Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.riß ihren labyrinthischen Faden ab. Bey ihm hielt das Streben nach der Wahrheit mit dem Kunsttriebe nicht nur gleichen Schritt: beydes hatte sich gegenseitig durchdrungen und war eins geworden. Sein Forschungsgeist war durchaus romantisch, bizarr und mit Poesie tingirt; und er verfolgte hinwieder die Forderungen der Kunst mit der Strenge der Wissenschaft oder der Pflicht. Jn seinen Werken sowohl als in seinem Leben lesen wir den Wahlspruch: Vogli sempre poter quel, che tu debbi. Louise. Schön, lieber Waller! Meine Vorlesung konnte nicht besser beschlossen werden als mit Jhrer begeisterten Lobrede auf den ehrwürdigen Patriarchen. Reinhold. Sie sind also am Ende Jhrer geschriebenen Gallerie? Louise. Für jetzt, ja. Reinhold. Da muß Jhre Schwester sich gegen die Schätze, die wir täglich vor Augen haben, mit wenigem genügen lassen, ungeachtet Jhres Fleißes und Jhrer Liebe. Louise. Jch konnte gar nicht unternehmen, ihr mehr zu geben als einige Proben des Ausgezeichnetsten. Reinhold. Auch so bleiben große Lücken. Sie haben nichts von Paul Veronese, von Carracci, von Rubens. -- Louise. Es ist wahr, manche Dinge sind wie nicht vorhanden für mich. Vor den Bildern von Rubens gehe ich immer vorbey. Waller. Sie rufen doch von weit genug her. Jch kann Jhnen mit ein paar Beschreibungen aushelfen, riß ihren labyrinthischen Faden ab. Bey ihm hielt das Streben nach der Wahrheit mit dem Kunsttriebe nicht nur gleichen Schritt: beydes hatte sich gegenseitig durchdrungen und war eins geworden. Sein Forschungsgeist war durchaus romantisch, bizarr und mit Poesie tingirt; und er verfolgte hinwieder die Forderungen der Kunst mit der Strenge der Wissenschaft oder der Pflicht. Jn seinen Werken sowohl als in seinem Leben lesen wir den Wahlspruch: Vogli sempre poter quel, che tu debbi. Louise. Schoͤn, lieber Waller! Meine Vorlesung konnte nicht besser beschlossen werden als mit Jhrer begeisterten Lobrede auf den ehrwuͤrdigen Patriarchen. Reinhold. Sie sind also am Ende Jhrer geschriebenen Gallerie? Louise. Fuͤr jetzt, ja. Reinhold. Da muß Jhre Schwester sich gegen die Schaͤtze, die wir taͤglich vor Augen haben, mit wenigem genuͤgen lassen, ungeachtet Jhres Fleißes und Jhrer Liebe. Louise. Jch konnte gar nicht unternehmen, ihr mehr zu geben als einige Proben des Ausgezeichnetsten. Reinhold. Auch so bleiben große Luͤcken. Sie haben nichts von Paul Veronese, von Carracci, von Rubens. — Louise. Es ist wahr, manche Dinge sind wie nicht vorhanden fuͤr mich. Vor den Bildern von Rubens gehe ich immer vorbey. Waller. Sie rufen doch von weit genug her. Jch kann Jhnen mit ein paar Beschreibungen aushelfen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0114" n="106"/> riß ihren labyrinthischen Faden ab. Bey ihm hielt das Streben nach der Wahrheit mit dem Kunsttriebe nicht nur gleichen Schritt: beydes hatte sich gegenseitig durchdrungen und war eins geworden. Sein Forschungsgeist war durchaus romantisch, bizarr und mit Poesie tingirt; und er verfolgte hinwieder die Forderungen der Kunst mit der Strenge der Wissenschaft oder der Pflicht. Jn seinen Werken sowohl als in seinem Leben lesen wir den Wahlspruch: <hi rendition="#c">Vogli sempre poter quel, che tu debbi.</hi></p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Schoͤn, lieber Waller! Meine Vorlesung konnte nicht besser beschlossen werden als mit Jhrer begeisterten Lobrede auf den ehrwuͤrdigen Patriarchen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Sie sind also am Ende Jhrer geschriebenen Gallerie?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Fuͤr jetzt, ja.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Da muß Jhre Schwester sich gegen die Schaͤtze, die wir taͤglich vor Augen haben, mit wenigem genuͤgen lassen, ungeachtet Jhres Fleißes und Jhrer Liebe.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Jch konnte gar nicht unternehmen, ihr mehr zu geben als einige Proben des Ausgezeichnetsten.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Auch so bleiben große Luͤcken. Sie haben nichts von Paul Veronese, von Carracci, von Rubens. —</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Es ist wahr, manche Dinge sind wie nicht vorhanden fuͤr mich. Vor den Bildern von Rubens gehe ich immer vorbey.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Sie rufen doch von weit genug her. Jch kann Jhnen mit ein paar Beschreibungen aushelfen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0114]
riß ihren labyrinthischen Faden ab. Bey ihm hielt das Streben nach der Wahrheit mit dem Kunsttriebe nicht nur gleichen Schritt: beydes hatte sich gegenseitig durchdrungen und war eins geworden. Sein Forschungsgeist war durchaus romantisch, bizarr und mit Poesie tingirt; und er verfolgte hinwieder die Forderungen der Kunst mit der Strenge der Wissenschaft oder der Pflicht. Jn seinen Werken sowohl als in seinem Leben lesen wir den Wahlspruch: Vogli sempre poter quel, che tu debbi.
Louise. Schoͤn, lieber Waller! Meine Vorlesung konnte nicht besser beschlossen werden als mit Jhrer begeisterten Lobrede auf den ehrwuͤrdigen Patriarchen.
Reinhold. Sie sind also am Ende Jhrer geschriebenen Gallerie?
Louise. Fuͤr jetzt, ja.
Reinhold. Da muß Jhre Schwester sich gegen die Schaͤtze, die wir taͤglich vor Augen haben, mit wenigem genuͤgen lassen, ungeachtet Jhres Fleißes und Jhrer Liebe.
Louise. Jch konnte gar nicht unternehmen, ihr mehr zu geben als einige Proben des Ausgezeichnetsten.
Reinhold. Auch so bleiben große Luͤcken. Sie haben nichts von Paul Veronese, von Carracci, von Rubens. —
Louise. Es ist wahr, manche Dinge sind wie nicht vorhanden fuͤr mich. Vor den Bildern von Rubens gehe ich immer vorbey.
Waller. Sie rufen doch von weit genug her. Jch kann Jhnen mit ein paar Beschreibungen aushelfen,
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/114>, abgerufen am 21.07.2024. |