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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Der unwürdige Schritt des Kaisers hatte ihn zu Repressalien berechtigt; aber Maximilian war ein zu grauer Staatsmann, um, wo die Klugheit allein sprechen durfte, die Leidenschaft zu hören. Er hatte von dem Waffenstillstand die Vortheile nicht geerntet, die er sich darin versprochen hatte. Weit entfernt, zu der Beschleunigung des allgemeinen Friedens beyzutragen, hatte dieser einseitige Stillstand vielmehr den Negotiationen zu Münster und Osnabrück eine schädliche Wendung gegeben, und die Alliirten in ihren Foderungen dreister gemacht. Die Franzosen und Schweden waren aus Bayern entfernt worden; aber durch den Verlust der Quartiere im Schwäbischen Kreise sah er sich nun selbst dahin gebracht, mit seinen Truppen sein eigenes Land auszusaugen, wenn er sich nicht entschliessen wollte, sie ganz und gar abzudanken, und in dieser Zeit des Faustrechts unbesonnen Schwert und Schild wegzulegen. Ehe er eins dieser beyden gewissen Uebel erwählte, entschloß er sich lieber zu einem dritten, das zum wenigsten noch ungewiß war, den Stillstand aufzukündigen, und aufs neue zu den Waffen zu greifen.

Sein Entschluß und die schnelle Hülfe, die er dem Kaiser nach Böhmen schickte, drohte den Schweden höchst verderblich zu werden, und Wrangel mußte sich aufs eilfertigste aus Böhmen zurück ziehen. Er ging durch Thüringen nach Westphalen und Lüneburg, um die Französische Armee unter Türenne an sich zu ziehen, und unter Melander und Gronsfeld folgte ihm die Kaiserlich-Bayrische Armee bis an den Weserstrom. Sein Untergang war unvermeidlich, wenn der Feind ihn erreichte, ehe Türenne zu ihm stieß; aber was den Kaiser zuvor gerettet hatte, erhielt jetzt auch die Schweden. Mitten unter der Wuth des Kampfes leitete kalte Klugheit den Lauf des Krieges, und die Wachsamkeit der Höfe vermehrte sich, je näher der Friede herbey rückte. Der Churfürst

Der unwürdige Schritt des Kaisers hatte ihn zu Repressalien berechtigt; aber Maximilian war ein zu grauer Staatsmann, um, wo die Klugheit allein sprechen durfte, die Leidenschaft zu hören. Er hatte von dem Waffenstillstand die Vortheile nicht geerntet, die er sich darin versprochen hatte. Weit entfernt, zu der Beschleunigung des allgemeinen Friedens beyzutragen, hatte dieser einseitige Stillstand vielmehr den Negotiationen zu Münster und Osnabrück eine schädliche Wendung gegeben, und die Alliirten in ihren Foderungen dreister gemacht. Die Franzosen und Schweden waren aus Bayern entfernt worden; aber durch den Verlust der Quartiere im Schwäbischen Kreise sah er sich nun selbst dahin gebracht, mit seinen Truppen sein eigenes Land auszusaugen, wenn er sich nicht entschliessen wollte, sie ganz und gar abzudanken, und in dieser Zeit des Faustrechts unbesonnen Schwert und Schild wegzulegen. Ehe er eins dieser beyden gewissen Uebel erwählte, entschloß er sich lieber zu einem dritten, das zum wenigsten noch ungewiß war, den Stillstand aufzukündigen, und aufs neue zu den Waffen zu greifen.

Sein Entschluß und die schnelle Hülfe, die er dem Kaiser nach Böhmen schickte, drohte den Schweden höchst verderblich zu werden, und Wrangel mußte sich aufs eilfertigste aus Böhmen zurück ziehen. Er ging durch Thüringen nach Westphalen und Lüneburg, um die Französische Armee unter Türenne an sich zu ziehen, und unter Melander und Gronsfeld folgte ihm die Kaiserlich-Bayrische Armee bis an den Weserstrom. Sein Untergang war unvermeidlich, wenn der Feind ihn erreichte, ehe Türenne zu ihm stieß; aber was den Kaiser zuvor gerettet hatte, erhielt jetzt auch die Schweden. Mitten unter der Wuth des Kampfes leitete kalte Klugheit den Lauf des Krieges, und die Wachsamkeit der Höfe vermehrte sich, je näher der Friede herbey rückte. Der Churfürst

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[482/0490] Der unwürdige Schritt des Kaisers hatte ihn zu Repressalien berechtigt; aber Maximilian war ein zu grauer Staatsmann, um, wo die Klugheit allein sprechen durfte, die Leidenschaft zu hören. Er hatte von dem Waffenstillstand die Vortheile nicht geerntet, die er sich darin versprochen hatte. Weit entfernt, zu der Beschleunigung des allgemeinen Friedens beyzutragen, hatte dieser einseitige Stillstand vielmehr den Negotiationen zu Münster und Osnabrück eine schädliche Wendung gegeben, und die Alliirten in ihren Foderungen dreister gemacht. Die Franzosen und Schweden waren aus Bayern entfernt worden; aber durch den Verlust der Quartiere im Schwäbischen Kreise sah er sich nun selbst dahin gebracht, mit seinen Truppen sein eigenes Land auszusaugen, wenn er sich nicht entschliessen wollte, sie ganz und gar abzudanken, und in dieser Zeit des Faustrechts unbesonnen Schwert und Schild wegzulegen. Ehe er eins dieser beyden gewissen Uebel erwählte, entschloß er sich lieber zu einem dritten, das zum wenigsten noch ungewiß war, den Stillstand aufzukündigen, und aufs neue zu den Waffen zu greifen. Sein Entschluß und die schnelle Hülfe, die er dem Kaiser nach Böhmen schickte, drohte den Schweden höchst verderblich zu werden, und Wrangel mußte sich aufs eilfertigste aus Böhmen zurück ziehen. Er ging durch Thüringen nach Westphalen und Lüneburg, um die Französische Armee unter Türenne an sich zu ziehen, und unter Melander und Gronsfeld folgte ihm die Kaiserlich-Bayrische Armee bis an den Weserstrom. Sein Untergang war unvermeidlich, wenn der Feind ihn erreichte, ehe Türenne zu ihm stieß; aber was den Kaiser zuvor gerettet hatte, erhielt jetzt auch die Schweden. Mitten unter der Wuth des Kampfes leitete kalte Klugheit den Lauf des Krieges, und die Wachsamkeit der Höfe vermehrte sich, je näher der Friede herbey rückte. Der Churfürst

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/490>, abgerufen am 04.05.2024.