Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

welches die schon vorhandenen angerichtet, und foderte Erleichterung von den vorigen Lasten, wo man sich neuen unterziehen sollte. Die üble Laune, in welche die Geldfoderung des Kanzlers die Stände versetzt hatte, brütete tausend Beschwerden aus, und die Ausschweifungen der Truppen bey Durchmärschen und Quartieren wurden mit schauderhafter Wahrheit gezeichnet.

Oxenstierna hatte im Dienst von zwey unumschränkten Fürsten wenig Gelegenheit gehabt, sich an die Förmlichkeiten und den bedächtlichen Gang republikanischer Verhandlungen zu gewöhnen, und seine Geduld am Widerspruch zu üben. Fertig zum Handeln, sobald ihm die Nothwendigkeit einleuchtete, und eisern in seinem Entschluß, sobald er ihn einmal gefaßt hatte, begriff er die Inconsequenz der mehresten Menschen nicht, den Zweck zu begehren und die Mittel zu hassen. Durchfahrend und heftig von Natur, war er es bey dieser Gelegenheit noch aus Grundsatz; denn jetzt kam alles darauf an, durch eine feste zuversichtliche Sprache die Ohnmacht des Schwedischen Reichs zu bedecken, und durch den angenommenen Ton des Gebieters wirklich Gebieter zu werden. Kein Wunder also, wenn er bey solchen Gesinnungen unter Deutschen Doktoren und Ständen ganz und gar nicht in seiner Sphäre war, und durch die Umständlichkeit, welche den Charakter der Deutschen in allen ihren öffentlichen Verhandlungen ausmacht, zur Verzweiflung gebracht wurde. Ohne Schonung gegen eine Sitte, nach der sich auch die mächtigsten Kaiser hatten bequemen müssen, verwarf er alle schriftliche Deliberationen, welche der Deutschen Langsamkeit so zuträglich waren; er begriff nicht, wie man zehen Tage über einen Punkt sich besprechen konnte, der ihm schon durch den bloßen Vortrag so gut als abgethan war. So hart er aber auch die Stände behandelte, so gefällig und bereitwillig fand er sie, ihm seine vierte Motion, die ihn selbst betraf, zu bewilligen. Als er auf die

welches die schon vorhandenen angerichtet, und foderte Erleichterung von den vorigen Lasten, wo man sich neuen unterziehen sollte. Die üble Laune, in welche die Geldfoderung des Kanzlers die Stände versetzt hatte, brütete tausend Beschwerden aus, und die Ausschweifungen der Truppen bey Durchmärschen und Quartieren wurden mit schauderhafter Wahrheit gezeichnet.

