Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

stehen, ohne nur die geringste Bewegung zu machen; dann verließ er seine Verschanzungen, und zog mit ruhigem stolzen Schritt an ihrem Lager vorüber. Auch nachdem er aufgebrochen war, und die muthiger gewordenen Feinde ihm beständig zur Seite blieben, ließ er die Gelegenheit unbenutzt. Die Sorgfalt, mit der er die Schlacht vermied, wurde als Furcht ausgelegt; aber einen solchen Verdacht durfte Wallenstein auf seinen verjährten Feldherrnruhm wagen. Die Eitelkeit der Alliirten ließ sie nicht bemerken, daß er sein Spiel mit ihnen trieb, und daß er ihnen die Niederlage großmüthig schenkte, weil ihm - mit einem Sieg über sie für jetzt nicht gedient war. Um ihnen jedoch zu zeigen, daß Er der Herr sey, und daß nicht die Furcht vor ihrer Macht ihn in Unthätigkeit erhalte, ließ er den Kommendanten eines Schlosses, das in seine Hände fiel, niederstoßen, weil er einen unhaltbaren Platz nicht gleich übergeben hatte.

Neun Tage lang standen beyde Armeen einander, einen Musketenschuß weit, im Gesichte, als der Graf Terzky aus dem Wallensteinischen Heere mit einem Trompeter vor dem Lager der Alliirten erschien, den General von Arnheim zu einer Konferenz einzuladen. Der Inhalt derselben war, daß Wallenstein, der doch an Macht der überlegene Theil war, einen Waffenstillstand von sechs Wochen in Vorschlag brachte. "Er sey gekommen," sagte er, "mit Schweden und mit den Reichsfürsten einen ewigen Frieden zu schließen, die Soldaten zu bezahlen, und jedem Genugthuung zu verschaffen. Alles dieß stehe in seiner Hand, und wenn man in Wien Anstand nehmen sollte, es zu bestätigen, so wolle Er sich mit den Alliierten vereinigen, und (was er Arnheimen zwar nur ins Ohr flüsterte) den Kaiser zum Teufel jagen." Bey einer zweyten Zusammenkunft ließ er sich gegen den Grafen von Thurn noch deutlicher heraus. "Alle Privilegien," erklärte er, "sollten aufs neue bestätigt, alle Böhmischen Exulanten zurückberufen und in ihre Güter wieder eingesetzt werden, und er selbst wolle der erste seyn, seinen Antheil an denselben

stehen, ohne nur die geringste Bewegung zu machen; dann verließ er seine Verschanzungen, und zog mit ruhigem stolzen Schritt an ihrem Lager vorüber. Auch nachdem er aufgebrochen war, und die muthiger gewordenen Feinde ihm beständig zur Seite blieben, ließ er die Gelegenheit unbenutzt. Die Sorgfalt, mit der er die Schlacht vermied, wurde als Furcht ausgelegt; aber einen solchen Verdacht durfte Wallenstein auf seinen verjährten Feldherrnruhm wagen. Die Eitelkeit der Alliirten ließ sie nicht bemerken, daß er sein Spiel mit ihnen trieb, und daß er ihnen die Niederlage großmüthig schenkte, weil ihm – mit einem Sieg über sie für jetzt nicht gedient war. Um ihnen jedoch zu zeigen, daß Er der Herr sey, und daß nicht die Furcht vor ihrer Macht ihn in Unthätigkeit erhalte, ließ er den Kommendanten eines Schlosses, das in seine Hände fiel, niederstoßen, weil er einen unhaltbaren Platz nicht gleich übergeben hatte.

