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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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ihn, wenn Matthias ohne Erben abgienge. Alsdann war Ferdinand, Erzherzog von Gräz, das Haupt der Familie, den er eben so wenig liebte. Diesen sowohl als den Matthias von der Böhmischen Thronfolge auszuschließen, verfiel er auf den Entwurf, Ferdinands Bruder, dem Erzherzog Leopold, Bischof von Passau, der ihm unter allen seinen Agnaten der liebste und der verdienteste um seine Person war, diese Erbschaft zuzuwenden. Die Begriffe der Böhmen von der Wahlfreyheit ihres Königreichs, und ihre Neigung zu Leopolds Person, schienen diesen Entwurf zu begünstigen, bey welchem Rudolph mehr seine Partheylichkeit und Rachgier, als das Beste seines Hauses zu Rath gezogen hatte. Aber um dieses Projekt durchzusezen, bedurfte es einer militärischen Macht, welche Rudolph auch wirklich im Bißthum Passau zusammen zog. Die Bestimmung dieses Corps wußte niemand; aber ein unversehener Einfall, den es, aus Abgang des Soldes und ohne Wissen des Kaisers, in Böhmen that, und die Ausschweifungen, die es da verübte, brachte dieses ganze Königreich in Aufruhr gegen den Kaiser. Umsonst versicherte dieser die Böhmischen Stände seiner Unschuld, sie glaubten ihm nicht; umsonst versuchte er den eigenmächtigen Gewaltthätigkeiten seiner Soldaten Einhalt zu thun, sie hörten ihn nicht. In der Voraussezung, daß es auf Vernichtung des Majestätsbriefes abgesehen sey, bewaffneten die Freyheitsbeschüzer das ganze protestantische Böhmen, und Matthias wurde ins Land gerufen. Nach Verjagung seiner Passauischen Truppen blieb der Kaiser, entblößt von aller Hülfe, zu Prag, wo man ihn gleich einem Gefangnen in seinem eignen Schlosse bewachte, und alle seine Räthe von ihm entfernte. Matthias war unterdessen unter allgemeinem Frohlocken in Prag eingezogen, wo Rudolph kurz nachher kleinmüthig genug war, ihn als König von Böhmen anzuerkennen. So hart strafte diesen Kaiser das Schicksal, daß er seinem Feinde noch lebend einen Thron überlassen mußte, den er ihm nach

ihn, wenn Matthias ohne Erben abgienge. Alsdann war Ferdinand, Erzherzog von Gräz, das Haupt der Familie, den er eben so wenig liebte. Diesen sowohl als den Matthias von der Böhmischen Thronfolge auszuschließen, verfiel er auf den Entwurf, Ferdinands Bruder, dem Erzherzog Leopold, Bischof von Passau, der ihm unter allen seinen Agnaten der liebste und der verdienteste um seine Person war, diese Erbschaft zuzuwenden. Die Begriffe der Böhmen von der Wahlfreyheit ihres Königreichs, und ihre Neigung zu Leopolds Person, schienen diesen Entwurf zu begünstigen, bey welchem Rudolph mehr seine Partheylichkeit und Rachgier, als das Beste seines Hauses zu Rath gezogen hatte. Aber um dieses Projekt durchzusezen, bedurfte es einer militärischen Macht, welche Rudolph auch wirklich im Bißthum Passau zusammen zog. Die Bestimmung dieses Corps wußte niemand; aber ein unversehener Einfall, den es, aus Abgang des Soldes und ohne Wissen des Kaisers, in Böhmen that, und die Ausschweifungen, die es da verübte, brachte dieses ganze Königreich in Aufruhr gegen den Kaiser. Umsonst versicherte dieser die Böhmischen Stände seiner Unschuld, sie glaubten ihm nicht; umsonst versuchte er den eigenmächtigen Gewaltthätigkeiten seiner Soldaten Einhalt zu thun, sie hörten ihn nicht. In der Voraussezung, daß es auf Vernichtung des Majestätsbriefes abgesehen sey, bewaffneten die Freyheitsbeschüzer das ganze protestantische Böhmen, und Matthias wurde ins Land gerufen. Nach Verjagung seiner Passauischen Truppen blieb der Kaiser, entblößt von aller Hülfe, zu Prag, wo man ihn gleich einem Gefangnen in seinem eignen Schlosse bewachte, und alle seine Räthe von ihm entfernte. Matthias war unterdessen unter allgemeinem Frohlocken in Prag eingezogen, wo Rudolph kurz nachher kleinmüthig genug war, ihn als König von Böhmen anzuerkennen. So hart strafte diesen Kaiser das Schicksal, daß er seinem Feinde noch lebend einen Thron überlassen mußte, den er ihm nach

