Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.auch eine dramatische, und sogar eine Sokratische von Hülsen. Ein wenig Enthusiasmus, wenn er auch roh seyn sollte, ein gewisser Schein von Universalität verfehlen ihre Wirkung nicht leicht, und verschaffen auch wohl dem Paradoxen ein Publikum. Aber der Sinn für reine Genialität ist selbst unter gebildeten Menschen eine Seltenheit. Kein Wunder also, wenn es nur wenige wissen, daß Hülsens Werk eines von denen ist, wie sie in der Philosophie immer sehr selten waren und es auch jetzt noch sind: ein Werk im strengsten Sinne des Worts, ein Kunstwerk, das Ganze aus Einem Stück, an dialektischer Virtuosität das nächste nach Fichte, und das eine erste Schrift, die der Veranlassung nach eine Gelegenheitsschrift seyn sollte. Hülsen ist seines Gedankens und seines Ausdrucks völlig Meister, er geht sicher und leise; und diese ruhige hohe Besonnenheit bey dem weitumfassenden Blick und der reinen Humanität, ist es eben was ein historischer Philosoph in seinem antiquarischen und aus der Mode gekommenen Dialekt das Sokratische nennen würde; eine Terminologie, die sich jedoch ein Künstler, der so viel philologischen Geist hat, gefallen lassen muß. Ungeachtet er so eine idyllische Natur ist, hat Fontenelle doch eine starke Antipathie gegen den Jnstinkt, und vergleicht das reine Talent, welches er für unmöglich hält, mit dem ganz absichtslosen Kunstfleiße der Biber. Wie schwer ist es sich selbst nicht zu übersehen! Denn wenn Fontenelle sagt: La gene fait auch eine dramatische, und sogar eine Sokratische von Huͤlsen. Ein wenig Enthusiasmus, wenn er auch roh seyn sollte, ein gewisser Schein von Universalitaͤt verfehlen ihre Wirkung nicht leicht, und verschaffen auch wohl dem Paradoxen ein Publikum. Aber der Sinn fuͤr reine Genialitaͤt ist selbst unter gebildeten Menschen eine Seltenheit. Kein Wunder also, wenn es nur wenige wissen, daß Huͤlsens Werk eines von denen ist, wie sie in der Philosophie immer sehr selten waren und es auch jetzt noch sind: ein Werk im strengsten Sinne des Worts, ein Kunstwerk, das Ganze aus Einem Stuͤck, an dialektischer Virtuositaͤt das naͤchste nach Fichte, und das eine erste Schrift, die der Veranlassung nach eine Gelegenheitsschrift seyn sollte. Huͤlsen ist seines Gedankens und seines Ausdrucks voͤllig Meister, er geht sicher und leise; und diese ruhige hohe Besonnenheit bey dem weitumfassenden Blick und der reinen Humanitaͤt, ist es eben was ein historischer Philosoph in seinem antiquarischen und aus der Mode gekommenen Dialekt das Sokratische nennen wuͤrde; eine Terminologie, die sich jedoch ein Kuͤnstler, der so viel philologischen Geist hat, gefallen lassen muß. Ungeachtet er so eine idyllische Natur ist, hat Fontenelle doch eine starke Antipathie gegen den Jnstinkt, und vergleicht das reine Talent, welches er fuͤr unmoͤglich haͤlt, mit dem ganz absichtslosen Kunstfleiße der Biber. Wie schwer ist es sich selbst nicht zu uͤbersehen! Denn wenn Fontenelle sagt: La gêne fait <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0269" n="80"/> auch eine dramatische, und sogar eine Sokratische von Huͤlsen. Ein wenig Enthusiasmus, wenn er auch roh seyn sollte, ein gewisser Schein von Universalitaͤt verfehlen ihre Wirkung nicht leicht, und verschaffen auch wohl dem Paradoxen ein Publikum. Aber der Sinn fuͤr reine Genialitaͤt ist selbst unter gebildeten Menschen eine Seltenheit. Kein Wunder also, wenn es nur wenige wissen, daß Huͤlsens Werk eines von denen ist, wie sie in der Philosophie immer sehr selten waren und es auch jetzt noch sind: ein Werk im strengsten Sinne des Worts, ein Kunstwerk, das Ganze aus Einem Stuͤck, an dialektischer Virtuositaͤt das naͤchste nach Fichte, und das eine erste Schrift, die der Veranlassung nach eine Gelegenheitsschrift seyn sollte. Huͤlsen ist seines Gedankens und seines Ausdrucks voͤllig Meister, er geht sicher und leise; und diese ruhige hohe Besonnenheit bey dem weitumfassenden Blick und der reinen Humanitaͤt, ist es eben was ein historischer Philosoph in seinem antiquarischen und aus der Mode gekommenen Dialekt das Sokratische nennen wuͤrde; eine Terminologie, die sich jedoch ein Kuͤnstler, der so viel philologischen Geist hat, gefallen lassen muß.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ungeachtet er so eine idyllische Natur ist, hat Fontenelle doch eine starke Antipathie gegen den Jnstinkt, und vergleicht das reine Talent, welches er fuͤr unmoͤglich haͤlt, mit dem ganz absichtslosen Kunstfleiße der Biber. Wie schwer ist es sich selbst nicht zu uͤbersehen! Denn wenn Fontenelle sagt: <foreign xml:lang="fr">La gêne fait<lb/></foreign></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0269]
auch eine dramatische, und sogar eine Sokratische von Huͤlsen. Ein wenig Enthusiasmus, wenn er auch roh seyn sollte, ein gewisser Schein von Universalitaͤt verfehlen ihre Wirkung nicht leicht, und verschaffen auch wohl dem Paradoxen ein Publikum. Aber der Sinn fuͤr reine Genialitaͤt ist selbst unter gebildeten Menschen eine Seltenheit. Kein Wunder also, wenn es nur wenige wissen, daß Huͤlsens Werk eines von denen ist, wie sie in der Philosophie immer sehr selten waren und es auch jetzt noch sind: ein Werk im strengsten Sinne des Worts, ein Kunstwerk, das Ganze aus Einem Stuͤck, an dialektischer Virtuositaͤt das naͤchste nach Fichte, und das eine erste Schrift, die der Veranlassung nach eine Gelegenheitsschrift seyn sollte. Huͤlsen ist seines Gedankens und seines Ausdrucks voͤllig Meister, er geht sicher und leise; und diese ruhige hohe Besonnenheit bey dem weitumfassenden Blick und der reinen Humanitaͤt, ist es eben was ein historischer Philosoph in seinem antiquarischen und aus der Mode gekommenen Dialekt das Sokratische nennen wuͤrde; eine Terminologie, die sich jedoch ein Kuͤnstler, der so viel philologischen Geist hat, gefallen lassen muß.
Ungeachtet er so eine idyllische Natur ist, hat Fontenelle doch eine starke Antipathie gegen den Jnstinkt, und vergleicht das reine Talent, welches er fuͤr unmoͤglich haͤlt, mit dem ganz absichtslosen Kunstfleiße der Biber. Wie schwer ist es sich selbst nicht zu uͤbersehen! Denn wenn Fontenelle sagt: La gêne fait
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