Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Deutscher. O ja, ihr seyd besonders in der Prosa allerbewundernswürdigst kurz! Maravigliofisfimamente! Jtaliäner. Das ist nun wieder Sache des Geschmacks. Wir lieben den Superlativ. Poesie. Da Klopstock einen so ungemeinen Werth auf die Kürze legt, warum hat er nicht neben der Bildsamkeit, Bedeutsamkeit und so manchen ähnlichen auch die Schweigsamkeit aufgeführt? Grammatik. Sie konnte ja nicht mitreden, ohne ihren Karakter zu verläugnen. Poesie. So hätte sie wenigstens, wie die Niobe des Aeschylus, mit verhülltem Antlitz unter den Streitenden gesessen und Ehrfurcht geboten. Grammatik. Klopstock spielt selbst die Rolle der Schweigsamkeit in dem ganzen Buche. Kaum giebt er Winke, wo man befriedigende Belehrung von ihm wünscht. Franzose. Jn den grammatischen Gesprächen wird ein Wettstreit zwischen den Sprachen angekündigt, worin ihnen der Vorrang nach der Geschicklichkeit im Übersetzen zuerkannt werden soll. Jch protestire hiegegen im Namen der meinigen. Es ist ein bloß nazionaler Kanon, denn die Deutschen sind ja Allerweltsübersetzer. Wir übersetzen entweder gar nicht, oder nach unserm eignen Geschmack. Deutscher. Das heißt, ihr paraphrasirt und travestirt. Franzose. Wir betrachten einen ausländischen Schriftsteller, wie einen Fremden in der Gesellschaft, Deutscher. O ja, ihr seyd besonders in der Prosa allerbewundernswuͤrdigst kurz! Maravigliofisfimamente! Jtaliaͤner. Das ist nun wieder Sache des Geschmacks. Wir lieben den Superlativ. Poesie. Da Klopstock einen so ungemeinen Werth auf die Kuͤrze legt, warum hat er nicht neben der Bildsamkeit, Bedeutsamkeit und so manchen aͤhnlichen auch die Schweigsamkeit aufgefuͤhrt? Grammatik. Sie konnte ja nicht mitreden, ohne ihren Karakter zu verlaͤugnen. Poesie. So haͤtte sie wenigstens, wie die Niobe des Aeschylus, mit verhuͤlltem Antlitz unter den Streitenden gesessen und Ehrfurcht geboten. Grammatik. Klopstock spielt selbst die Rolle der Schweigsamkeit in dem ganzen Buche. Kaum giebt er Winke, wo man befriedigende Belehrung von ihm wuͤnscht. Franzose. Jn den grammatischen Gespraͤchen wird ein Wettstreit zwischen den Sprachen angekuͤndigt, worin ihnen der Vorrang nach der Geschicklichkeit im Übersetzen zuerkannt werden soll. Jch protestire hiegegen im Namen der meinigen. Es ist ein bloß nazionaler Kanon, denn die Deutschen sind ja Allerweltsuͤbersetzer. Wir uͤbersetzen entweder gar nicht, oder nach unserm eignen Geschmack. Deutscher. Das heißt, ihr paraphrasirt und travestirt. Franzose. Wir betrachten einen auslaͤndischen Schriftsteller, wie einen Fremden in der Gesellschaft, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0069" n="58"/> <p><hi rendition="#g">Deutscher.</hi> O ja, ihr seyd besonders in der Prosa allerbewundernswuͤrdigst kurz! <foreign xml:lang="it">Maravigliofisfimamente!</foreign></p><lb/> <p><hi rendition="#g">Jtaliaͤner.</hi> Das ist nun wieder Sache des Geschmacks. Wir lieben den Superlativ.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie.</hi> Da Klopstock einen so ungemeinen Werth auf die Kuͤrze legt, warum hat er nicht neben der Bildsamkeit, Bedeutsamkeit und so manchen aͤhnlichen auch die Schweigsamkeit aufgefuͤhrt?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grammatik.</hi> Sie konnte ja nicht mitreden, ohne ihren Karakter zu verlaͤugnen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie.</hi> So haͤtte sie wenigstens, wie die Niobe des Aeschylus, mit verhuͤlltem Antlitz unter den Streitenden gesessen und Ehrfurcht geboten.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grammatik.</hi> Klopstock spielt selbst die Rolle der Schweigsamkeit in dem ganzen Buche. Kaum giebt er Winke, wo man befriedigende Belehrung von ihm wuͤnscht.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Franzose.</hi> Jn den grammatischen Gespraͤchen wird ein Wettstreit zwischen den Sprachen angekuͤndigt, worin ihnen der Vorrang nach der Geschicklichkeit im Übersetzen zuerkannt werden soll. Jch protestire hiegegen im Namen der meinigen. Es ist ein bloß nazionaler Kanon, denn die Deutschen sind ja Allerweltsuͤbersetzer. Wir uͤbersetzen entweder gar nicht, oder nach unserm eignen Geschmack.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher.</hi> Das heißt, ihr paraphrasirt und travestirt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Franzose.</hi> Wir betrachten einen auslaͤndischen Schriftsteller, wie einen Fremden in der Gesellschaft,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0069]
Deutscher. O ja, ihr seyd besonders in der Prosa allerbewundernswuͤrdigst kurz! Maravigliofisfimamente!
Jtaliaͤner. Das ist nun wieder Sache des Geschmacks. Wir lieben den Superlativ.
Poesie. Da Klopstock einen so ungemeinen Werth auf die Kuͤrze legt, warum hat er nicht neben der Bildsamkeit, Bedeutsamkeit und so manchen aͤhnlichen auch die Schweigsamkeit aufgefuͤhrt?
Grammatik. Sie konnte ja nicht mitreden, ohne ihren Karakter zu verlaͤugnen.
Poesie. So haͤtte sie wenigstens, wie die Niobe des Aeschylus, mit verhuͤlltem Antlitz unter den Streitenden gesessen und Ehrfurcht geboten.
Grammatik. Klopstock spielt selbst die Rolle der Schweigsamkeit in dem ganzen Buche. Kaum giebt er Winke, wo man befriedigende Belehrung von ihm wuͤnscht.
Franzose. Jn den grammatischen Gespraͤchen wird ein Wettstreit zwischen den Sprachen angekuͤndigt, worin ihnen der Vorrang nach der Geschicklichkeit im Übersetzen zuerkannt werden soll. Jch protestire hiegegen im Namen der meinigen. Es ist ein bloß nazionaler Kanon, denn die Deutschen sind ja Allerweltsuͤbersetzer. Wir uͤbersetzen entweder gar nicht, oder nach unserm eignen Geschmack.
Deutscher. Das heißt, ihr paraphrasirt und travestirt.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/69>, abgerufen am 16.02.2025. |