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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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im Streben, Wollen und Empfinden, und obgleich wir voraussehn, daß er erst spät oder nie als Mann handeln wird, so verspricht doch seine gränzenlose Bildsamkeit, daß Männer und Frauen sich seine Erziehung zum Geschäft und zum Vergnügen machen und dadurch, vielleicht ohne es zu wollen oder zu wissen, die leise und vielseitige Empfänglichkeit, welche seinem Geiste einen so hohen Zauber giebt, vielfach anregen und die Vorempfindung der ganzen Welt in ihm zu einem schönen Bilde entfalten werden. Lernen muß er überall können, und auch an prüfenden Versuchungen wird es ihm nie fehlen. Wenn ihm nun das günstige Schicksal oder ein erfahrner Freund von großem Überblick günstig beysteht und ihn durch Warnungen und Verheißungen nach dem Ziele lenkt, so müssen seine Lehrjahre glücklich endigen.

Das zweyte Buch beginnt damit, die Resultate des ersten musikalisch zu wiederhohlen, sie in wenige Punkte zusammenzudrängen und gleichsam auf die äußerste Spitze zu treiben. Zuerst wird die langsame aber völlige Vernichtung von Wilhelms Poesie seiner Kinderträume und seiner ersten Liebe mit schonender Allgemeinheit der Darstellung betrachtet. Dann wird der Geist, der mit Wilhelmen in diese Tiefe gesunken, und mit ihm gleichsam unthätig geworden war, von neuem belebt und mächtig geweckt, sich aus der Leere herauszureißen, durch die leidenschaftlichste Erinnerung an Marianen, und durch des Jünglings begeistertes Lob der Poesie, welches die Wirklichkeit seines ursprünglichen Traums von Poesie durch seine

im Streben, Wollen und Empfinden, und obgleich wir voraussehn, daß er erst spaͤt oder nie als Mann handeln wird, so verspricht doch seine graͤnzenlose Bildsamkeit, daß Maͤnner und Frauen sich seine Erziehung zum Geschaͤft und zum Vergnuͤgen machen und dadurch, vielleicht ohne es zu wollen oder zu wissen, die leise und vielseitige Empfaͤnglichkeit, welche seinem Geiste einen so hohen Zauber giebt, vielfach anregen und die Vorempfindung der ganzen Welt in ihm zu einem schoͤnen Bilde entfalten werden. Lernen muß er uͤberall koͤnnen, und auch an pruͤfenden Versuchungen wird es ihm nie fehlen. Wenn ihm nun das guͤnstige Schicksal oder ein erfahrner Freund von großem Überblick guͤnstig beysteht und ihn durch Warnungen und Verheißungen nach dem Ziele lenkt, so muͤssen seine Lehrjahre gluͤcklich endigen.

Das zweyte Buch beginnt damit, die Resultate des ersten musikalisch zu wiederhohlen, sie in wenige Punkte zusammenzudraͤngen und gleichsam auf die aͤußerste Spitze zu treiben. Zuerst wird die langsame aber voͤllige Vernichtung von Wilhelms Poesie seiner Kindertraͤume und seiner ersten Liebe mit schonender Allgemeinheit der Darstellung betrachtet. Dann wird der Geist, der mit Wilhelmen in diese Tiefe gesunken, und mit ihm gleichsam unthaͤtig geworden war, von neuem belebt und maͤchtig geweckt, sich aus der Leere herauszureißen, durch die leidenschaftlichste Erinnerung an Marianen, und durch des Juͤnglings begeistertes Lob der Poesie, welches die Wirklichkeit seines urspruͤnglichen Traums von Poesie durch seine

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[152/0341] im Streben, Wollen und Empfinden, und obgleich wir voraussehn, daß er erst spaͤt oder nie als Mann handeln wird, so verspricht doch seine graͤnzenlose Bildsamkeit, daß Maͤnner und Frauen sich seine Erziehung zum Geschaͤft und zum Vergnuͤgen machen und dadurch, vielleicht ohne es zu wollen oder zu wissen, die leise und vielseitige Empfaͤnglichkeit, welche seinem Geiste einen so hohen Zauber giebt, vielfach anregen und die Vorempfindung der ganzen Welt in ihm zu einem schoͤnen Bilde entfalten werden. Lernen muß er uͤberall koͤnnen, und auch an pruͤfenden Versuchungen wird es ihm nie fehlen. Wenn ihm nun das guͤnstige Schicksal oder ein erfahrner Freund von großem Überblick guͤnstig beysteht und ihn durch Warnungen und Verheißungen nach dem Ziele lenkt, so muͤssen seine Lehrjahre gluͤcklich endigen. Das zweyte Buch beginnt damit, die Resultate des ersten musikalisch zu wiederhohlen, sie in wenige Punkte zusammenzudraͤngen und gleichsam auf die aͤußerste Spitze zu treiben. Zuerst wird die langsame aber voͤllige Vernichtung von Wilhelms Poesie seiner Kindertraͤume und seiner ersten Liebe mit schonender Allgemeinheit der Darstellung betrachtet. Dann wird der Geist, der mit Wilhelmen in diese Tiefe gesunken, und mit ihm gleichsam unthaͤtig geworden war, von neuem belebt und maͤchtig geweckt, sich aus der Leere herauszureißen, durch die leidenschaftlichste Erinnerung an Marianen, und durch des Juͤnglings begeistertes Lob der Poesie, welches die Wirklichkeit seines urspruͤnglichen Traums von Poesie durch seine

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/341>, abgerufen am 13.06.2024.