Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.Wallenstein war durch den Knall, den eine losgehende Flinte erregte, aus dem ersten Schlaf aufgepocht worden, und ans Fenster gesprungen, um der Wache zu rufen. In diesem Augenblick hörte er aus den Fenstern des anstoßenden Gebäudes das Heulen und Wehklagen der Gräfinnen Terzky und Kinsky, die so eben von dem gewaltsamen Tod ihrer Männer benachrichtigt worden. Ehe er Zeit hatte diesem schrecklichen Vorfalle nachzudenken, stand Deveroux mit seinen Mordgehülfen im Zimmer. Er war noch im bloßen Hemde, wie er aus dem Bette gesprungen war, zunächst an dem Fenster an einen Tisch gelehnt. "Bist Du der Schelm," schreyt Deveroux ihn an, "der des Kaisers Volk zu dem Feind überführen, und Seiner Majestät die Krone vom Haupte herunter reißen will? Jetzt mußt du sterben." Er hält einige Augenblicke inne, als ob er eine Antwort erwartete; aber Ueberraschung und Trotz verschließen Wallensteins Mund. Die Arme weit aus einander breitend, empfängt er vorn in der Brust den tödtlichen Stoß der Hellebarde, und fällt dahin in seinem Blut, ohne einen Laut auszustoßen. Den Tag darauf langt ein Expresser von dem Herzog von Lauenburg an, der die nahe Ankunft dieses Prinzen berichtet. Man versichert sich seiner Person, und ein andrer Lakey wird in Friedländischer Livree an den Herzog abgeschickt, ihn nach Eger zu locken. Die List gelingt, und Franz Albert überliefert sich selbst den Händen der Feinde. Wenig fehlte, daß Herzog Bernhard von Weimar, der schon auf der Reise nach Eger begriffen war, nicht ein ähnliches Schicksal erfahren hätte. Zum Glück erhält er von Wallensteins Untergang noch früh genug Nachricht, um sich durch einen zeitigen Rückzug der Gefahr zu entreißen. Ferdinand weihte dem Schicksale seines Generals eine Thräne, und ließ für die Ermordeten zu Wien dreytausend Seelmessen lesen; zugleich aber vergaß er nicht, Wallenstein war durch den Knall, den eine losgehende Flinte erregte, aus dem ersten Schlaf aufgepocht worden, und ans Fenster gesprungen, um der Wache zu rufen. In diesem Augenblick hörte er aus den Fenstern des anstoßenden Gebäudes das Heulen und Wehklagen der Gräfinnen Terzky und Kinsky, die so eben von dem gewaltsamen Tod ihrer Männer benachrichtigt worden. Ehe er Zeit hatte diesem schrecklichen Vorfalle nachzudenken, stand Deveroux mit seinen Mordgehülfen im Zimmer. Er war noch im bloßen Hemde, wie er aus dem Bette gesprungen war, zunächst an dem Fenster an einen Tisch gelehnt. „Bist Du der Schelm,“ schreyt Deveroux ihn an, „der des Kaisers Volk zu dem Feind überführen, und Seiner Majestät die Krone vom Haupte herunter reißen will? Jetzt mußt du sterben.“ Er hält einige Augenblicke inne, als ob er eine Antwort erwartete; aber Ueberraschung und Trotz verschließen Wallensteins Mund. Die Arme weit aus einander breitend, empfängt er vorn in der Brust den tödtlichen Stoß der Hellebarde, und fällt dahin in seinem Blut, ohne einen Laut auszustoßen. Den Tag darauf langt ein Expresser von dem Herzog von Lauenburg an, der die nahe Ankunft dieses Prinzen berichtet. Man versichert sich seiner Person, und ein andrer Lakey wird in Friedländischer Livree an den Herzog abgeschickt, ihn nach Eger zu locken. Die List gelingt, und Franz Albert überliefert sich selbst den Händen der Feinde. Wenig fehlte, daß Herzog Bernhard von Weimar, der schon auf der Reise nach Eger begriffen war, nicht ein ähnliches Schicksal erfahren hätte. Zum Glück erhält er von Wallensteins Untergang noch früh genug Nachricht, um sich durch einen zeitigen Rückzug der Gefahr zu entreißen. Ferdinand weihte dem Schicksale seines Generals eine Thräne, und ließ für die Ermordeten zu Wien dreytausend Seelmessen lesen; zugleich aber vergaß er nicht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0418" n="410"/> <p> Wallenstein