Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.es freylich einer etwas zuvorkommendern Mittheilung, einer schamhaften, schüchtern versuchenden Offenheit, die hie und da durch einen kleinen Druck ihr innerstes Daseyn mit seinen Spring federnerrathen läßt, und ihre Tendenz zu Liebe und Freundschaft offenbart. Sie ist aber kein permanenter Zustand, sondern wie eine Wünschelruthe schlägt sie nur da an, wo der Jnstinkt der Freundschaft seinen Schatz zu heben hoft. Über diese schmale Linie des sittlich Schönen werden liebenswürdige Seelen nur durch Mißverstand zu beyden Seiten etwas hinausgeführt. Durch mißlungene Versuche dieses schönen Jnstinkts zu jener interessanten Verschlossenheit, die sich nicht verstellen, sondern nur verbergen will, und die jeden, der das Vortreffliche zu ahnden weiß, so zauberisch intriguirt; durch sanguinische Hoffnungen und durch eine Reizbarkeit, welche auch von der geringsten Affinität in Bewegung gesetzt wird, zu jener naiven Herzlichkeit, welche, wie die Freymaurer meynt, daß wenigstens der erste Grad niemals zu Vielen gegeben werden kann. Diese Erscheinungen sind erfreulich und interessant, weil sie noch an der Gränze des Besten liegen, und nur der Uneingeweihte wird sie mit Manieren verwechseln, die aus reiner Unfähigkeit hervorgehn. So wie man ein nicht verstandnes Buch lieber verläugnet, so sind viele nur deswegen verschlossen, weil sie den Fragen über sich selbst ausweichen wollen; und wie Manche nicht für sich lesen können, ohne zugleich die Worte hören zu lassen, so können Manche sich nicht anschaun, ohne immer zu sagen, was sie seyn. Diese Verschlossenheit es freylich einer etwas zuvorkommendern Mittheilung, einer schamhaften, schuͤchtern versuchenden Offenheit, die hie und da durch einen kleinen Druck ihr innerstes Daseyn mit seinen Spring federnerrathen laͤßt, und ihre Tendenz zu Liebe und Freundschaft offenbart. Sie ist aber kein permanenter Zustand, sondern wie eine Wuͤnschelruthe schlaͤgt sie nur da an, wo der Jnstinkt der Freundschaft seinen Schatz zu heben hoft. Über diese schmale Linie des sittlich Schoͤnen werden liebenswuͤrdige Seelen nur durch Mißverstand zu beyden Seiten etwas hinausgefuͤhrt. Durch mißlungene Versuche dieses schoͤnen Jnstinkts zu jener interessanten Verschlossenheit, die sich nicht verstellen, sondern nur verbergen will, und die jeden, der das Vortreffliche zu ahnden weiß, so zauberisch intriguirt; durch sanguinische Hoffnungen und durch eine Reizbarkeit, welche auch von der geringsten Affinitaͤt in Bewegung gesetzt wird, zu jener naiven Herzlichkeit, welche, wie die Freymaurer meynt, daß wenigstens der erste Grad niemals zu Vielen gegeben werden kann. Diese Erscheinungen sind erfreulich und interessant, weil sie noch an der Graͤnze des Besten liegen, und nur der Uneingeweihte wird sie mit Manieren verwechseln, die aus reiner Unfaͤhigkeit hervorgehn. So wie man ein nicht verstandnes Buch lieber verlaͤugnet, so sind viele nur deswegen verschlossen, weil sie den Fragen uͤber sich selbst ausweichen wollen; und wie Manche nicht fuͤr sich lesen koͤnnen, ohne zugleich die Worte hoͤren zu lassen, so koͤnnen Manche sich nicht anschaun, ohne immer zu sagen, was sie seyn. Diese Verschlossenheit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0286" n="97"/> es freylich einer etwas zuvorkommendern Mittheilung, einer schamhaften, schuͤchtern versuchenden Offenheit, die hie und da durch einen kleinen Druck ihr innerstes Daseyn mit seinen Spring federnerrathen laͤßt, und ihre Tendenz zu Liebe und Freundschaft offenbart. Sie ist aber kein permanenter Zustand, sondern wie eine Wuͤnschelruthe schlaͤgt sie nur da an, wo der Jnstinkt der Freundschaft seinen Schatz zu heben hoft. Über diese schmale Linie des sittlich Schoͤnen werden liebenswuͤrdige Seelen nur durch Mißverstand zu beyden Seiten etwas hinausgefuͤhrt. Durch mißlungene Versuche dieses schoͤnen Jnstinkts zu jener interessanten Verschlossenheit, die sich nicht verstellen, sondern nur verbergen will, und die jeden, der das Vortreffliche zu ahnden weiß, so zauberisch intriguirt; durch sanguinische Hoffnungen und durch eine Reizbarkeit, welche auch von der geringsten Affinitaͤt in Bewegung gesetzt wird, zu jener naiven Herzlichkeit, welche, wie die Freymaurer meynt, daß wenigstens der erste Grad niemals zu Vielen gegeben werden kann. Diese Erscheinungen sind erfreulich und interessant, weil sie noch an der Graͤnze des Besten liegen, und nur der Uneingeweihte wird sie mit Manieren verwechseln, die aus reiner Unfaͤhigkeit hervorgehn. So wie man ein nicht verstandnes Buch lieber verlaͤugnet, so sind viele nur deswegen verschlossen, weil sie den Fragen uͤber sich selbst ausweichen wollen; und wie Manche nicht fuͤr sich lesen koͤnnen, ohne zugleich die Worte hoͤren zu lassen, so koͤnnen Manche sich nicht anschaun, ohne immer zu sagen, was sie seyn. Diese Verschlossenheit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0286]
es freylich einer etwas zuvorkommendern Mittheilung, einer schamhaften, schuͤchtern versuchenden Offenheit, die hie und da durch einen kleinen Druck ihr innerstes Daseyn mit seinen Spring federnerrathen laͤßt, und ihre Tendenz zu Liebe und Freundschaft offenbart. Sie ist aber kein permanenter Zustand, sondern wie eine Wuͤnschelruthe schlaͤgt sie nur da an, wo der Jnstinkt der Freundschaft seinen Schatz zu heben hoft. Über diese schmale Linie des sittlich Schoͤnen werden liebenswuͤrdige Seelen nur durch Mißverstand zu beyden Seiten etwas hinausgefuͤhrt. Durch mißlungene Versuche dieses schoͤnen Jnstinkts zu jener interessanten Verschlossenheit, die sich nicht verstellen, sondern nur verbergen will, und die jeden, der das Vortreffliche zu ahnden weiß, so zauberisch intriguirt; durch sanguinische Hoffnungen und durch eine Reizbarkeit, welche auch von der geringsten Affinitaͤt in Bewegung gesetzt wird, zu jener naiven Herzlichkeit, welche, wie die Freymaurer meynt, daß wenigstens der erste Grad niemals zu Vielen gegeben werden kann. Diese Erscheinungen sind erfreulich und interessant, weil sie noch an der Graͤnze des Besten liegen, und nur der Uneingeweihte wird sie mit Manieren verwechseln, die aus reiner Unfaͤhigkeit hervorgehn. So wie man ein nicht verstandnes Buch lieber verlaͤugnet, so sind viele nur deswegen verschlossen, weil sie den Fragen uͤber sich selbst ausweichen wollen; und wie Manche nicht fuͤr sich lesen koͤnnen, ohne zugleich die Worte hoͤren zu lassen, so koͤnnen Manche sich nicht anschaun, ohne immer zu sagen, was sie seyn. Diese Verschlossenheit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |