Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Philosophie; wenn sie sich wieder zersetzt, wird sie Mythologie, oder wirft sich ins Leben zurück. Aus Dichtung und Gesetzgebung bildete sich die Griechische Weisheit. Die höchste Philosophie, vermuthen einige, dürfte wieder Poesie werden; und es ist sogar eine bekannte Erfahrung, daß gemeine Naturen erst nach ihrer Art zu philosophiren anfangen, wenn sie zu leben aufhören. -- Diesen chemischen Prozeß des Philosophirens besser darzustellen, wo möglich die dynamischen Gesetze desselben ganz ins Reine zu bringen, und die Philosophie, welche sich immer von neuem organisiren und desorganisiren muß, in ihre lebendigen Grundkräfte zu scheiden, und zu ihrem Ursprung zurückzuführen, das halte ich für Schellings eigentliche Bestimmung. Dagegen scheint mir seine Polemik, besonders aber seine litterarische Kritik der Philosophie eine falsche Tendenz zu seyn; und seine Anlage zur Universalität ist wohl noch nicht gebildet genug, um in der Philosophie der Physik das finden zu können, was sie da sucht. Absicht bis zur Jronie, und mit willkührlichem Schein von Selbstvernichtung ist eben sowohl naiv, als Jnstinkt bis zur Jronie. Wie das Naive mit den Widersprüchen der Theorie und der Praxis, so spielt das Groteske mit wunderlichen Versetzungen von Form und Materie, liebt den Schein des Zufälligen und Seltsamen, und kokettirt gleichsam mit unbedingter Willkühr. Humor hat es mit Seyn und Nichtseyn zu thun, und sein eigentliches Wesen ist Reflexion. Daher Philosophie; wenn sie sich wieder zersetzt, wird sie Mythologie, oder wirft sich ins Leben zuruͤck. Aus Dichtung und Gesetzgebung bildete sich die Griechische Weisheit. Die hoͤchste Philosophie, vermuthen einige, duͤrfte wieder Poesie werden; und es ist sogar eine bekannte Erfahrung, daß gemeine Naturen erst nach ihrer Art zu philosophiren anfangen, wenn sie zu leben aufhoͤren. — Diesen chemischen Prozeß des Philosophirens besser darzustellen, wo moͤglich die dynamischen Gesetze desselben ganz ins Reine zu bringen, und die Philosophie, welche sich immer von neuem organisiren und desorganisiren muß, in ihre lebendigen Grundkraͤfte zu scheiden, und zu ihrem Ursprung zuruͤckzufuͤhren, das halte ich fuͤr Schellings eigentliche Bestimmung. Dagegen scheint mir seine Polemik, besonders aber seine litterarische Kritik der Philosophie eine falsche Tendenz zu seyn; und seine Anlage zur Universalitaͤt ist wohl noch nicht gebildet genug, um in der Philosophie der Physik das finden zu koͤnnen, was sie da sucht. Absicht bis zur Jronie, und mit willkuͤhrlichem Schein von Selbstvernichtung ist eben sowohl naiv, als Jnstinkt bis zur Jronie. Wie das Naive mit den Widerspruͤchen der Theorie und der Praxis, so spielt das Groteske mit wunderlichen Versetzungen von Form und Materie, liebt den Schein des Zufaͤlligen und Seltsamen, und kokettirt gleichsam mit unbedingter Willkuͤhr. Humor hat es mit Seyn und Nichtseyn zu thun, und sein eigentliches Wesen ist Reflexion. Daher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0272" n="83"/> Philosophie; wenn sie sich wieder zersetzt, wird sie Mythologie, oder wirft sich ins Leben zuruͤck. Aus Dichtung und Gesetzgebung bildete sich die Griechische Weisheit. Die hoͤchste Philosophie, vermuthen einige, duͤrfte wieder Poesie werden; und es ist sogar eine bekannte Erfahrung, daß gemeine Naturen erst nach ihrer Art zu philosophiren anfangen, wenn sie zu leben aufhoͤren. — Diesen chemischen Prozeß des Philosophirens besser darzustellen, wo moͤglich die dynamischen Gesetze desselben ganz ins Reine zu bringen, und die Philosophie, welche sich immer von neuem organisiren und desorganisiren muß, in ihre lebendigen Grundkraͤfte zu scheiden, und zu ihrem Ursprung zuruͤckzufuͤhren, das halte ich fuͤr Schellings eigentliche Bestimmung. Dagegen scheint mir seine Polemik, besonders aber seine litterarische Kritik der Philosophie eine falsche Tendenz zu seyn; und seine Anlage zur Universalitaͤt ist wohl noch nicht gebildet genug, um in der Philosophie der Physik das finden zu koͤnnen, was sie da sucht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Absicht bis zur Jronie, und mit willkuͤhrlichem Schein von Selbstvernichtung ist eben sowohl naiv, als Jnstinkt bis zur Jronie. Wie das Naive mit den Widerspruͤchen der Theorie und der Praxis, so spielt das Groteske mit wunderlichen Versetzungen von Form und Materie, liebt den Schein des Zufaͤlligen und Seltsamen, und kokettirt gleichsam mit unbedingter Willkuͤhr. Humor hat es mit Seyn und Nichtseyn zu thun, und sein eigentliches Wesen ist Reflexion. Daher<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0272]
Philosophie; wenn sie sich wieder zersetzt, wird sie Mythologie, oder wirft sich ins Leben zuruͤck. Aus Dichtung und Gesetzgebung bildete sich die Griechische Weisheit. Die hoͤchste Philosophie, vermuthen einige, duͤrfte wieder Poesie werden; und es ist sogar eine bekannte Erfahrung, daß gemeine Naturen erst nach ihrer Art zu philosophiren anfangen, wenn sie zu leben aufhoͤren. — Diesen chemischen Prozeß des Philosophirens besser darzustellen, wo moͤglich die dynamischen Gesetze desselben ganz ins Reine zu bringen, und die Philosophie, welche sich immer von neuem organisiren und desorganisiren muß, in ihre lebendigen Grundkraͤfte zu scheiden, und zu ihrem Ursprung zuruͤckzufuͤhren, das halte ich fuͤr Schellings eigentliche Bestimmung. Dagegen scheint mir seine Polemik, besonders aber seine litterarische Kritik der Philosophie eine falsche Tendenz zu seyn; und seine Anlage zur Universalitaͤt ist wohl noch nicht gebildet genug, um in der Philosophie der Physik das finden zu koͤnnen, was sie da sucht.
Absicht bis zur Jronie, und mit willkuͤhrlichem Schein von Selbstvernichtung ist eben sowohl naiv, als Jnstinkt bis zur Jronie. Wie das Naive mit den Widerspruͤchen der Theorie und der Praxis, so spielt das Groteske mit wunderlichen Versetzungen von Form und Materie, liebt den Schein des Zufaͤlligen und Seltsamen, und kokettirt gleichsam mit unbedingter Willkuͤhr. Humor hat es mit Seyn und Nichtseyn zu thun, und sein eigentliches Wesen ist Reflexion. Daher
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