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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Louise. Lassen Sie nur. Genug, wenn es Sie erinnert. Jch finde es oft erst in der Erinnerung, was denn eigentlich die Wirkung hervorbringt. Sehen Sie, selbst daß die bloßen Füße auf die Wolken treten, und kein Gewand sie versteckt, ist nicht umsonst: man sieht die Gestalt bestimmter und sie erscheint menschlicher.

Waller. Nach meiner Ansicht auch majestätischer.

Louise. Ja, eben weil es eine so reine Erscheinung ist, die nicht Menschen mit dem, was nach ihrer Meynung Ehrfurcht auflegt, ausgeschmückt haben, sondern die in ihrer eignen Natur dasteht. Denken Sie nun, wie groß sie das Kind auf dem Schleyer trägt, so daß es oberhalb frey bleibt und nur die Enden unter ihm zusammen genommen sind. Sie faßt mit der Rechten unter seinen rechten Arm, die Linke unterstützt das rechte Bein, das über das andre hinüber geschlagen ist und an welches die Linke des Kindes greift, nicht spielend wie Kinder thun, sondern in der Ruhe welche vollbracht hat. Es sitzt nach vorn gewendet und scheint nichts zu wollen, aber was es einst wird wollen können, ist unermeßlich, oder vielmehr was es gewollt hat: denn alles ist bereits geschehn, und es zeigt sich nur auf dem Arm der Mutter der Erde so wieder, wie es sie zuerst betrat. Die Formen sind die eines Kindes, der Kopf von breiter Rundung, die Glieder stark und voll, nicht von zarter Gattung, aber Auge und Mund beherrschen die Welt. Der Mund ist besonders ernst, sehr geschweift, beyde Enden der Lippen ziehen sich herunter. Dieser fremde Zug an einem Kinde giebt

Louise. Lassen Sie nur. Genug, wenn es Sie erinnert. Jch finde es oft erst in der Erinnerung, was denn eigentlich die Wirkung hervorbringt. Sehen Sie, selbst daß die bloßen Fuͤße auf die Wolken treten, und kein Gewand sie versteckt, ist nicht umsonst: man sieht die Gestalt bestimmter und sie erscheint menschlicher.

Waller. Nach meiner Ansicht auch majestaͤtischer.

Louise. Ja, eben weil es eine so reine Erscheinung ist, die nicht Menschen mit dem, was nach ihrer Meynung Ehrfurcht auflegt, ausgeschmuͤckt haben, sondern die in ihrer eignen Natur dasteht. Denken Sie nun, wie groß sie das Kind auf dem Schleyer traͤgt, so daß es oberhalb frey bleibt und nur die Enden unter ihm zusammen genommen sind. Sie faßt mit der Rechten unter seinen rechten Arm, die Linke unterstuͤtzt das rechte Bein, das uͤber das andre hinuͤber geschlagen ist und an welches die Linke des Kindes greift, nicht spielend wie Kinder thun, sondern in der Ruhe welche vollbracht hat. Es sitzt nach vorn gewendet und scheint nichts zu wollen, aber was es einst wird wollen koͤnnen, ist unermeßlich, oder vielmehr was es gewollt hat: denn alles ist bereits geschehn, und es zeigt sich nur auf dem Arm der Mutter der Erde so wieder, wie es sie zuerst betrat. Die Formen sind die eines Kindes, der Kopf von breiter Rundung, die Glieder stark und voll, nicht von zarter Gattung, aber Auge und Mund beherrschen die Welt. Der Mund ist besonders ernst, sehr geschweift, beyde Enden der Lippen ziehen sich herunter. Dieser fremde Zug an einem Kinde giebt

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[128/0136] Louise. Lassen Sie nur. Genug, wenn es Sie erinnert. Jch finde es oft erst in der Erinnerung, was denn eigentlich die Wirkung hervorbringt. Sehen Sie, selbst daß die bloßen Fuͤße auf die Wolken treten, und kein Gewand sie versteckt, ist nicht umsonst: man sieht die Gestalt bestimmter und sie erscheint menschlicher. Waller. Nach meiner Ansicht auch majestaͤtischer. Louise. Ja, eben weil es eine so reine Erscheinung ist, die nicht Menschen mit dem, was nach ihrer Meynung Ehrfurcht auflegt, ausgeschmuͤckt haben, sondern die in ihrer eignen Natur dasteht. Denken Sie nun, wie groß sie das Kind auf dem Schleyer traͤgt, so daß es oberhalb frey bleibt und nur die Enden unter ihm zusammen genommen sind. Sie faßt mit der Rechten unter seinen rechten Arm, die Linke unterstuͤtzt das rechte Bein, das uͤber das andre hinuͤber geschlagen ist und an welches die Linke des Kindes greift, nicht spielend wie Kinder thun, sondern in der Ruhe welche vollbracht hat. Es sitzt nach vorn gewendet und scheint nichts zu wollen, aber was es einst wird wollen koͤnnen, ist unermeßlich, oder vielmehr was es gewollt hat: denn alles ist bereits geschehn, und es zeigt sich nur auf dem Arm der Mutter der Erde so wieder, wie es sie zuerst betrat. Die Formen sind die eines Kindes, der Kopf von breiter Rundung, die Glieder stark und voll, nicht von zarter Gattung, aber Auge und Mund beherrschen die Welt. Der Mund ist besonders ernst, sehr geschweift, beyde Enden der Lippen ziehen sich herunter. Dieser fremde Zug an einem Kinde giebt

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/136>, abgerufen am 28.11.2024.