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Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

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Maria.
(mit ruhiger Hoheit im ganzen Kreise herumsehend)
Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen solltet
Ihr euch mit mir, daß meiner Leiden Ziel
Nun endlich naht, daß meine Bande fallen,
Mein Kerker aufgeht, und die frohe Seele sich
Auf Engelsflügeln schwingt zur ew'gen Freiheit.
Da, als ich in die Macht der stolzen Feindin
Gegeben war, Unwürdiges erduldend,
Was einer freien großen Königin
Nicht ziemt, da war es Zeit, um mich zu weinen!
-- Wohlthätig, heilend, nahet mir der Tod,
Der ernste Freund! Mit seinen schwarzen Flügeln
Bedeckt er meine Schmach -- den Menschen adelt,
Den tiefstgesunkenen, das letzte Schicksal.
Die Krone fühl ich wieder auf dem Haupt,
Den würd'gen Stolz in meiner edeln Seele!
(Indem sie einige Schritte weiter vortritt.)
Wie? Melvil hier? -- Nicht also, edler Sir!
Steht auf! Ihr seid zu eurer Königin
Triumph, zu ihrem Tode nicht gekommen.
Mir wird ein Glück zu Theil, wie ich es nimmer
Gehoffet, daß mein Nachruhm doch nicht ganz
In meiner Feinde Händen ist, daß doch
Ein Freund mir, ein Bekenner meines Glaubens
Als Zeuge dasteht in der Todesstunde.
Maria.
(mit ruhiger Hoheit im ganzen Kreiſe herumſehend)
Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen ſolltet
Ihr euch mit mir, daß meiner Leiden Ziel
Nun endlich naht, daß meine Bande fallen,
Mein Kerker aufgeht, und die frohe Seele ſich
Auf Engelsfluͤgeln ſchwingt zur ew'gen Freiheit.
Da, als ich in die Macht der ſtolzen Feindin
Gegeben war, Unwuͤrdiges erduldend,
Was einer freien großen Koͤnigin
Nicht ziemt, da war es Zeit, um mich zu weinen!
— Wohlthaͤtig, heilend, nahet mir der Tod,
Der ernſte Freund! Mit ſeinen ſchwarzen Fluͤgeln
Bedeckt er meine Schmach — den Menſchen adelt,
Den tiefſtgeſunkenen, das letzte Schickſal.
Die Krone fuͤhl ich wieder auf dem Haupt,
Den wuͤrd'gen Stolz in meiner edeln Seele!
(Indem ſie einige Schritte weiter vortritt.)
Wie? Melvil hier? — Nicht alſo, edler Sir!
Steht auf! Ihr ſeid zu eurer Koͤnigin
Triumph, zu ihrem Tode nicht gekommen.
Mir wird ein Gluͤck zu Theil, wie ich es nimmer
Gehoffet, daß mein Nachruhm doch nicht ganz
In meiner Feinde Haͤnden iſt, daß doch
Ein Freund mir, ein Bekenner meines Glaubens
Als Zeuge daſteht in der Todesſtunde.
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[206/0212] Maria. (mit ruhiger Hoheit im ganzen Kreiſe herumſehend) Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen ſolltet Ihr euch mit mir, daß meiner Leiden Ziel Nun endlich naht, daß meine Bande fallen, Mein Kerker aufgeht, und die frohe Seele ſich Auf Engelsfluͤgeln ſchwingt zur ew'gen Freiheit. Da, als ich in die Macht der ſtolzen Feindin Gegeben war, Unwuͤrdiges erduldend, Was einer freien großen Koͤnigin Nicht ziemt, da war es Zeit, um mich zu weinen! — Wohlthaͤtig, heilend, nahet mir der Tod, Der ernſte Freund! Mit ſeinen ſchwarzen Fluͤgeln Bedeckt er meine Schmach — den Menſchen adelt, Den tiefſtgeſunkenen, das letzte Schickſal. Die Krone fuͤhl ich wieder auf dem Haupt, Den wuͤrd'gen Stolz in meiner edeln Seele! (Indem ſie einige Schritte weiter vortritt.) Wie? Melvil hier? — Nicht alſo, edler Sir! Steht auf! Ihr ſeid zu eurer Koͤnigin Triumph, zu ihrem Tode nicht gekommen. Mir wird ein Gluͤck zu Theil, wie ich es nimmer Gehoffet, daß mein Nachruhm doch nicht ganz In meiner Feinde Haͤnden iſt, daß doch Ein Freund mir, ein Bekenner meines Glaubens Als Zeuge daſteht in der Todesſtunde.

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Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/212>, abgerufen am 25.11.2024.