Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

am rechten sieht man die weichgefütterte Tatze, womit sie unhörbar und desto schrecklicher auf den Raub schleicht. Die Vorderpfoten sind übereinander geschlagen, mit der unteren quetscht sie einen Zweig mit einigen Trauben: auch sie ist bey der schwelgerischen Ernte nicht leer ausgegangen. Der Kopf lauscht über die Vorderbeine hin mit behaglich zugedrückten Augen, worin man doch die Wuth entdeckt, die daraus hervorblitzen würde, wenn sie plötzlich gereizt aufspränge. An der ganzen Art der Ruhe verräth sich, wie wohl ihr das Säugen thut; sie liegt so bequem in ihrem weiten gleißenden Felle. Rubens regellose Zeichnung ist für diese unbestimmteren Formen wie geschaffen. Ein strengerer Umriß würde den Charakter der behendesten Geschmeidigkeit verdunkeln, der eben darin liegt, daß das Fell über die gewaltigen Muskeln nicht straff gespannt ist. Auch ließen die Streifen und Flecke des farbigen Pelzes der Willkühr seines Meisterpinsels freyen Spielraum, und er war dabey nicht in Gefahr, das Kolorit zu überladen. Vielleicht ist ihm daher nichts so gelungen, als die Darstellung der großen Raubthiere. Ueberhaupt verräth er viel Sinn und Liebhaberey für das Wilde: er bringt es auch da an, wo es nicht hingehört, oder nur als dichterische Lizenz entschuldigt werden kann. Seine prächtigen Pferde scheinen oft Löwenseelen zu haben, und es wäre nur zu wünschen, daß man eben das von seinen Göttern rühmen dürfte. Andre Male läßt er uns Schauspiele des Römischen Circus sehen; hier hat er sich gemäßigt und die Wildheit in der friedlichsten Lage leise

am rechten sieht man die weichgefuͤtterte Tatze, womit sie unhoͤrbar und desto schrecklicher auf den Raub schleicht. Die Vorderpfoten sind uͤbereinander geschlagen, mit der unteren quetscht sie einen Zweig mit einigen Trauben: auch sie ist bey der schwelgerischen Ernte nicht leer ausgegangen. Der Kopf lauscht uͤber die Vorderbeine hin mit behaglich zugedruͤckten Augen, worin man doch die Wuth entdeckt, die daraus hervorblitzen wuͤrde, wenn sie ploͤtzlich gereizt aufspraͤnge. An der ganzen Art der Ruhe verraͤth sich, wie wohl ihr das Saͤugen thut; sie liegt so bequem in ihrem weiten gleißenden Felle. Rubens regellose Zeichnung ist fuͤr diese unbestimmteren Formen wie geschaffen. Ein strengerer Umriß wuͤrde den Charakter der behendesten Geschmeidigkeit verdunkeln, der eben darin liegt, daß das Fell uͤber die gewaltigen Muskeln nicht straff gespannt ist. Auch ließen die Streifen und Flecke des farbigen Pelzes der Willkuͤhr seines Meisterpinsels freyen Spielraum, und er war dabey nicht in Gefahr, das Kolorit zu uͤberladen. Vielleicht ist ihm daher nichts so gelungen, als die Darstellung der großen Raubthiere. Ueberhaupt verraͤth er viel Sinn und Liebhaberey fuͤr das Wilde: er bringt es auch da an, wo es nicht hingehoͤrt, oder nur als dichterische Lizenz entschuldigt werden kann. Seine praͤchtigen Pferde scheinen oft Loͤwenseelen zu haben, und es waͤre nur zu wuͤnschen, daß man eben das von seinen Goͤttern ruͤhmen duͤrfte. Andre Male laͤßt er uns Schauspiele des Roͤmischen Circus sehen; hier hat er sich gemaͤßigt und die Wildheit in der friedlichsten Lage leise

