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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Gustav hatte dem Schwedischen Reiche keinen männlichen Nachfolger hinterlassen; seine sechsjährige Tochter Christina war die natürliche Erbin seines Throns. Die unvermeidlichen Gebrechen einer vormundschaftlichen Regierung vertrugen sich mit dem Nachdruck und der Entschlossenheit nicht gut, welche Schweden in diesem mißlichen Zeitlaufe zeigen sollte. Gustav Adolphs hochfliegender Geist hatte diesen schwachen und unberühmten Staat mit einer ihm gänzlich ungewohnten und drückenden Größe überrascht, und ihm unter den Mächten von Europa einen Platz angewiesen, den er ohne das Glück und den Geist seines Urhebers nicht wohl behaupten, und von dem er doch ohne das schimpflichste Geständniß der Ohnmacht nicht mehr herabsteigen konnte. Wenn gleich der Deutsche Krieg größtentheils mit Deutschlands Kräften bestritten wurde, so drückte doch schon der kleine Zuschuß, welchen Schweden aus seinen eigenen Mitteln an Geld und Mannschaft dazu gab, dieses dürftige Königreich zu Boden, und der Landmann erlag unter den Lasten, die man auf ihn zu häufen gezwungen war. Die in Deutschland gemachte Kriegsbeute bereicherte bloß Einzelne vom Adel und vom Soldatenstand, und Schweden selbst blieb arm wie zuvor. Eine Zeit lang zwar söhnte der Nationalruhm den geschmeichelten Unterthan mit diesen Bedrückungen aus, und man konnte die Abgaben, die man ihm entrichtete, als ein Darlehn betrachten, das in der glücklichen Hand Gustav Adolphs herrliche Zinsen trug, und von diesem dankbaren Monarchen nach einem glorreichen Frieden mit Wucher erstattet werden würde. Aber diese Hoffnung verschwand mit dem Tode des Königs, und das getäuschte Volk foderte nun mit furchtbarer Einhelligkeit Erleichterung von seinen Lasten.

Aber der Geist Gustav Adolphs ruhte noch auf den Männern, denen er die Verwaltung des Reichs anvertraute. Wie schrecklich auch die Post von

Gustav hatte dem Schwedischen Reiche keinen männlichen Nachfolger hinterlassen; seine sechsjährige Tochter Christina war die natürliche Erbin seines Throns. Die unvermeidlichen Gebrechen einer vormundschaftlichen Regierung vertrugen sich mit dem Nachdruck und der Entschlossenheit nicht gut, welche Schweden in diesem mißlichen Zeitlaufe zeigen sollte. Gustav Adolphs hochfliegender Geist hatte diesen schwachen und unberühmten Staat mit einer ihm gänzlich ungewohnten und drückenden Größe überrascht, und ihm unter den Mächten von Europa einen Platz angewiesen, den er ohne das Glück und den Geist seines Urhebers nicht wohl behaupten, und von dem er doch ohne das schimpflichste Geständniß der Ohnmacht nicht mehr herabsteigen konnte. Wenn gleich der Deutsche Krieg größtentheils mit Deutschlands Kräften bestritten wurde, so drückte doch schon der kleine Zuschuß, welchen Schweden aus seinen eigenen Mitteln an Geld und Mannschaft dazu gab, dieses dürftige Königreich zu Boden, und der Landmann erlag unter den Lasten, die man auf ihn zu häufen gezwungen war. Die in Deutschland gemachte Kriegsbeute bereicherte bloß Einzelne vom Adel und vom Soldatenstand, und Schweden selbst blieb arm wie zuvor. Eine Zeit lang zwar söhnte der Nationalruhm den geschmeichelten Unterthan mit diesen Bedrückungen aus, und man konnte die Abgaben, die man ihm entrichtete, als ein Darlehn betrachten, das in der glücklichen Hand Gustav Adolphs herrliche Zinsen trug, und von diesem dankbaren Monarchen nach einem glorreichen Frieden mit Wucher erstattet werden würde. Aber diese Hoffnung verschwand mit dem Tode des Königs, und das getäuschte Volk foderte nun mit furchtbarer Einhelligkeit Erleichterung von seinen Lasten.

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[355/0363] Gustav hatte dem Schwedischen Reiche keinen männlichen Nachfolger hinterlassen; seine sechsjährige Tochter Christina war die natürliche Erbin seines Throns. Die unvermeidlichen Gebrechen einer vormundschaftlichen Regierung vertrugen sich mit dem Nachdruck und der Entschlossenheit nicht gut, welche Schweden in diesem mißlichen Zeitlaufe zeigen sollte. Gustav Adolphs hochfliegender Geist hatte diesen schwachen und unberühmten Staat mit einer ihm gänzlich ungewohnten und drückenden Größe überrascht, und ihm unter den Mächten von Europa einen Platz angewiesen, den er ohne das Glück und den Geist seines Urhebers nicht wohl behaupten, und von dem er doch ohne das schimpflichste Geständniß der Ohnmacht nicht mehr herabsteigen konnte. Wenn gleich der Deutsche Krieg größtentheils mit Deutschlands Kräften bestritten wurde, so drückte doch schon der kleine Zuschuß, welchen Schweden aus seinen eigenen Mitteln an Geld und Mannschaft dazu gab, dieses dürftige Königreich zu Boden, und der Landmann erlag unter den Lasten, die man auf ihn zu häufen gezwungen war. Die in Deutschland gemachte Kriegsbeute bereicherte bloß Einzelne vom Adel und vom Soldatenstand, und Schweden selbst blieb arm wie zuvor. Eine Zeit lang zwar söhnte der Nationalruhm den geschmeichelten Unterthan mit diesen Bedrückungen aus, und man konnte die Abgaben, die man ihm entrichtete, als ein Darlehn betrachten, das in der glücklichen Hand Gustav Adolphs herrliche Zinsen trug, und von diesem dankbaren Monarchen nach einem glorreichen Frieden mit Wucher erstattet werden würde. Aber diese Hoffnung verschwand mit dem Tode des Königs, und das getäuschte Volk foderte nun mit furchtbarer Einhelligkeit Erleichterung von seinen Lasten. Aber der Geist Gustav Adolphs ruhte noch auf den Männern, denen er die Verwaltung des Reichs anvertraute. Wie schrecklich auch die Post von

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/363>, abgerufen am 26.11.2024.