Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

vollbracht, und wenn ich Sie nicht mit einem Vorschlage unterbreche, fangen Sie ihn von neuem an. Sie sind unvermerkt in einen solchen Strom der Schilderung hineingerathen, daß Sie nichts weiter zu thun haben, als das Gesagte zu Hause niederzuschreiben, damit Jhre Schwester den Raphael nicht vermisse.

Louise. Wenn es mir nur unter der Feder nicht wieder erkaltet.

Waller. Jch habe für mein Theil darauf gesonnen, ihm auf eine andere Weise beyzukommen.

Louise. So? Da ist gewiß etwas von Poesie dabey: mir däucht, Sie spielten vorhin darauf an.

Waller. Das Verhältniß der bildenden Künste zur Poesie hat mich oft beschäftigt. Sie entlehnen Jdeen von ihr, um sich über die nähere Wirklichkeit wegzuschwingen, und legen dagegen der umherschweifenden Einbildungskraft bestimmte Erscheinungen unter. Ohne gegenseitigen Einfluß würden sie alltäglich und knechtisch, und die Poesie zu einem unkörperlichen Fantom werden.

Louise. Was sie bey manchen Dichtern und manchen Lesern schon allzusehr ist.

Waller. Gut, sie soll immer Führerin der bildenden Künste seyn, die ihr wieder als Dollmetscherinnen dienen müssen. Nun sind uns aber die Gegenstände, welche der modernen Mahlerey in ihrem großen Zeitalter und auch nachher angewiesen wurden, so fremd geworden, daß sie selbst der Poesie zu ihrer Dollmetscherin bedarf.

Louise. Allerdings haben die Protestanten im

vollbracht, und wenn ich Sie nicht mit einem Vorschlage unterbreche, fangen Sie ihn von neuem an. Sie sind unvermerkt in einen solchen Strom der Schilderung hineingerathen, daß Sie nichts weiter zu thun haben, als das Gesagte zu Hause niederzuschreiben, damit Jhre Schwester den Raphael nicht vermisse.

Louise. Wenn es mir nur unter der Feder nicht wieder erkaltet.

Waller. Jch habe fuͤr mein Theil darauf gesonnen, ihm auf eine andere Weise beyzukommen.

Louise. So? Da ist gewiß etwas von Poesie dabey: mir daͤucht, Sie spielten vorhin darauf an.

Waller. Das Verhaͤltniß der bildenden Kuͤnste zur Poesie hat mich oft beschaͤftigt. Sie entlehnen Jdeen von ihr, um sich uͤber die naͤhere Wirklichkeit wegzuschwingen, und legen dagegen der umherschweifenden Einbildungskraft bestimmte Erscheinungen unter. Ohne gegenseitigen Einfluß wuͤrden sie alltaͤglich und knechtisch, und die Poesie zu einem unkoͤrperlichen Fantom werden.

Louise. Was sie bey manchen Dichtern und manchen Lesern schon allzusehr ist.

Waller. Gut, sie soll immer Fuͤhrerin der bildenden Kuͤnste seyn, die ihr wieder als Dollmetscherinnen dienen muͤssen. Nun sind uns aber die Gegenstaͤnde, welche der modernen Mahlerey in ihrem großen Zeitalter und auch nachher angewiesen wurden, so fremd geworden, daß sie selbst der Poesie zu ihrer Dollmetscherin bedarf.

Louise. Allerdings haben die Protestanten im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0142" n="134"/>
vollbracht, und wenn ich Sie nicht mit einem Vorschlage unterbreche, fangen Sie ihn von neuem an. Sie sind unvermerkt in einen solchen Strom der Schilderung hineingerathen, daß Sie nichts weiter zu thun haben, als das Gesagte zu Hause niederzuschreiben, damit Jhre Schwester den Raphael nicht vermisse.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Wenn es mir nur unter der Feder nicht wieder erkaltet.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Jch habe fu&#x0364;r mein Theil darauf gesonnen, ihm auf eine andere Weise beyzukommen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. So? Da ist gewiß etwas von Poesie dabey: mir da&#x0364;ucht, Sie spielten vorhin darauf an.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Das Verha&#x0364;ltniß der bildenden Ku&#x0364;nste zur Poesie hat mich oft bescha&#x0364;ftigt. Sie entlehnen Jdeen von ihr, um sich u&#x0364;ber die na&#x0364;here Wirklichkeit wegzuschwingen, und legen dagegen der umherschweifenden Einbildungskraft bestimmte Erscheinungen unter. Ohne gegenseitigen Einfluß wu&#x0364;rden sie allta&#x0364;glich und knechtisch, und die Poesie zu einem unko&#x0364;rperlichen Fantom werden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Was sie bey manchen Dichtern und manchen Lesern schon allzusehr ist.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Gut, sie soll immer Fu&#x0364;hrerin der bildenden Ku&#x0364;nste seyn, die ihr wieder als Dollmetscherinnen dienen mu&#x0364;ssen. Nun sind uns aber die Gegensta&#x0364;nde, welche der modernen Mahlerey in ihrem großen Zeitalter und auch nachher angewiesen wurden, so fremd geworden, daß sie selbst der Poesie zu ihrer Dollmetscherin bedarf.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Allerdings haben die Protestanten im
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0142] vollbracht, und wenn ich Sie nicht mit einem Vorschlage unterbreche, fangen Sie ihn von neuem an. Sie sind unvermerkt in einen solchen Strom der Schilderung hineingerathen, daß Sie nichts weiter zu thun haben, als das Gesagte zu Hause niederzuschreiben, damit Jhre Schwester den Raphael nicht vermisse. Louise. Wenn es mir nur unter der Feder nicht wieder erkaltet. Waller. Jch habe fuͤr mein Theil darauf gesonnen, ihm auf eine andere Weise beyzukommen. Louise. So? Da ist gewiß etwas von Poesie dabey: mir daͤucht, Sie spielten vorhin darauf an. Waller. Das Verhaͤltniß der bildenden Kuͤnste zur Poesie hat mich oft beschaͤftigt. Sie entlehnen Jdeen von ihr, um sich uͤber die naͤhere Wirklichkeit wegzuschwingen, und legen dagegen der umherschweifenden Einbildungskraft bestimmte Erscheinungen unter. Ohne gegenseitigen Einfluß wuͤrden sie alltaͤglich und knechtisch, und die Poesie zu einem unkoͤrperlichen Fantom werden. Louise. Was sie bey manchen Dichtern und manchen Lesern schon allzusehr ist. Waller. Gut, sie soll immer Fuͤhrerin der bildenden Kuͤnste seyn, die ihr wieder als Dollmetscherinnen dienen muͤssen. Nun sind uns aber die Gegenstaͤnde, welche der modernen Mahlerey in ihrem großen Zeitalter und auch nachher angewiesen wurden, so fremd geworden, daß sie selbst der Poesie zu ihrer Dollmetscherin bedarf. Louise. Allerdings haben die Protestanten im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/142
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/142>, abgerufen am 28.11.2024.