Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Mensch wohl nie dahin bringen, nur in einer Welt zu leben. Die eine müßte die beste seyn, die man nur suchen soll, nicht finden kann. Aber der Glaube an sie ist etwas so heiliges, wie der Glaube an die Einzigkeit in der Freundschaft und Liebe. Wer mit seiner Manier, kleine Silhouetten von sich selbst in verschiednen Stellungen aus freyer Hand auszuschneiden und umherzubieten, eine Gesellschaft unterhalten kann, oder auf den ersten Wink fertig ist, den Kastellan von sich selbst zu machen, und was in ihm ist jedem, der an seiner Thüre stehn bleibt, zu zeigen wie ein Landedelmann die verschrobenen Anlagen seines englischen Gartens, der heißt ein offner Mensch. Für die, welche auch in die Gesellschaft ihre Trägheit mitbringen und beyläufig gern was sie um sich sehn mustern und klassifiziren möchten, ist dies freylich eine bequeme Eigenschaft. Auch giebt es Menschen genug, die dieser Foderung entsprechen, und durchaus in dem Styl eines Gartenhauses gebaut sind, wo jedes Fenster eine Thür ist, und jedermann Platz zu nehmen genöthigt wird, in der Voraussetzung, daß er nicht mehr zu finden erwarte, als was ein Dieb in einer Nacht ausräumen könnte, ohne sich sonderlich zu bereichern. Ein eigentlicher Mensch, der etwas mehr in sich hat, als diesen ärmlichen Hausbedarf, wird sich freylich nicht so preis geben, da es ohnedieß vergeblich wäre, ihn aus Selbstbeschreibungen, auch aus den besten und geistvollsten, kennen lernen zu wollen. Von einem Karakter giebt es keine andre Mensch wohl nie dahin bringen, nur in einer Welt zu leben. Die eine muͤßte die beste seyn, die man nur suchen soll, nicht finden kann. Aber der Glaube an sie ist etwas so heiliges, wie der Glaube an die Einzigkeit in der Freundschaft und Liebe. Wer mit seiner Manier, kleine Silhouetten von sich selbst in verschiednen Stellungen aus freyer Hand auszuschneiden und umherzubieten, eine Gesellschaft unterhalten kann, oder auf den ersten Wink fertig ist, den Kastellan von sich selbst zu machen, und was in ihm ist jedem, der an seiner Thuͤre stehn bleibt, zu zeigen wie ein Landedelmann die verschrobenen Anlagen seines englischen Gartens, der heißt ein offner Mensch. Fuͤr die, welche auch in die Gesellschaft ihre Traͤgheit mitbringen und beylaͤufig gern was sie um sich sehn mustern und klassifiziren moͤchten, ist dies freylich eine bequeme Eigenschaft. Auch giebt es Menschen genug, die dieser Foderung entsprechen, und durchaus in dem Styl eines Gartenhauses gebaut sind, wo jedes Fenster eine Thuͤr ist, und jedermann Platz zu nehmen genoͤthigt wird, in der Voraussetzung, daß er nicht mehr zu finden erwarte, als was ein Dieb in einer Nacht ausraͤumen koͤnnte, ohne sich sonderlich zu bereichern. Ein eigentlicher Mensch, der etwas mehr in sich hat, als diesen aͤrmlichen Hausbedarf, wird sich freylich nicht so preis geben, da es ohnedieß vergeblich waͤre, ihn aus Selbstbeschreibungen, auch aus den besten und geistvollsten, kennen lernen zu wollen. Von einem Karakter giebt es keine andre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0284" n="95"/> Mensch wohl nie dahin bringen, nur in einer Welt zu leben. Die eine muͤßte die beste seyn, die man nur suchen soll, nicht finden kann. Aber der Glaube an sie ist etwas so heiliges, wie der Glaube an die Einzigkeit in der Freundschaft und Liebe.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wer mit seiner Manier, kleine Silhouetten von sich selbst in verschiednen Stellungen aus freyer Hand auszuschneiden und umherzubieten, eine Gesellschaft unterhalten kann, oder auf den ersten Wink fertig ist, den Kastellan von sich selbst zu machen, und was in ihm ist jedem, der an seiner Thuͤre stehn bleibt, zu zeigen wie ein Landedelmann die verschrobenen Anlagen seines englischen Gartens, der heißt ein offner Mensch. Fuͤr die, welche auch in die Gesellschaft ihre Traͤgheit mitbringen und beylaͤufig gern was sie um sich sehn mustern und klassifiziren moͤchten, ist dies freylich eine bequeme Eigenschaft. Auch giebt es Menschen genug, die dieser Foderung entsprechen, und durchaus in dem Styl eines Gartenhauses gebaut sind, wo jedes Fenster eine Thuͤr ist, und jedermann Platz zu nehmen genoͤthigt wird, in der Voraussetzung, daß er nicht mehr zu finden erwarte, als was ein Dieb in einer Nacht ausraͤumen koͤnnte, ohne sich sonderlich zu bereichern. Ein eigentlicher Mensch, der etwas mehr in sich hat, als diesen aͤrmlichen Hausbedarf, wird sich freylich nicht so preis geben, da es ohnedieß vergeblich waͤre, ihn aus Selbstbeschreibungen, auch aus den besten und geistvollsten, kennen lernen zu wollen. Von einem Karakter giebt es keine andre<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0284]
Mensch wohl nie dahin bringen, nur in einer Welt zu leben. Die eine muͤßte die beste seyn, die man nur suchen soll, nicht finden kann. Aber der Glaube an sie ist etwas so heiliges, wie der Glaube an die Einzigkeit in der Freundschaft und Liebe.
Wer mit seiner Manier, kleine Silhouetten von sich selbst in verschiednen Stellungen aus freyer Hand auszuschneiden und umherzubieten, eine Gesellschaft unterhalten kann, oder auf den ersten Wink fertig ist, den Kastellan von sich selbst zu machen, und was in ihm ist jedem, der an seiner Thuͤre stehn bleibt, zu zeigen wie ein Landedelmann die verschrobenen Anlagen seines englischen Gartens, der heißt ein offner Mensch. Fuͤr die, welche auch in die Gesellschaft ihre Traͤgheit mitbringen und beylaͤufig gern was sie um sich sehn mustern und klassifiziren moͤchten, ist dies freylich eine bequeme Eigenschaft. Auch giebt es Menschen genug, die dieser Foderung entsprechen, und durchaus in dem Styl eines Gartenhauses gebaut sind, wo jedes Fenster eine Thuͤr ist, und jedermann Platz zu nehmen genoͤthigt wird, in der Voraussetzung, daß er nicht mehr zu finden erwarte, als was ein Dieb in einer Nacht ausraͤumen koͤnnte, ohne sich sonderlich zu bereichern. Ein eigentlicher Mensch, der etwas mehr in sich hat, als diesen aͤrmlichen Hausbedarf, wird sich freylich nicht so preis geben, da es ohnedieß vergeblich waͤre, ihn aus Selbstbeschreibungen, auch aus den besten und geistvollsten, kennen lernen zu wollen. Von einem Karakter giebt es keine andre
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