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ihn, wenn Matthias ohne Erben abgienge. Alsdann war Ferdinand, Erzherzog von Gräz, das Haupt der Familie, den er eben so wenig liebte. Diesen sowohl als den Matthias von der Böhmischen Thronfolge auszuschließen, verfiel er auf den Entwurf, Ferdinands Bruder, dem Erzherzog Leopold, Bischof von Passau, der ihm unter allen seinen Agnaten der liebste und der verdienteste um seine Person war, diese Erbschaft zuzuwenden. Die Begriffe der Böhmen von der Wahlfreyheit ihres Königreichs, und ihre Neigung zu Leopolds Person, schienen diesen Entwurf zu begünstigen, bey welchem Rudolph mehr seine Partheylichkeit und Rachgier, als das Beste seines Hauses zu Rath gezogen hatte. Aber um dieses Projekt durchzusezen, bedurfte es einer militärischen Macht, welche Rudolph auch wirklich im Bißthum Passau zusammen zog. Die Bestimmung dieses Corps wußte niemand; aber ein unversehener Einfall, den es, aus Abgang des Soldes und ohne Wissen des Kaisers, in Böhmen that, und die Ausschweifungen, die es da verübte, brachte dieses ganze Königreich in Aufruhr gegen den Kaiser. Umsonst versicherte dieser die Böhmischen Stände seiner Unschuld, sie glaubten ihm nicht; umsonst versuchte er den eigenmächtigen Gewaltthätigkeiten seiner Soldaten Einhalt zu thun, sie hörten ihn nicht. In der Voraussezung, daß es auf Vernichtung des Majestätsbriefes abgesehen sey, bewaffneten die Freyheitsbeschüzer das ganze protestantische Böhmen, und Matthias wurde ins Land gerufen. Nach Verjagung seiner Passauischen Truppen blieb der Kaiser, entblößt von aller Hülfe, zu Prag, wo man ihn gleich einem Gefangnen in seinem eignen Schlosse bewachte, und alle seine Räthe von ihm entfernte. Matthias war unterdessen unter allgemeinem Frohlocken in Prag eingezogen, wo Rudolph kurz nachher kleinmüthig genug war, ihn als König von Böhmen anzuerkennen. So hart strafte diesen Kaiser das Schicksal, daß er seinem Feinde noch lebend einen Thron überlassen mußte, den er ihm nach
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[40/0048] ihn, wenn Matthias ohne Erben abgienge. Alsdann war Ferdinand, Erzherzog von Gräz, das Haupt der Familie, den er eben so wenig liebte. Diesen sowohl als den Matthias von der Böhmischen Thronfolge auszuschließen, verfiel er auf den Entwurf, Ferdinands Bruder, dem Erzherzog Leopold, Bischof von Passau, der ihm unter allen seinen Agnaten der liebste und der verdienteste um seine Person war, diese Erbschaft zuzuwenden. Die Begriffe der Böhmen von der Wahlfreyheit ihres Königreichs, und ihre Neigung zu Leopolds Person, schienen diesen Entwurf zu begünstigen, bey welchem Rudolph mehr seine Partheylichkeit und Rachgier, als das Beste seines Hauses zu Rath gezogen hatte. Aber um dieses Projekt durchzusezen, bedurfte es einer militärischen Macht, welche Rudolph auch wirklich im Bißthum Passau zusammen zog. Die Bestimmung dieses Corps wußte niemand; aber ein unversehener Einfall, den es, aus Abgang des Soldes und ohne Wissen des Kaisers, in Böhmen that, und die Ausschweifungen, die es da verübte, brachte dieses ganze Königreich in Aufruhr gegen den Kaiser. Umsonst versicherte dieser die Böhmischen Stände seiner Unschuld, sie glaubten ihm nicht; umsonst versuchte er den eigenmächtigen Gewaltthätigkeiten seiner Soldaten Einhalt zu thun, sie hörten ihn nicht. In der Voraussezung, daß es auf Vernichtung des Majestätsbriefes abgesehen sey, bewaffneten die Freyheitsbeschüzer das ganze protestantische Böhmen, und Matthias wurde ins Land gerufen. Nach Verjagung seiner Passauischen Truppen blieb der Kaiser, entblößt von aller Hülfe, zu Prag, wo man ihn gleich einem Gefangnen in seinem eignen Schlosse bewachte, und alle seine Räthe von ihm entfernte. Matthias war unterdessen unter allgemeinem Frohlocken in Prag eingezogen, wo Rudolph kurz nachher kleinmüthig genug war, ihn als König von Böhmen anzuerkennen. So hart strafte diesen Kaiser das Schicksal, daß er seinem Feinde noch lebend einen Thron überlassen mußte, den er ihm nach

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/48>, abgerufen am 25.04.2024.