Oxenstierna hatte im Dienst von zwey unumschränkten Fürsten wenig Gelegenheit gehabt, sich an die Förmlichkeiten und den bedächtlichen Gang republikanischer Verhandlungen zu gewöhnen, und seine Geduld am Widerspruch zu üben. Fertig zum Handeln, sobald ihm die Nothwendigkeit einleuchtete, und eisern in seinem Entschluß, sobald er ihn einmal gefaßt hatte, begriff er die Inconsequenz der mehresten Menschen nicht, den Zweck zu begehren und die Mittel zu hassen. Durchfahrend und heftig von Natur, war er es bey dieser Gelegenheit noch aus Grundsatz; denn jetzt kam alles darauf an, durch eine feste zuversichtliche Sprache die Ohnmacht des Schwedischen Reichs zu bedecken, und durch den angenommenen Ton des Gebieters wirklich Gebieter zu werden. Kein Wunder also, wenn er bey solchen Gesinnungen unter Deutschen Doktoren und Ständen ganz und gar nicht in seiner Sphäre war, und durch die Umständlichkeit, welche den Charakter der Deutschen in allen ihren öffentlichen Verhandlungen ausmacht, zur Verzweiflung gebracht wurde. Ohne Schonung gegen eine Sitte, nach der sich auch die mächtigsten Kaiser hatten bequemen müssen, verwarf er alle schriftliche Deliberationen, welche der Deutschen Langsamkeit so zuträglich waren; er begriff nicht, wie man zehen Tage über einen Punkt sich besprechen konnte, der ihm schon durch den bloßen Vortrag so gut als abgethan war. So hart er aber auch die Stände behandelte, so gefällig und bereitwillig fand er sie, ihm seine vierte Motion, die ihn selbst betraf, zu bewilligen. Als er auf die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0372" n="364"/>
welches die schon vorhandenen angerichtet, und foderte           Erleichterung von den vorigen Lasten, wo man sich neuen unterziehen sollte. Die üble           Laune, in welche die Geldfoderung des Kanzlers die Stände versetzt hatte, brütete tausend           Beschwerden aus, und die Ausschweifungen der Truppen bey Durchmärschen und Quartieren           wurden mit schauderhafter Wahrheit gezeichnet.</p>
        <p>Oxenstierna hatte im Dienst von zwey unumschränkten Fürsten wenig Gelegenheit gehabt,           sich an die Förmlichkeiten und den bedächtlichen Gang republikanischer Verhandlungen zu           gewöhnen, und seine Geduld am Widerspruch zu üben. Fertig zum Handeln, sobald ihm die           Nothwendigkeit einleuchtete, und eisern in seinem Entschluß, sobald er ihn einmal gefaßt           hatte, begriff er die Inconsequenz der mehresten Menschen nicht, den Zweck zu begehren und           die Mittel zu hassen. Durchfahrend und heftig von Natur, war er es bey dieser Gelegenheit           noch aus Grundsatz; denn jetzt kam alles darauf an, durch eine feste zuversichtliche           Sprache die Ohnmacht des Schwedischen Reichs zu bedecken, und durch den angenommenen Ton           des Gebieters wirklich Gebieter zu werden. Kein Wunder also, wenn er bey solchen           Gesinnungen unter Deutschen Doktoren und Ständen ganz und gar nicht in seiner Sphäre war,           und durch die Umständlichkeit, welche den Charakter der Deutschen in allen ihren           öffentlichen Verhandlungen ausmacht, zur Verzweiflung gebracht wurde. Ohne Schonung gegen           eine Sitte, nach der sich auch die mächtigsten Kaiser hatten bequemen müssen, verwarf er           alle schriftliche Deliberationen, welche der Deutschen Langsamkeit so zuträglich waren; er           begriff nicht, wie man zehen Tage über einen Punkt sich besprechen konnte, der ihm schon           durch den bloßen Vortrag so gut als abgethan war. So hart er aber auch die Stände           behandelte, so gefällig und bereitwillig fand er sie, ihm seine vierte <hi rendition="#g">Motion</hi>, die ihn selbst betraf, zu bewilligen. Als er auf die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0372] welches die schon vorhandenen angerichtet, und foderte Erleichterung von den vorigen Lasten, wo man sich neuen unterziehen sollte. Die üble Laune, in welche die Geldfoderung des Kanzlers die Stände versetzt hatte, brütete tausend Beschwerden aus, und die Ausschweifungen der Truppen bey Durchmärschen und Quartieren wurden mit schauderhafter Wahrheit gezeichnet. Oxenstierna hatte im Dienst von zwey unumschränkten Fürsten wenig Gelegenheit gehabt, sich an die Förmlichkeiten und den bedächtlichen Gang republikanischer Verhandlungen zu gewöhnen, und seine Geduld am Widerspruch zu üben. Fertig zum Handeln, sobald ihm die Nothwendigkeit einleuchtete, und eisern in seinem Entschluß, sobald er ihn einmal gefaßt hatte, begriff er die Inconsequenz der mehresten Menschen nicht, den Zweck zu begehren und die Mittel zu hassen. Durchfahrend und heftig von Natur, war er es bey dieser Gelegenheit noch aus Grundsatz; denn jetzt kam alles darauf an, durch eine feste zuversichtliche Sprache die Ohnmacht des Schwedischen Reichs zu bedecken, und durch den angenommenen Ton des Gebieters wirklich Gebieter zu werden. Kein Wunder also, wenn er bey solchen Gesinnungen unter Deutschen Doktoren und Ständen ganz und gar nicht in seiner Sphäre war, und durch die Umständlichkeit, welche den Charakter der Deutschen in allen ihren öffentlichen Verhandlungen ausmacht, zur Verzweiflung gebracht wurde. Ohne Schonung gegen eine Sitte, nach der sich auch die mächtigsten Kaiser hatten bequemen müssen, verwarf er alle schriftliche Deliberationen, welche der Deutschen Langsamkeit so zuträglich waren; er begriff nicht, wie man zehen Tage über einen Punkt sich besprechen konnte, der ihm schon durch den bloßen Vortrag so gut als abgethan war. So hart er aber auch die Stände behandelte, so gefällig und bereitwillig fand er sie, ihm seine vierte Motion, die ihn selbst betraf, zu bewilligen. Als er auf die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/372
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/372>, abgerufen am 15.05.2024.