Neun Tage lang standen beyde Armeen einander, einen Musketenschuß weit, im Gesichte, als der Graf Terzky aus dem Wallensteinischen Heere mit einem Trompeter vor dem Lager der Alliirten erschien, den General von Arnheim zu einer Konferenz einzuladen. Der Inhalt derselben war, daß Wallenstein, der doch an Macht der überlegene Theil war, einen Waffenstillstand von sechs Wochen in Vorschlag brachte. „Er sey gekommen,“ sagte er, „mit Schweden und mit den Reichsfürsten einen ewigen Frieden zu schließen, die Soldaten zu bezahlen, und jedem Genugthuung zu verschaffen. Alles dieß stehe in seiner Hand, und wenn man in Wien Anstand nehmen sollte, es zu bestätigen, so wolle Er sich mit den Alliierten vereinigen, und (was er Arnheimen zwar nur ins Ohr flüsterte) den Kaiser zum Teufel jagen.“ Bey einer zweyten Zusammenkunft ließ er sich gegen den Grafen von Thurn noch deutlicher heraus. „Alle Privilegien,“ erklärte er, „sollten aufs neue bestätigt, alle Böhmischen Exulanten zurückberufen und in ihre Güter wieder eingesetzt werden, und er selbst wolle der erste seyn, seinen Antheil an denselben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0388" n="380"/>
stehen,           ohne nur die geringste Bewegung zu machen; dann verließ er seine Verschanzungen, und zog           mit ruhigem stolzen Schritt an ihrem Lager vorüber. Auch nachdem er aufgebrochen war, und           die muthiger gewordenen Feinde ihm beständig zur Seite blieben, ließ er die Gelegenheit           unbenutzt. Die Sorgfalt, mit der er die Schlacht vermied, wurde als Furcht ausgelegt; aber           einen solchen Verdacht durfte Wallenstein auf seinen verjährten Feldherrnruhm wagen. Die           Eitelkeit der Alliirten ließ sie nicht bemerken, daß er sein Spiel mit ihnen trieb, und           daß er ihnen die Niederlage großmüthig schenkte, weil ihm &#x2013; mit einem Sieg über sie für           jetzt nicht gedient war. Um ihnen jedoch zu zeigen, daß <hi rendition="#g">Er</hi> der           Herr sey, und daß nicht die Furcht vor ihrer Macht ihn in Unthätigkeit erhalte, ließ er           den Kommendanten eines Schlosses, das in seine Hände fiel, niederstoßen, weil er einen           unhaltbaren Platz nicht gleich übergeben hatte.</p>
        <p>Neun Tage lang standen beyde Armeen einander, einen Musketenschuß weit, im Gesichte, als           der Graf Terzky aus dem Wallensteinischen Heere mit einem Trompeter vor dem Lager der           Alliirten erschien, den General von Arnheim zu einer Konferenz einzuladen. Der Inhalt           derselben war, daß Wallenstein, der doch an Macht der überlegene Theil war, einen           Waffenstillstand von sechs Wochen in Vorschlag brachte. &#x201E;Er sey gekommen,&#x201C; sagte er, &#x201E;mit           Schweden und mit den Reichsfürsten einen ewigen Frieden zu schließen, die Soldaten zu           bezahlen, und jedem Genugthuung zu verschaffen. Alles dieß stehe in seiner Hand, und wenn           man in Wien Anstand nehmen sollte, es zu bestätigen, so wolle <hi rendition="#g">Er</hi> sich mit den Alliierten vereinigen, und (was er Arnheimen zwar nur ins Ohr flüsterte) den           Kaiser zum Teufel jagen.&#x201C; Bey einer zweyten Zusammenkunft ließ er sich gegen den Grafen           von Thurn noch deutlicher heraus. &#x201E;Alle Privilegien,&#x201C; erklärte er, &#x201E;sollten aufs neue           bestätigt, alle Böhmischen Exulanten zurückberufen und in ihre Güter wieder eingesetzt           werden, und er selbst wolle der erste seyn, seinen Antheil an denselben
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0388] stehen, ohne nur die geringste Bewegung zu machen; dann verließ er seine Verschanzungen, und zog mit ruhigem stolzen Schritt an ihrem Lager vorüber. Auch nachdem er aufgebrochen war, und die muthiger gewordenen Feinde ihm beständig zur Seite blieben, ließ er die Gelegenheit unbenutzt. Die Sorgfalt, mit der er die Schlacht vermied, wurde als Furcht ausgelegt; aber einen solchen Verdacht durfte Wallenstein auf seinen verjährten Feldherrnruhm wagen. Die Eitelkeit der Alliirten ließ sie nicht bemerken, daß er sein Spiel mit ihnen trieb, und daß er ihnen die Niederlage großmüthig schenkte, weil ihm – mit einem Sieg über sie für jetzt nicht gedient war. Um ihnen jedoch zu zeigen, daß Er der Herr sey, und daß nicht die Furcht vor ihrer Macht ihn in Unthätigkeit erhalte, ließ er den Kommendanten eines Schlosses, das in seine Hände fiel, niederstoßen, weil er einen unhaltbaren Platz nicht gleich übergeben hatte. Neun Tage lang standen beyde Armeen einander, einen Musketenschuß weit, im Gesichte, als der Graf Terzky aus dem Wallensteinischen Heere mit einem Trompeter vor dem Lager der Alliirten erschien, den General von Arnheim zu einer Konferenz einzuladen. Der Inhalt derselben war, daß Wallenstein, der doch an Macht der überlegene Theil war, einen Waffenstillstand von sechs Wochen in Vorschlag brachte. „Er sey gekommen,“ sagte er, „mit Schweden und mit den Reichsfürsten einen ewigen Frieden zu schließen, die Soldaten zu bezahlen, und jedem Genugthuung zu verschaffen. Alles dieß stehe in seiner Hand, und wenn man in Wien Anstand nehmen sollte, es zu bestätigen, so wolle Er sich mit den Alliierten vereinigen, und (was er Arnheimen zwar nur ins Ohr flüsterte) den Kaiser zum Teufel jagen.“ Bey einer zweyten Zusammenkunft ließ er sich gegen den Grafen von Thurn noch deutlicher heraus. „Alle Privilegien,“ erklärte er, „sollten aufs neue bestätigt, alle Böhmischen Exulanten zurückberufen und in ihre Güter wieder eingesetzt werden, und er selbst wolle der erste seyn, seinen Antheil an denselben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/388
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/388>, abgerufen am 16.05.2024.