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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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jungen Geschöpfen durch einen Blick in die meisten seiner Bücher zerstört werden. Jn den moralischen Erzählungen, in der Gewalt der Liebe, im Flaming, in Clara du Plessis, im Werdenberg, allenthalben verlieben sich die Kinder in einander. Lafontaine ist ihr wahrer Ovid.

Bedeutend ist es allerdings, daß er die Liebe so oft in die Zeiten der gedankenlosen Kindheit versetzt. Sie trägt durchgehends bey ihm etwas von dem Karakter ihres Ursprunges, von leerer Anhänglichkeit und blinder Gewalt an sich, und es läßt sich genau von ihr sagen, was er bey Borde und Anne (im St. Julien) bemerkt: "Beyde waren jung, das ist das ganze Geheimniß." Dieses Geheimniß auf halbem Wege stehn bleiben zu heißen, macht denn das Geheimniß seiner Unschuld aus, deren seine Helden, ebenfalls nach einem eignen Ausdruck von ihm, so unbeschreiblich viel haben. Wenn er bey der geistigen Liebe recht fein verfahren und psychologische Einsicht zeigen will, so hält er sich bey Anspornungen der Eitelkeit, bey jugendlichen Wallungen auf, kurz, er setzt sie zu lauter Zufälligkeiten herab. Eben so ist er, um hohe Unschuld darzuthun, unerschöpflich im Ausmahlen aller Arten von nahen Verhältnissen und sinnlichen Annäherungen, in denen keine Sinnlichkeit seyn soll und die ohne Folgen bleiben. Ein Mahler wirft leicht eine schwebende Stellung hin, aber laßt es jemand versuchen, sie in der Wirklichkeit nachzuahmen, so wird er bald das Gleichgewicht verlieren. Jn dieser angeblichen Unschuld hat Lafontaine gänzlich das Wesen

jungen Geschoͤpfen durch einen Blick in die meisten seiner Buͤcher zerstoͤrt werden. Jn den moralischen Erzaͤhlungen, in der Gewalt der Liebe, im Flaming, in Clara du Plessis, im Werdenberg, allenthalben verlieben sich die Kinder in einander. Lafontaine ist ihr wahrer Ovid.

Bedeutend ist es allerdings, daß er die Liebe so oft in die Zeiten der gedankenlosen Kindheit versetzt. Sie traͤgt durchgehends bey ihm etwas von dem Karakter ihres Ursprunges, von leerer Anhaͤnglichkeit und blinder Gewalt an sich, und es laͤßt sich genau von ihr sagen, was er bey Borde und Anne (im St. Julien) bemerkt: „Beyde waren jung, das ist das ganze Geheimniß.“ Dieses Geheimniß auf halbem Wege stehn bleiben zu heißen, macht denn das Geheimniß seiner Unschuld aus, deren seine Helden, ebenfalls nach einem eignen Ausdruck von ihm, so unbeschreiblich viel haben. Wenn er bey der geistigen Liebe recht fein verfahren und psychologische Einsicht zeigen will, so haͤlt er sich bey Anspornungen der Eitelkeit, bey jugendlichen Wallungen auf, kurz, er setzt sie zu lauter Zufaͤlligkeiten herab. Eben so ist er, um hohe Unschuld darzuthun, unerschoͤpflich im Ausmahlen aller Arten von nahen Verhaͤltnissen und sinnlichen Annaͤherungen, in denen keine Sinnlichkeit seyn soll und die ohne Folgen bleiben. Ein Mahler wirft leicht eine schwebende Stellung hin, aber laßt es jemand versuchen, sie in der Wirklichkeit nachzuahmen, so wird er bald das Gleichgewicht verlieren. Jn dieser angeblichen Unschuld hat Lafontaine gaͤnzlich das Wesen

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[156/0167] jungen Geschoͤpfen durch einen Blick in die meisten seiner Buͤcher zerstoͤrt werden. Jn den moralischen Erzaͤhlungen, in der Gewalt der Liebe, im Flaming, in Clara du Plessis, im Werdenberg, allenthalben verlieben sich die Kinder in einander. Lafontaine ist ihr wahrer Ovid. Bedeutend ist es allerdings, daß er die Liebe so oft in die Zeiten der gedankenlosen Kindheit versetzt. Sie traͤgt durchgehends bey ihm etwas von dem Karakter ihres Ursprunges, von leerer Anhaͤnglichkeit und blinder Gewalt an sich, und es laͤßt sich genau von ihr sagen, was er bey Borde und Anne (im St. Julien) bemerkt: „Beyde waren jung, das ist das ganze Geheimniß.“ Dieses Geheimniß auf halbem Wege stehn bleiben zu heißen, macht denn das Geheimniß seiner Unschuld aus, deren seine Helden, ebenfalls nach einem eignen Ausdruck von ihm, so unbeschreiblich viel haben. Wenn er bey der geistigen Liebe recht fein verfahren und psychologische Einsicht zeigen will, so haͤlt er sich bey Anspornungen der Eitelkeit, bey jugendlichen Wallungen auf, kurz, er setzt sie zu lauter Zufaͤlligkeiten herab. Eben so ist er, um hohe Unschuld darzuthun, unerschoͤpflich im Ausmahlen aller Arten von nahen Verhaͤltnissen und sinnlichen Annaͤherungen, in denen keine Sinnlichkeit seyn soll und die ohne Folgen bleiben. Ein Mahler wirft leicht eine schwebende Stellung hin, aber laßt es jemand versuchen, sie in der Wirklichkeit nachzuahmen, so wird er bald das Gleichgewicht verlieren. Jn dieser angeblichen Unschuld hat Lafontaine gaͤnzlich das Wesen

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/167>, abgerufen am 21.11.2024.