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0117" n="109"/>
am rechten sieht man die weichgefu&#x0364;tterte Tatze, womit sie unho&#x0364;rbar und desto schrecklicher auf den Raub schleicht. Die Vorderpfoten sind u&#x0364;bereinander geschlagen, mit der unteren quetscht sie einen Zweig mit einigen Trauben: auch sie ist bey der schwelgerischen Ernte nicht leer ausgegangen. Der Kopf lauscht u&#x0364;ber die Vorderbeine hin mit behaglich zugedru&#x0364;ckten Augen, worin man doch die Wuth entdeckt, die daraus hervorblitzen wu&#x0364;rde, wenn sie plo&#x0364;tzlich gereizt aufspra&#x0364;nge. An der ganzen Art der Ruhe verra&#x0364;th sich, wie wohl ihr das Sa&#x0364;ugen thut; sie liegt so bequem in ihrem weiten gleißenden Felle. Rubens regellose Zeichnung ist fu&#x0364;r diese unbestimmteren Formen wie geschaffen. Ein strengerer Umriß wu&#x0364;rde den Charakter der behendesten Geschmeidigkeit verdunkeln, der eben darin liegt, daß das Fell u&#x0364;ber die gewaltigen Muskeln nicht straff gespannt ist. Auch ließen die Streifen und Flecke des farbigen Pelzes der Willku&#x0364;hr seines Meisterpinsels freyen Spielraum, und er war dabey nicht in Gefahr, das Kolorit zu u&#x0364;berladen. Vielleicht ist ihm daher nichts so gelungen, als die Darstellung der großen Raubthiere. Ueberhaupt verra&#x0364;th er viel Sinn und Liebhaberey fu&#x0364;r das Wilde: er bringt es auch da an, wo es nicht hingeho&#x0364;rt, oder nur als dichterische Lizenz entschuldigt werden kann. Seine pra&#x0364;chtigen Pferde scheinen oft Lo&#x0364;wenseelen zu haben, und es wa&#x0364;re nur zu wu&#x0364;nschen, daß man eben das von seinen Go&#x0364;ttern ru&#x0364;hmen du&#x0364;rfte. Andre Male la&#x0364;ßt er uns Schauspiele des Ro&#x0364;mischen Circus sehen; hier hat er sich gema&#x0364;ßigt und die Wildheit in der friedlichsten Lage leise
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0117] am rechten sieht man die weichgefuͤtterte Tatze, womit sie unhoͤrbar und desto schrecklicher auf den Raub schleicht. Die Vorderpfoten sind uͤbereinander geschlagen, mit der unteren quetscht sie einen Zweig mit einigen Trauben: auch sie ist bey der schwelgerischen Ernte nicht leer ausgegangen. Der Kopf lauscht uͤber die Vorderbeine hin mit behaglich zugedruͤckten Augen, worin man doch die Wuth entdeckt, die daraus hervorblitzen wuͤrde, wenn sie ploͤtzlich gereizt aufspraͤnge. An der ganzen Art der Ruhe verraͤth sich, wie wohl ihr das Saͤugen thut; sie liegt so bequem in ihrem weiten gleißenden Felle. Rubens regellose Zeichnung ist fuͤr diese unbestimmteren Formen wie geschaffen. Ein strengerer Umriß wuͤrde den Charakter der behendesten Geschmeidigkeit verdunkeln, der eben darin liegt, daß das Fell uͤber die gewaltigen Muskeln nicht straff gespannt ist. Auch ließen die Streifen und Flecke des farbigen Pelzes der Willkuͤhr seines Meisterpinsels freyen Spielraum, und er war dabey nicht in Gefahr, das Kolorit zu uͤberladen. Vielleicht ist ihm daher nichts so gelungen, als die Darstellung der großen Raubthiere. Ueberhaupt verraͤth er viel Sinn und Liebhaberey fuͤr das Wilde: er bringt es auch da an, wo es nicht hingehoͤrt, oder nur als dichterische Lizenz entschuldigt werden kann. Seine praͤchtigen Pferde scheinen oft Loͤwenseelen zu haben, und es waͤre nur zu wuͤnschen, daß man eben das von seinen Goͤttern ruͤhmen duͤrfte. Andre Male laͤßt er uns Schauspiele des Roͤmischen Circus sehen; hier hat er sich gemaͤßigt und die Wildheit in der friedlichsten Lage leise

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/117
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/117>, abgerufen am 30.11.2024.