Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.etwas genau zu, so sitzen sie immer auf dem alten Fleck. Es ist Don Quixotes Luftreise auf dem hölzernen Pferde. Auch Jacobi scheint mir zwar nie ruhig werden zu können, aber doch immer da zu bleiben, wo er ist: in der Klemme zwischen zwey Arten von Philosophie, der systematischen und der absoluten, zwischen Spinosa und Leibnitz, wo sich sein zarter Geist etwas wund gedrückt hat. Es ist noch ungleich gewagter, anzunehmen, daß jemand ein Philosoph sey, als zu behaupten, daß jemand ein Sophist sey: Soll das letzte nie erlaubt seyn, so kann das erste noch weniger gelten. Es giebt Elegien von der heroisch kläglichen Art, die man so erklären könnte: es sind die Empfindungen der Jämmerlichkeit bey den Gedanken der Albernheit von den Verhältnissen der Plattheit zur Tollheit. Die Duldung hat keinen andern Gegenstand als das Vernichtende. Wer nichts vernichten will, bedarf gar nicht geduldet zu werden; wer alles vernichten will, soll nicht geduldet werden. Jn dem was zwischen beyden liegt, hat diese Gesinnung ihren ganz freyen Spielraum. Denn wenn man nicht intolerant seyn dürfte, wäre die Toleranz nichts. Keine Poesie, keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne ohne Fantasie keine Außenwelt giebt, so etwas genau zu, so sitzen sie immer auf dem alten Fleck. Es ist Don Quixotes Luftreise auf dem hoͤlzernen Pferde. Auch Jacobi scheint mir zwar nie ruhig werden zu koͤnnen, aber doch immer da zu bleiben, wo er ist: in der Klemme zwischen zwey Arten von Philosophie, der systematischen und der absoluten, zwischen Spinosa und Leibnitz, wo sich sein zarter Geist etwas wund gedruͤckt hat. Es ist noch ungleich gewagter, anzunehmen, daß jemand ein Philosoph sey, als zu behaupten, daß jemand ein Sophist sey: Soll das letzte nie erlaubt seyn, so kann das erste noch weniger gelten. Es giebt Elegien von der heroisch klaͤglichen Art, die man so erklaͤren koͤnnte: es sind die Empfindungen der Jaͤmmerlichkeit bey den Gedanken der Albernheit von den Verhaͤltnissen der Plattheit zur Tollheit. Die Duldung hat keinen andern Gegenstand als das Vernichtende. Wer nichts vernichten will, bedarf gar nicht geduldet zu werden; wer alles vernichten will, soll nicht geduldet werden. Jn dem was zwischen beyden liegt, hat diese Gesinnung ihren ganz freyen Spielraum. Denn wenn man nicht intolerant seyn duͤrfte, waͤre die Toleranz nichts. Keine Poesie, keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne ohne Fantasie keine Außenwelt giebt, so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0291" n="102"/> etwas genau zu, so sitzen sie immer auf dem alten Fleck. Es ist Don Quixotes Luftreise auf dem hoͤlzernen Pferde. Auch Jacobi scheint mir zwar nie ruhig werden zu koͤnnen, aber doch immer da zu bleiben, wo er ist: in der Klemme zwischen zwey Arten von Philosophie, der systematischen und der absoluten, zwischen Spinosa und Leibnitz, wo sich sein zarter Geist etwas wund gedruͤckt hat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es ist noch ungleich gewagter, anzunehmen, daß jemand ein Philosoph sey, als zu behaupten, daß jemand ein Sophist sey: Soll das letzte nie erlaubt seyn, so kann das erste noch weniger gelten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es giebt Elegien von der heroisch klaͤglichen Art, die man so erklaͤren koͤnnte: es sind die Empfindungen der Jaͤmmerlichkeit bey den Gedanken der Albernheit von den Verhaͤltnissen der Plattheit zur Tollheit.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Duldung hat keinen andern Gegenstand als das Vernichtende. Wer nichts vernichten will, bedarf gar nicht geduldet zu werden; wer alles vernichten will, soll nicht geduldet werden. Jn dem was zwischen beyden liegt, hat diese Gesinnung ihren ganz freyen Spielraum. Denn wenn man nicht intolerant seyn duͤrfte, waͤre die Toleranz nichts.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Keine Poesie, keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne ohne Fantasie keine Außenwelt giebt, so<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0291]
etwas genau zu, so sitzen sie immer auf dem alten Fleck. Es ist Don Quixotes Luftreise auf dem hoͤlzernen Pferde. Auch Jacobi scheint mir zwar nie ruhig werden zu koͤnnen, aber doch immer da zu bleiben, wo er ist: in der Klemme zwischen zwey Arten von Philosophie, der systematischen und der absoluten, zwischen Spinosa und Leibnitz, wo sich sein zarter Geist etwas wund gedruͤckt hat.
Es ist noch ungleich gewagter, anzunehmen, daß jemand ein Philosoph sey, als zu behaupten, daß jemand ein Sophist sey: Soll das letzte nie erlaubt seyn, so kann das erste noch weniger gelten.
Es giebt Elegien von der heroisch klaͤglichen Art, die man so erklaͤren koͤnnte: es sind die Empfindungen der Jaͤmmerlichkeit bey den Gedanken der Albernheit von den Verhaͤltnissen der Plattheit zur Tollheit.
Die Duldung hat keinen andern Gegenstand als das Vernichtende. Wer nichts vernichten will, bedarf gar nicht geduldet zu werden; wer alles vernichten will, soll nicht geduldet werden. Jn dem was zwischen beyden liegt, hat diese Gesinnung ihren ganz freyen Spielraum. Denn wenn man nicht intolerant seyn duͤrfte, waͤre die Toleranz nichts.
Keine Poesie, keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne ohne Fantasie keine Außenwelt giebt, so
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