Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.ihren Mauern oder in ihrer Nachbarschaft hatten, und ihr unglückliches Schicksal konnte selbst der Wechsel des Glücks nicht verbessern, da der Sieger an den Platz und in die Fußstapfen des Besiegten trat, und Freund und Feind gleich wenig Schonung bewiesen. Die Vernachlässigung der Felder, die Zerstörung der Saaten, und die Vervielfältigung der Armeen, die über die ausgesogenen Länder daher stürmten, hatten Hunger und Theurung zur unausbleiblichen Folge, und in den letzten Jahren vollendete noch Mißwachs das Elend*). Die Anhäufung der Menschen in Lägern und Quartieren, Mangel auf der einen Seite und Völlerey auf der andern brachten pestartige Seuchen hervor, die mehr als Schwert und Feuer die Länder verödeten. Alle Bande der Ordnung lösten in dieser langen Zerrüttung sich auf, die Achtung für Menschenrechte, die Furcht vor Gesetzen, die Reinheit der Sitten verlor sich, Treu und Glaube verfiel, indem die Stärke allein mit eisernem Scepter herrschte; üppig schossen unter dem Schirme der Anarchie und der Straflosigkeit alle Laster auf, und die Menschen verwilderten mit den Ländern. Kein Stand war dem Muthwillen zu ehrwürdig, kein fremdes Eigenthum der Noth und der Raubsucht heilig. Der Soldat (um das Elend jener Zeit in ein einziges Wort zu pressen) der Soldat herrschte, und dieser brutalste der Despoten ließ seine eignen Führer nicht selten seine Obermacht fühlen. Der Befehlshaber einer Armee war eine wichtigere Person in *) Im Jahr 1634, demselben, wo die Unterhandlungen zu Pirna eröffnet wurden, waren die Lebensmittel zu einem so hohen Preise gestiegen, daß ein Ey sechs Kreuzer (damals eine weit größere Summe als in unsern Tagen), ein Pfund Fleisch zehen und zwanzig Kreuzer, ein Simmra Haber sechzehn Reichsthaler, ein Simmra Gerste dreißig Reichsthaler galt. Ein Huhn wurde mit einem Gulden, ein Nürnbergischer Eimer Wein mit zwanzig Thalern bezahlt.
ihren Mauern oder in ihrer Nachbarschaft hatten, und ihr unglückliches Schicksal konnte selbst der Wechsel des Glücks nicht verbessern, da der Sieger an den Platz und in die Fußstapfen des Besiegten trat, und Freund und Feind gleich wenig Schonung bewiesen. Die Vernachlässigung der Felder, die Zerstörung der Saaten, und die Vervielfältigung der Armeen, die über die ausgesogenen Länder daher stürmten, hatten Hunger und Theurung zur unausbleiblichen Folge, und in den letzten Jahren vollendete noch Mißwachs das Elend*). Die Anhäufung der Menschen in Lägern und Quartieren, Mangel auf der einen Seite und Völlerey auf der andern brachten pestartige Seuchen hervor, die mehr als Schwert und Feuer die Länder verödeten. Alle Bande der Ordnung lösten in dieser langen Zerrüttung sich auf, die Achtung für Menschenrechte, die Furcht vor Gesetzen, die Reinheit der Sitten verlor sich, Treu und Glaube verfiel, indem die Stärke allein mit eisernem Scepter herrschte; üppig schossen unter dem Schirme der Anarchie und der Straflosigkeit alle Laster auf, und die Menschen verwilderten mit den Ländern. Kein Stand war dem Muthwillen zu ehrwürdig, kein fremdes Eigenthum der Noth und der Raubsucht heilig. Der Soldat (um das Elend jener Zeit in ein einziges Wort zu pressen) der Soldat herrschte, und dieser brutalste der Despoten ließ seine eignen Führer nicht selten seine Obermacht fühlen. Der Befehlshaber einer Armee war eine wichtigere Person in *) Im Jahr 1634, demselben, wo die Unterhandlungen zu Pirna eröffnet wurden, waren die Lebensmittel zu einem so hohen Preise gestiegen, daß ein Ey sechs Kreuzer (damals eine weit größere Summe als in unsern Tagen), ein Pfund Fleisch zehen und zwanzig Kreuzer, ein Simmra Haber sechzehn Reichsthaler, ein Simmra Gerste dreißig Reichsthaler galt. Ein Huhn wurde mit einem Gulden, ein Nürnbergischer Eimer Wein mit zwanzig Thalern bezahlt.
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ihren Mauern oder in ihrer Nachbarschaft hatten, und ihr unglückliches Schicksal konnte selbst der Wechsel des Glücks nicht verbessern, da der Sieger an den Platz und in die Fußstapfen des Besiegten trat, und Freund und Feind gleich wenig Schonung bewiesen. Die Vernachlässigung der Felder, die Zerstörung der Saaten, und die Vervielfältigung der Armeen, die über die ausgesogenen Länder daher stürmten, hatten Hunger und Theurung zur unausbleiblichen Folge, und in den letzten Jahren vollendete noch Mißwachs das Elend *). Die Anhäufung der Menschen in Lägern und Quartieren, Mangel auf der einen Seite und Völlerey auf der andern brachten pestartige Seuchen hervor, die mehr als Schwert und Feuer die Länder verödeten. Alle Bande der Ordnung lösten in dieser langen Zerrüttung sich auf, die Achtung für Menschenrechte, die Furcht vor Gesetzen, die Reinheit der Sitten verlor sich, Treu und Glaube verfiel, indem die Stärke allein mit eisernem Scepter herrschte; üppig schossen unter dem Schirme der Anarchie und der Straflosigkeit alle Laster auf, und die Menschen verwilderten mit den Ländern. Kein Stand war dem Muthwillen zu ehrwürdig, kein fremdes Eigenthum der Noth und der Raubsucht heilig. Der Soldat (um das Elend jener Zeit in ein einziges Wort zu pressen) der Soldat herrschte, und dieser brutalste der Despoten ließ seine eignen Führer nicht selten seine Obermacht fühlen. Der Befehlshaber einer Armee war eine wichtigere Person in
*) Im Jahr 1634, demselben, wo die Unterhandlungen zu Pirna eröffnet wurden, waren die Lebensmittel zu einem so hohen Preise gestiegen, daß ein Ey sechs Kreuzer (damals eine weit größere Summe als in unsern Tagen), ein Pfund Fleisch zehen und zwanzig Kreuzer, ein Simmra Haber sechzehn Reichsthaler, ein Simmra Gerste dreißig Reichsthaler galt. Ein Huhn wurde mit einem Gulden, ein Nürnbergischer Eimer Wein mit zwanzig Thalern bezahlt.
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