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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Pflicht, durch eine desto strengere Mäßigung seinen Glauben zu ehren.

Die Annäherung des Königs verbreitete Schrecken und Furcht in der Hauptstadt, die, von Vertheidigern entblößt und von den vornehmsten Einwohnern verlassen, bey der Großmuth des Siegers allein ihre Rettung suchte. Durch eine unbedingte freywillige Unterwerfung hoffte sie seinen Zorn zu besänftigen, und schickte schon bis Freysingen Deputirte voraus, ihm ihre Thorschlüssel zu Füßen zu legen. Wie sehr auch der König durch die Unmenschlichkeit der Bayern und durch die feindselige Gesinnung ihres Herrn zu einem grausamen Gebrauch seiner Eroberungsrechte gereitzt, wie dringend er, selbst von Deutschen, bestürmt wurde, Magdeburgs Schicksal an der Residenz ihres Zerstörers zu ahnden, so verachtete doch sein großes Herz diese niedrige Rache, und die Wehrlosigkeit des Feindes entwaffnete seinen Grimm. Zufrieden mit dem edlern Triumph, den Pfalzgrafen Friedrich mit siegreichem Pomp in die Residenz desselben Fürsten zu führen, der das vornehmste Werkzeug seines Falls, und der Räuber seiner Staaten war, erhöhte er die Pracht seines Einzugs durch den schöneren Glanz der Mäßigung und der Milde.

Der König fand in München nur einen verlassenen Pallast, denn die Schätze des Churfürsten hatte man nach Werfen geflüchtet. Die Pracht des churfürstlichen Schlosses setzte ihn in Erstaunen, und er fragte den Aufseher, der ihm die Zimmer zeigte, nach dem Namen des Baumeisters. "Es ist kein andrer," versetzte dieser, "als der Churfürst selbst." - "Ich möchte ihn haben, diesen Baumeister," erwiederte der König, "um ihn nach Stockholm zu schicken." - "Dafür," antwortete jener, "wird sich der Baumeister zu hüten wissen." - Als man das Zeughaus durchsuchte, fanden sich bloße Laveten, zu denen die Kanonen fehlten. Die letztern hatte man so künstlich unter dem Fußboden eingescharrt, daß

Pflicht, durch eine desto strengere Mäßigung seinen Glauben zu ehren.

Die Annäherung des Königs verbreitete Schrecken und Furcht in der Hauptstadt, die, von Vertheidigern entblößt und von den vornehmsten Einwohnern verlassen, bey der Großmuth des Siegers allein ihre Rettung suchte. Durch eine unbedingte freywillige Unterwerfung hoffte sie seinen Zorn zu besänftigen, und schickte schon bis Freysingen Deputirte voraus, ihm ihre Thorschlüssel zu Füßen zu legen. Wie sehr auch der König durch die Unmenschlichkeit der Bayern und durch die feindselige Gesinnung ihres Herrn zu einem grausamen Gebrauch seiner Eroberungsrechte gereitzt, wie dringend er, selbst von Deutschen, bestürmt wurde, Magdeburgs Schicksal an der Residenz ihres Zerstörers zu ahnden, so verachtete doch sein großes Herz diese niedrige Rache, und die Wehrlosigkeit des Feindes entwaffnete seinen Grimm. Zufrieden mit dem edlern Triumph, den Pfalzgrafen Friedrich mit siegreichem Pomp in die Residenz desselben Fürsten zu führen, der das vornehmste Werkzeug seines Falls, und der Räuber seiner Staaten war, erhöhte er die Pracht seines Einzugs durch den schöneren Glanz der Mäßigung und der Milde.

Der König fand in München nur einen verlassenen Pallast, denn die Schätze des Churfürsten hatte man nach Werfen geflüchtet. Die Pracht des churfürstlichen Schlosses setzte ihn in Erstaunen, und er fragte den Aufseher, der ihm die Zimmer zeigte, nach dem Namen des Baumeisters. „Es ist kein andrer,“ versetzte dieser, „als der Churfürst selbst.“ – „Ich möchte ihn haben, diesen Baumeister,“ erwiederte der König, „um ihn nach Stockholm zu schicken.“ – „Dafür,“ antwortete jener, „wird sich der Baumeister zu hüten wissen.“ – Als man das Zeughaus durchsuchte, fanden sich bloße Laveten, zu denen die Kanonen fehlten. Die letztern hatte man so künstlich unter dem Fußboden eingescharrt, daß

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[274/0282] Pflicht, durch eine desto strengere Mäßigung seinen Glauben zu ehren. Die Annäherung des Königs verbreitete Schrecken und Furcht in der Hauptstadt, die, von Vertheidigern entblößt und von den vornehmsten Einwohnern verlassen, bey der Großmuth des Siegers allein ihre Rettung suchte. Durch eine unbedingte freywillige Unterwerfung hoffte sie seinen Zorn zu besänftigen, und schickte schon bis Freysingen Deputirte voraus, ihm ihre Thorschlüssel zu Füßen zu legen. Wie sehr auch der König durch die Unmenschlichkeit der Bayern und durch die feindselige Gesinnung ihres Herrn zu einem grausamen Gebrauch seiner Eroberungsrechte gereitzt, wie dringend er, selbst von Deutschen, bestürmt wurde, Magdeburgs Schicksal an der Residenz ihres Zerstörers zu ahnden, so verachtete doch sein großes Herz diese niedrige Rache, und die Wehrlosigkeit des Feindes entwaffnete seinen Grimm. Zufrieden mit dem edlern Triumph, den Pfalzgrafen Friedrich mit siegreichem Pomp in die Residenz desselben Fürsten zu führen, der das vornehmste Werkzeug seines Falls, und der Räuber seiner Staaten war, erhöhte er die Pracht seines Einzugs durch den schöneren Glanz der Mäßigung und der Milde. Der König fand in München nur einen verlassenen Pallast, denn die Schätze des Churfürsten hatte man nach Werfen geflüchtet. Die Pracht des churfürstlichen Schlosses setzte ihn in Erstaunen, und er fragte den Aufseher, der ihm die Zimmer zeigte, nach dem Namen des Baumeisters. „Es ist kein andrer,“ versetzte dieser, „als der Churfürst selbst.“ – „Ich möchte ihn haben, diesen Baumeister,“ erwiederte der König, „um ihn nach Stockholm zu schicken.“ – „Dafür,“ antwortete jener, „wird sich der Baumeister zu hüten wissen.“ – Als man das Zeughaus durchsuchte, fanden sich bloße Laveten, zu denen die Kanonen fehlten. Die letztern hatte man so künstlich unter dem Fußboden eingescharrt, daß

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/282>, abgerufen am 22.11.2024.