreitete, und den Brand allgemein machte. Fürchterlich war das Gedränge durch Qualm und Leichen, durch gezuckte Schwerter, durch stürzende Trümmer, durch das strömende Blut. Die Atmosphäre kochte, und die unerträgliche Glut zwang endlich selbst diese Würger, sich in das Lager zu flüchten. In weniger als zwölf Stunden lag diese volkreiche, feste, große Stadt, eine der schönsten Deutschlands, in der Asche, zwey Kirchen und einige Hütten ausgenommen. Der

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/208>, abgerufen am 21.11.2024.