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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Die Katholiken bewachten mit Blicken voll Argwohn die Union; die Union hütete eben so mißtrauisch die Katholiken und den Kaiser; der Kaiser beyde; und auf allen Seiten waren Furcht und Erbitterung aufs höchste gestiegen. - Und gerade in diesem bedenklichen Zeitpunkt mußte sich durch den Tod des Herzogs Johann Wilhelm von Jülich eine höchst streitige Erbfolge in den Jülich-Clevischen Landen eröffnen.

Acht Kompetenten meldeten sich zu dieser Erbschaft, deren Unzertrennlichkeit durch solenne Verträge fest gesezt worden war; und der Kaiser, der Lust bezeigte, sie als ein erledigtes Reichslehen einzuziehen, konnte für den neunten gelten. Vier von diesen, der Churfürst von Brandenburg, der Pfalzgraf von Neuburg, der Pfalzgraf von Zweybrücken, und der Markgraf von Burgau, ein Oesterreichischer Prinz, foderten es als ein Weiberlehen, im Namen von vier Prinzeßinnen, Schwestern des verstorbenen Herzogs. Zwey andere, der Churfürst von Sachsen Albertinischer, und die Herzoge von Sachsen Ernestinischer Linie, beriefen sich auf eine frühere Anwartschaft, welche ihnen Kaiser Friedrich III. auf diese Erbschaft ertheilt, und Maximilian I. beyden Sächsischen Häusern bestätigt hatte. Auf die Ansprüche einiger auswärtigen Prinzen wurde wenig geachtet. Das nächste Recht war vielleicht auf der Seite Brandenburgs und Neuburgs, und es schien beyde Theile ziemlich gleich zu begünstigen. Beyde Höfe ließen auch sogleich nach Eröffnung der Erbschaft Besitz ergreifen; den Anfang machte Brandenburg, und Neuburg folgte. Beyde fingen ihren Streit mit der Feder an, und würden ihn wahrscheinlich mit dem Degen geendigt haben; aber die Dazwischenkunft des Kaisers, der diesen Rechtshandel vor seinen Thron ziehen, einstweilen aber die streitigen Länder in Sequester nehmen wollte, brachte beyde streitende Partheyen zu einem schnellen

Die Katholiken bewachten mit Blicken voll Argwohn die Union; die Union hütete eben so mißtrauisch die Katholiken und den Kaiser; der Kaiser beyde; und auf allen Seiten waren Furcht und Erbitterung aufs höchste gestiegen. – Und gerade in diesem bedenklichen Zeitpunkt mußte sich durch den Tod des Herzogs Johann Wilhelm von Jülich eine höchst streitige Erbfolge in den Jülich-Clevischen Landen eröffnen.

Acht Kompetenten meldeten sich zu dieser Erbschaft, deren Unzertrennlichkeit durch solenne Verträge fest gesezt worden war; und der Kaiser, der Lust bezeigte, sie als ein erledigtes Reichslehen einzuziehen, konnte für den neunten gelten. Vier von diesen, der Churfürst von Brandenburg, der Pfalzgraf von Neuburg, der Pfalzgraf von Zweybrücken, und der Markgraf von Burgau, ein Oesterreichischer Prinz, foderten es als ein Weiberlehen, im Namen von vier Prinzeßinnen, Schwestern des verstorbenen Herzogs. Zwey andere, der Churfürst von Sachsen Albertinischer, und die Herzoge von Sachsen Ernestinischer Linie, beriefen sich auf eine frühere Anwartschaft, welche ihnen Kaiser Friedrich III. auf diese Erbschaft ertheilt, und Maximilian I. beyden Sächsischen Häusern bestätigt hatte. Auf die Ansprüche einiger auswärtigen Prinzen wurde wenig geachtet. Das nächste Recht war vielleicht auf der Seite Brandenburgs und Neuburgs, und es schien beyde Theile ziemlich gleich zu begünstigen. Beyde Höfe ließen auch sogleich nach Eröffnung der Erbschaft Besitz ergreifen; den Anfang machte Brandenburg, und Neuburg folgte. Beyde fingen ihren Streit mit der Feder an, und würden ihn wahrscheinlich mit dem Degen geendigt haben; aber die Dazwischenkunft des Kaisers, der diesen Rechtshandel vor seinen Thron ziehen, einstweilen aber die streitigen Länder in Sequester nehmen wollte, brachte beyde streitende Partheyen zu einem schnellen

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[55/0063] Die Katholiken bewachten mit Blicken voll Argwohn die Union; die Union hütete eben so mißtrauisch die Katholiken und den Kaiser; der Kaiser beyde; und auf allen Seiten waren Furcht und Erbitterung aufs höchste gestiegen. – Und gerade in diesem bedenklichen Zeitpunkt mußte sich durch den Tod des Herzogs Johann Wilhelm von Jülich eine höchst streitige Erbfolge in den Jülich-Clevischen Landen eröffnen. Acht Kompetenten meldeten sich zu dieser Erbschaft, deren Unzertrennlichkeit durch solenne Verträge fest gesezt worden war; und der Kaiser, der Lust bezeigte, sie als ein erledigtes Reichslehen einzuziehen, konnte für den neunten gelten. Vier von diesen, der Churfürst von Brandenburg, der Pfalzgraf von Neuburg, der Pfalzgraf von Zweybrücken, und der Markgraf von Burgau, ein Oesterreichischer Prinz, foderten es als ein Weiberlehen, im Namen von vier Prinzeßinnen, Schwestern des verstorbenen Herzogs. Zwey andere, der Churfürst von Sachsen Albertinischer, und die Herzoge von Sachsen Ernestinischer Linie, beriefen sich auf eine frühere Anwartschaft, welche ihnen Kaiser Friedrich III. auf diese Erbschaft ertheilt, und Maximilian I. beyden Sächsischen Häusern bestätigt hatte. Auf die Ansprüche einiger auswärtigen Prinzen wurde wenig geachtet. Das nächste Recht war vielleicht auf der Seite Brandenburgs und Neuburgs, und es schien beyde Theile ziemlich gleich zu begünstigen. Beyde Höfe ließen auch sogleich nach Eröffnung der Erbschaft Besitz ergreifen; den Anfang machte Brandenburg, und Neuburg folgte. Beyde fingen ihren Streit mit der Feder an, und würden ihn wahrscheinlich mit dem Degen geendigt haben; aber die Dazwischenkunft des Kaisers, der diesen Rechtshandel vor seinen Thron ziehen, einstweilen aber die streitigen Länder in Sequester nehmen wollte, brachte beyde streitende Partheyen zu einem schnellen

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/63>, abgerufen am 29.11.2024.