war durch den Knall, den eine losgehende Flinte erregte, aus dem ersten Schlaf aufgepocht worden, und ans Fenster gesprungen, um der Wache zu rufen. In diesem Augenblick hörte er aus den Fenstern des anstoßenden Gebäudes das Heulen und Wehklagen der Gräfinnen Terzky und Kinsky, die so eben von dem gewaltsamen Tod ihrer Männer benachrichtigt worden. Ehe er Zeit hatte diesem schrecklichen Vorfalle nachzudenken, stand Deveroux mit seinen Mordgehülfen im Zimmer. Er war noch im bloßen Hemde, wie er aus dem Bette gesprungen war, zunächst an dem Fenster an einen Tisch gelehnt. „Bist Du der Schelm,“ schreyt Deveroux ihn an, „der des Kaisers Volk zu dem Feind überführen, und Seiner Majestät die Krone vom Haupte herunter reißen will? Jetzt mußt du sterben.“ Er hält einige Augenblicke inne, als ob er eine Antwort erwartete; aber Ueberraschung und Trotz verschließen Wallensteins Mund. Die Arme weit aus einander breitend, empfängt er vorn in der Brust den tödtlichen Stoß der Hellebarde, und fällt dahin in seinem Blut, ohne einen Laut auszustoßen.</p> <p>Den Tag darauf langt ein Expresser von dem Herzog von Lauenburg an, der die nahe Ankunft dieses Prinzen berichtet. Man versichert sich seiner Person, und ein andrer Lakey wird in Friedländischer Livree an den Herzog abgeschickt, ihn nach Eger zu locken. Die List gelingt, und Franz Albert überliefert sich selbst den Händen der Feinde. Wenig fehlte, daß Herzog Bernhard von Weimar, der schon auf der Reise nach Eger begriffen war, nicht ein ähnliches Schicksal erfahren hätte. Zum Glück erhält er von Wallensteins Untergang noch früh genug Nachricht, um sich durch einen zeitigen Rückzug der Gefahr zu entreißen. Ferdinand weihte dem Schicksale seines Generals eine Thräne, und ließ für die Ermordeten zu Wien dreytausend Seelmessen lesen; zugleich aber vergaß er nicht, </p> </div> </body> </text> </TEI> [410/0418]
Wallenstein war durch den Knall, den eine losgehende Flinte erregte, aus dem ersten Schlaf aufgepocht worden, und ans Fenster gesprungen, um der Wache zu rufen. In diesem Augenblick hörte er aus den Fenstern des anstoßenden Gebäudes das Heulen und Wehklagen der Gräfinnen Terzky und Kinsky, die so eben von dem gewaltsamen Tod ihrer Männer benachrichtigt worden. Ehe er Zeit hatte diesem schrecklichen Vorfalle nachzudenken, stand Deveroux mit seinen Mordgehülfen im Zimmer. Er war noch im bloßen Hemde, wie er aus dem Bette gesprungen war, zunächst an dem Fenster an einen Tisch gelehnt. „Bist Du der Schelm,“ schreyt Deveroux ihn an, „der des Kaisers Volk zu dem Feind überführen, und Seiner Majestät die Krone vom Haupte herunter reißen will? Jetzt mußt du sterben.“ Er hält einige Augenblicke inne, als ob er eine Antwort erwartete; aber Ueberraschung und Trotz verschließen Wallensteins Mund. Die Arme weit aus einander breitend, empfängt er vorn in der Brust den tödtlichen Stoß der Hellebarde, und fällt dahin in seinem Blut, ohne einen Laut auszustoßen.
Den Tag darauf langt ein Expresser von dem Herzog von Lauenburg an, der die nahe Ankunft dieses Prinzen berichtet. Man versichert sich seiner Person, und ein andrer Lakey wird in Friedländischer Livree an den Herzog abgeschickt, ihn nach Eger zu locken. Die List gelingt, und Franz Albert überliefert sich selbst den Händen der Feinde. Wenig fehlte, daß Herzog Bernhard von Weimar, der schon auf der Reise nach Eger begriffen war, nicht ein ähnliches Schicksal erfahren hätte. Zum Glück erhält er von Wallensteins Untergang noch früh genug Nachricht, um sich durch einen zeitigen Rückzug der Gefahr zu entreißen. Ferdinand weihte dem Schicksale seines Generals eine Thräne, und ließ für die Ermordeten zu Wien dreytausend Seelmessen lesen; zugleich aber vergaß er nicht,
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