Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
-- Aus arger List, daß man sie nöthige,
Nicht aus Gefühl der Menschlichkeit und Schonung.

Maria (mit Fassung).
Sir Mortimer, ihr überrascht mich nicht,
Erschreckt mich nicht. Auf solche Botschaft war ich
Schon längst gefaßt. Ich kenne meine Richter.
Nach den Mißhandlungen, die ich erlitten,
Begreif' ich wohl, daß man die Freiheit mir
Nicht schenken kann -- Ich weiß, wo man hinaus will.
In ew'gem Kerker will man mich bewahren,
Und meine Rache, meinen Rechtsanspruch
Mit mir verscharren in Gefängnißnacht.

Mortimer.
Nein, Königin -- o nein! nein! Dabei steht man
Nicht still. Die Tyranney begnügt sich nicht,
Ihr Werk nur halb zu thun. So lang ihr lebt,
Lebt auch die Furcht der Königin von England.
Euch kann kein Kerker tief genug begraben,
Nur euer Tod versichert ihren Thron.

Maria.
Sie könnt' es wagen, mein gekröntes Haupt
Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?

Mortimer.
Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.
— Aus arger Liſt, daß man ſie noͤthige,
Nicht aus Gefuͤhl der Menſchlichkeit und Schonung.

Maria (mit Faſſung).
Sir Mortimer, ihr uͤberraſcht mich nicht,
Erſchreckt mich nicht. Auf ſolche Botſchaft war ich
Schon laͤngſt gefaßt. Ich kenne meine Richter.
Nach den Mißhandlungen, die ich erlitten,
Begreif' ich wohl, daß man die Freiheit mir
Nicht ſchenken kann — Ich weiß, wo man hinaus will.
In ew'gem Kerker will man mich bewahren,
Und meine Rache, meinen Rechtsanſpruch
Mit mir verſcharren in Gefaͤngnißnacht.

Mortimer.
Nein, Koͤnigin — o nein! nein! Dabei ſteht man
Nicht ſtill. Die Tyranney begnuͤgt ſich nicht,
Ihr Werk nur halb zu thun. So lang ihr lebt,
Lebt auch die Furcht der Koͤnigin von England.
Euch kann kein Kerker tief genug begraben,
Nur euer Tod verſichert ihren Thron.

Maria.
Sie koͤnnt' es wagen, mein gekroͤntes Haupt
Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?

Mortimer.
Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#MOR">
            <p><pb facs="#f0042" n="36"/>
&#x2014; Aus arger Li&#x017F;t, daß man &#x017F;ie no&#x0364;thige,<lb/>
Nicht aus Gefu&#x0364;hl der Men&#x017F;chlichkeit und Schonung.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MARSTUA">
            <speaker> <hi rendition="#g">Maria</hi> </speaker>
            <stage>(mit Fa&#x017F;&#x017F;ung).</stage><lb/>
            <p>Sir Mortimer, ihr u&#x0364;berra&#x017F;cht mich nicht,<lb/>
Er&#x017F;chreckt mich nicht. Auf &#x017F;olche Bot&#x017F;chaft war ich<lb/>
Schon la&#x0364;ng&#x017F;t gefaßt. Ich kenne meine Richter.<lb/>
Nach den Mißhandlungen, die ich erlitten,<lb/>
Begreif' ich wohl, daß man die Freiheit mir<lb/>
Nicht &#x017F;chenken kann &#x2014; Ich weiß, wo man hinaus will.<lb/>
In ew'gem Kerker will man mich bewahren,<lb/>
Und meine Rache, meinen Rechtsan&#x017F;pruch<lb/>
Mit mir ver&#x017F;charren in Gefa&#x0364;ngnißnacht.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Nein, Ko&#x0364;nigin &#x2014; o nein! nein! Dabei &#x017F;teht man<lb/>
Nicht &#x017F;till. Die Tyranney begnu&#x0364;gt &#x017F;ich nicht,<lb/>
Ihr Werk nur halb zu thun. So lang ihr lebt,<lb/>
Lebt auch die Furcht der Ko&#x0364;nigin von England.<lb/>
Euch kann kein Kerker tief genug begraben,<lb/>
Nur euer Tod ver&#x017F;ichert ihren Thron.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MARSTUA">
            <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Sie ko&#x0364;nnt' es wagen, mein gekro&#x0364;ntes Haupt<lb/>
Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.</p><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0042] — Aus arger Liſt, daß man ſie noͤthige, Nicht aus Gefuͤhl der Menſchlichkeit und Schonung. Maria (mit Faſſung). Sir Mortimer, ihr uͤberraſcht mich nicht, Erſchreckt mich nicht. Auf ſolche Botſchaft war ich Schon laͤngſt gefaßt. Ich kenne meine Richter. Nach den Mißhandlungen, die ich erlitten, Begreif' ich wohl, daß man die Freiheit mir Nicht ſchenken kann — Ich weiß, wo man hinaus will. In ew'gem Kerker will man mich bewahren, Und meine Rache, meinen Rechtsanſpruch Mit mir verſcharren in Gefaͤngnißnacht. Mortimer. Nein, Koͤnigin — o nein! nein! Dabei ſteht man Nicht ſtill. Die Tyranney begnuͤgt ſich nicht, Ihr Werk nur halb zu thun. So lang ihr lebt, Lebt auch die Furcht der Koͤnigin von England. Euch kann kein Kerker tief genug begraben, Nur euer Tod verſichert ihren Thron. Maria. Sie koͤnnt' es wagen, mein gekroͤntes Haupt Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen? Mortimer. Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/42
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/42>, abgerufen am 03.12.2024.