Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.sie verheimlicht sich auch nicht. Alle solche Stellen hinweggenommen, würde doch die Kunstliebe und Einsicht des Dichters, in der Gruppirung seiner Figuren, in der einfachen Großheit seiner Umrisse unverkennbar seyn. Als ein Merkmahl der Ächtheit antiker Münzen kennt man in der Numismatik den sogenannten edlen Rost. Die verfälschende Kunst hat alles besser nachahmen gelernt, als dieß Gepräge der Zeiten. Solch einen edlen Rost giebt es auch an Menschen, Helden, Weisen, Dichtern. Johannes Müller ist ein vortrefflicher Numismatiker des Menschengeschlechts. Hat Condorcet sich nicht ein schöneres Denkmal gesetzt, da er, von Todesgefahren umringt, sein Buch von den progres de l'esprit humain schrieb, als wenn er die kurze Frist dazu angewandt hätte, sein endliches Jndividuum statt jener unendlichen Aussichten hinzustellen? Wie konnte er besser an die Nachwelt appelliren, als durch das Vergessen seiner selbst im Umgange mit ihr? Reine Autobiographien werden geschrieben: entweder von Nervenkranken, die immer an ihr Jch gebannt sind, wohin Rousseau mit gehört; oder von einer derben künstlerischen oder abentheuerlichen Eigenliebe, wie die des Benvenuto Cellini; oder von gebornen Geschichtsschreibern, die sich selbst nur ein Stoff historischer Kunst sind; oder von Frauen, die auch sie verheimlicht sich auch nicht. Alle solche Stellen hinweggenommen, wuͤrde doch die Kunstliebe und Einsicht des Dichters, in der Gruppirung seiner Figuren, in der einfachen Großheit seiner Umrisse unverkennbar seyn. Als ein Merkmahl der Ächtheit antiker Muͤnzen kennt man in der Numismatik den sogenannten edlen Rost. Die verfaͤlschende Kunst hat alles besser nachahmen gelernt, als dieß Gepraͤge der Zeiten. Solch einen edlen Rost giebt es auch an Menschen, Helden, Weisen, Dichtern. Johannes Muͤller ist ein vortrefflicher Numismatiker des Menschengeschlechts. Hat Condorcet sich nicht ein schoͤneres Denkmal gesetzt, da er, von Todesgefahren umringt, sein Buch von den progrès de l'esprit humain schrieb, als wenn er die kurze Frist dazu angewandt haͤtte, sein endliches Jndividuum statt jener unendlichen Aussichten hinzustellen? Wie konnte er besser an die Nachwelt appelliren, als durch das Vergessen seiner selbst im Umgange mit ihr? Reine Autobiographien werden geschrieben: entweder von Nervenkranken, die immer an ihr Jch gebannt sind, wohin Rousseau mit gehoͤrt; oder von einer derben kuͤnstlerischen oder abentheuerlichen Eigenliebe, wie die des Benvenuto Cellini; oder von gebornen Geschichtsschreibern, die sich selbst nur ein Stoff historischer Kunst sind; oder von Frauen, die auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0240" n="51"/> sie verheimlicht sich auch nicht. Alle solche Stellen hinweggenommen, wuͤrde doch die Kunstliebe und Einsicht des Dichters, in der Gruppirung seiner Figuren, in der einfachen Großheit seiner Umrisse unverkennbar seyn.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Als ein Merkmahl der Ächtheit antiker Muͤnzen kennt man in der Numismatik den sogenannten edlen Rost. Die verfaͤlschende Kunst hat alles besser nachahmen gelernt, als dieß Gepraͤge der Zeiten. Solch einen edlen Rost giebt es auch an Menschen, Helden, Weisen, Dichtern. Johannes Muͤller ist ein vortrefflicher Numismatiker des Menschengeschlechts.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Hat Condorcet sich nicht ein schoͤneres Denkmal gesetzt, da er, von Todesgefahren umringt, sein Buch von den <foreign xml:lang="fr">progrès de l'esprit humain</foreign> schrieb, als wenn er die kurze Frist dazu angewandt haͤtte, sein endliches Jndividuum statt jener unendlichen Aussichten hinzustellen? Wie konnte er besser an die Nachwelt appelliren, als durch das Vergessen seiner selbst im Umgange mit ihr?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Reine Autobiographien werden geschrieben: entweder von Nervenkranken, die immer an ihr Jch gebannt sind, wohin Rousseau mit gehoͤrt; oder von einer derben kuͤnstlerischen oder abentheuerlichen Eigenliebe, wie die des Benvenuto Cellini; oder von gebornen Geschichtsschreibern, die sich selbst nur ein Stoff historischer Kunst sind; oder von Frauen, die auch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0240]
sie verheimlicht sich auch nicht. Alle solche Stellen hinweggenommen, wuͤrde doch die Kunstliebe und Einsicht des Dichters, in der Gruppirung seiner Figuren, in der einfachen Großheit seiner Umrisse unverkennbar seyn.
Als ein Merkmahl der Ächtheit antiker Muͤnzen kennt man in der Numismatik den sogenannten edlen Rost. Die verfaͤlschende Kunst hat alles besser nachahmen gelernt, als dieß Gepraͤge der Zeiten. Solch einen edlen Rost giebt es auch an Menschen, Helden, Weisen, Dichtern. Johannes Muͤller ist ein vortrefflicher Numismatiker des Menschengeschlechts.
Hat Condorcet sich nicht ein schoͤneres Denkmal gesetzt, da er, von Todesgefahren umringt, sein Buch von den progrès de l'esprit humain schrieb, als wenn er die kurze Frist dazu angewandt haͤtte, sein endliches Jndividuum statt jener unendlichen Aussichten hinzustellen? Wie konnte er besser an die Nachwelt appelliren, als durch das Vergessen seiner selbst im Umgange mit ihr?
Reine Autobiographien werden geschrieben: entweder von Nervenkranken, die immer an ihr Jch gebannt sind, wohin Rousseau mit gehoͤrt; oder von einer derben kuͤnstlerischen oder abentheuerlichen Eigenliebe, wie die des Benvenuto Cellini; oder von gebornen Geschichtsschreibern, die sich selbst nur ein Stoff historischer Kunst sind; oder von Frauen, die auch
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