Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Hand sorgfältig gegen einander abwog. Der Werth steigt mit der Größe ganz unverhältnißmäßig; und manche, die bey einem enthusiastischen Geist und barokkem Aeußern, noch beseelte Akzente, frisches Kolorit und eine gewisse krystallne Durchsichtigkeit haben, die man mit dem Wasser der Diamanten vergleichen möchte, sind gar nicht mehr zu taxiren.



Jn der wahren Prosa muß alles unterstrichen seyn.



Caricatur ist eine passive Verbindung des Naiven und Grotesken. Der Dichter kann sie eben so wohl tragisch als komisch gebrauchen.



Da die Natur und die Menschheit sich so oft und so schneidend widersprechen, darf die Philosophie es vielleicht nicht vermeiden, dasselbe zu thun.



Der Mystizismus ist die mäßigste und wohlfeilste aller philosophischen Kasereyen. Man darf ihm nur einen einzigen absoluten Widerspruch creditiren, er weiß alle Bedürfnisse damit zu bestreiten und kann noch großen Luxus treiben.



Polemische Totalität ist zwar eine nothwendige Folge aus der Annahme und Forderung unbedingter Mittheilbarkeit und Mittheilung, und kann wohl die Gegner vollkommen vernichten, ohne jedoch die Philosophie

in der Hand sorgfaͤltig gegen einander abwog. Der Werth steigt mit der Groͤße ganz unverhaͤltnißmaͤßig; und manche, die bey einem enthusiastischen Geist und barokkem Aeußern, noch beseelte Akzente, frisches Kolorit und eine gewisse krystallne Durchsichtigkeit haben, die man mit dem Wasser der Diamanten vergleichen moͤchte, sind gar nicht mehr zu taxiren.



Jn der wahren Prosa muß alles unterstrichen seyn.



Caricatur ist eine passive Verbindung des Naiven und Grotesken. Der Dichter kann sie eben so wohl tragisch als komisch gebrauchen.



Da die Natur und die Menschheit sich so oft und so schneidend widersprechen, darf die Philosophie es vielleicht nicht vermeiden, dasselbe zu thun.



Der Mystizismus ist die maͤßigste und wohlfeilste aller philosophischen Kasereyen. Man darf ihm nur einen einzigen absoluten Widerspruch creditiren, er weiß alle Beduͤrfnisse damit zu bestreiten und kann noch großen Luxus treiben.



Polemische Totalitaͤt ist zwar eine nothwendige Folge aus der Annahme und Forderung unbedingter Mittheilbarkeit und Mittheilung, und kann wohl die Gegner vollkommen vernichten, ohne jedoch die Philosophie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0311" n="122"/>
in der Hand sorgfa&#x0364;ltig gegen einander abwog. Der Werth steigt mit der Gro&#x0364;ße ganz unverha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig; und manche, die bey einem enthusiastischen Geist und barokkem Aeußern, noch beseelte Akzente, frisches Kolorit und eine gewisse krystallne Durchsichtigkeit haben, die man mit dem Wasser der Diamanten vergleichen mo&#x0364;chte, sind gar nicht mehr zu taxiren.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jn der wahren Prosa muß alles unterstrichen seyn.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Caricatur ist eine passive Verbindung des Naiven und Grotesken. Der Dichter kann sie eben so wohl tragisch als komisch gebrauchen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Da die Natur und die Menschheit sich so oft und so schneidend widersprechen, darf die Philosophie es vielleicht nicht vermeiden, dasselbe zu thun.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Der Mystizismus ist die ma&#x0364;ßigste und wohlfeilste aller philosophischen Kasereyen. Man darf ihm nur einen einzigen absoluten Widerspruch creditiren, er weiß alle Bedu&#x0364;rfnisse damit zu bestreiten und kann noch großen Luxus treiben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Polemische Totalita&#x0364;t ist zwar eine nothwendige Folge aus der Annahme und Forderung unbedingter Mittheilbarkeit und Mittheilung, und kann wohl die Gegner vollkommen vernichten, ohne jedoch die Philosophie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0311] in der Hand sorgfaͤltig gegen einander abwog. Der Werth steigt mit der Groͤße ganz unverhaͤltnißmaͤßig; und manche, die bey einem enthusiastischen Geist und barokkem Aeußern, noch beseelte Akzente, frisches Kolorit und eine gewisse krystallne Durchsichtigkeit haben, die man mit dem Wasser der Diamanten vergleichen moͤchte, sind gar nicht mehr zu taxiren. Jn der wahren Prosa muß alles unterstrichen seyn. Caricatur ist eine passive Verbindung des Naiven und Grotesken. Der Dichter kann sie eben so wohl tragisch als komisch gebrauchen. Da die Natur und die Menschheit sich so oft und so schneidend widersprechen, darf die Philosophie es vielleicht nicht vermeiden, dasselbe zu thun. Der Mystizismus ist die maͤßigste und wohlfeilste aller philosophischen Kasereyen. Man darf ihm nur einen einzigen absoluten Widerspruch creditiren, er weiß alle Beduͤrfnisse damit zu bestreiten und kann noch großen Luxus treiben. Polemische Totalitaͤt ist zwar eine nothwendige Folge aus der Annahme und Forderung unbedingter Mittheilbarkeit und Mittheilung, und kann wohl die Gegner vollkommen vernichten, ohne jedoch die Philosophie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/311
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/311>, abgerufen am 22.11.2024.