Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

ursprünglichen Verhältnisse ihres Daseyns durch die Verknüpfung in der Natur, die ihres Geistes Anschauung und Wahrheit ist. Jch kenne nichts Größeres und Erhabneres als diese Bedeutung der Natur. Es grünet kein Zweig, und blühet kein Halm, sie sind der liebende Wink, daß in ihrem Lichte unsre Blicke sich begegnen und unsre Geister sich erkennen sollen. Darum bleibet in ihnen unsre Bestimmung auch ewig, und es ruht in ihren Keimen ein unvergängliches Grün und eine ewige Blüthe. Wohin wir nur blikken ist Berührung des Menschen in jeder Bildung und in jedem Regen und Leben der wandelnden Gestalten. Aber es ist nur Berührung durch das freye Anschauen unsers Geistes in der Natur, d. i. durch ihre Bildung in freyen Zeichen und Worten. So haben die Menschen sich gefunden, und finden wir uns noch immer zu einer innigern Gemeinschaft. Denn das Wort ist Vorstellung unsers schönen Verhältnisses in einer freyen Beziehung, und so rufen wir uns zu in jedem Laute der Sylben: Du bist mein Wesen, wie ich bin das Deine.

Diese Wahrheit ist Ausdruck unsers ganzen thätigen Lebens, in welcher Beziehung wir dasselbe auch denken mögen. Sie soll nur gesehen werden, und wir können nicht anders, als jeden Zweifel lösen, und Friede und Harmonie in das verworrene Schauspiel des Lebens bringen. Jch kenne in dieser Rücksicht keine größere Täuschung, als die Vorzüge, die wir den Menschen durch den bloßen Gedanken einräumen. Wir vergessen den thätigen und wirklichen Menschen, und

urspruͤnglichen Verhaͤltnisse ihres Daseyns durch die Verknuͤpfung in der Natur, die ihres Geistes Anschauung und Wahrheit ist. Jch kenne nichts Groͤßeres und Erhabneres als diese Bedeutung der Natur. Es gruͤnet kein Zweig, und bluͤhet kein Halm, sie sind der liebende Wink, daß in ihrem Lichte unsre Blicke sich begegnen und unsre Geister sich erkennen sollen. Darum bleibet in ihnen unsre Bestimmung auch ewig, und es ruht in ihren Keimen ein unvergaͤngliches Gruͤn und eine ewige Bluͤthe. Wohin wir nur blikken ist Beruͤhrung des Menschen in jeder Bildung und in jedem Regen und Leben der wandelnden Gestalten. Aber es ist nur Beruͤhrung durch das freye Anschauen unsers Geistes in der Natur, d. i. durch ihre Bildung in freyen Zeichen und Worten. So haben die Menschen sich gefunden, und finden wir uns noch immer zu einer innigern Gemeinschaft. Denn das Wort ist Vorstellung unsers schoͤnen Verhaͤltnisses in einer freyen Beziehung, und so rufen wir uns zu in jedem Laute der Sylben: Du bist mein Wesen, wie ich bin das Deine.

Diese Wahrheit ist Ausdruck unsers ganzen thaͤtigen Lebens, in welcher Beziehung wir dasselbe auch denken moͤgen. Sie soll nur gesehen werden, und wir koͤnnen nicht anders, als jeden Zweifel loͤsen, und Friede und Harmonie in das verworrene Schauspiel des Lebens bringen. Jch kenne in dieser Ruͤcksicht keine groͤßere Taͤuschung, als die Vorzuͤge, die wir den Menschen durch den bloßen Gedanken einraͤumen. Wir vergessen den thaͤtigen und wirklichen Menschen, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="176"/>
urspru&#x0364;nglichen Verha&#x0364;ltnisse ihres Daseyns durch die Verknu&#x0364;pfung in der Natur, die ihres Geistes Anschauung und Wahrheit ist. Jch kenne nichts Gro&#x0364;ßeres und Erhabneres als diese Bedeutung der Natur. Es gru&#x0364;net kein Zweig, und blu&#x0364;het kein Halm, sie sind der liebende Wink, daß in ihrem Lichte unsre Blicke sich begegnen und unsre Geister sich erkennen sollen. Darum bleibet in ihnen unsre Bestimmung auch ewig, und es ruht in ihren Keimen ein unverga&#x0364;ngliches Gru&#x0364;n und eine ewige Blu&#x0364;the. Wohin wir nur blikken ist Beru&#x0364;hrung des Menschen in jeder Bildung und in jedem Regen und Leben der wandelnden Gestalten. Aber es ist nur Beru&#x0364;hrung durch das freye Anschauen unsers Geistes in der Natur, d. i. durch ihre Bildung in freyen Zeichen und Worten. So haben die Menschen sich gefunden, und finden wir uns noch immer zu einer innigern Gemeinschaft. Denn das Wort ist Vorstellung unsers scho&#x0364;nen Verha&#x0364;ltnisses in einer freyen Beziehung, und so rufen wir uns zu in jedem Laute der Sylben: Du bist mein Wesen, wie ich bin das Deine.</p><lb/>
          <p>Diese Wahrheit ist Ausdruck unsers ganzen tha&#x0364;tigen Lebens, in welcher Beziehung wir dasselbe auch denken mo&#x0364;gen. Sie soll nur gesehen werden, und wir ko&#x0364;nnen nicht anders, als jeden Zweifel lo&#x0364;sen, und Friede und Harmonie in das verworrene Schauspiel des Lebens bringen. Jch kenne in dieser Ru&#x0364;cksicht keine gro&#x0364;ßere Ta&#x0364;uschung, als die Vorzu&#x0364;ge, die wir den Menschen durch den bloßen Gedanken einra&#x0364;umen. Wir vergessen den tha&#x0364;tigen und wirklichen Menschen, und
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0184] urspruͤnglichen Verhaͤltnisse ihres Daseyns durch die Verknuͤpfung in der Natur, die ihres Geistes Anschauung und Wahrheit ist. Jch kenne nichts Groͤßeres und Erhabneres als diese Bedeutung der Natur. Es gruͤnet kein Zweig, und bluͤhet kein Halm, sie sind der liebende Wink, daß in ihrem Lichte unsre Blicke sich begegnen und unsre Geister sich erkennen sollen. Darum bleibet in ihnen unsre Bestimmung auch ewig, und es ruht in ihren Keimen ein unvergaͤngliches Gruͤn und eine ewige Bluͤthe. Wohin wir nur blikken ist Beruͤhrung des Menschen in jeder Bildung und in jedem Regen und Leben der wandelnden Gestalten. Aber es ist nur Beruͤhrung durch das freye Anschauen unsers Geistes in der Natur, d. i. durch ihre Bildung in freyen Zeichen und Worten. So haben die Menschen sich gefunden, und finden wir uns noch immer zu einer innigern Gemeinschaft. Denn das Wort ist Vorstellung unsers schoͤnen Verhaͤltnisses in einer freyen Beziehung, und so rufen wir uns zu in jedem Laute der Sylben: Du bist mein Wesen, wie ich bin das Deine. Diese Wahrheit ist Ausdruck unsers ganzen thaͤtigen Lebens, in welcher Beziehung wir dasselbe auch denken moͤgen. Sie soll nur gesehen werden, und wir koͤnnen nicht anders, als jeden Zweifel loͤsen, und Friede und Harmonie in das verworrene Schauspiel des Lebens bringen. Jch kenne in dieser Ruͤcksicht keine groͤßere Taͤuschung, als die Vorzuͤge, die wir den Menschen durch den bloßen Gedanken einraͤumen. Wir vergessen den thaͤtigen und wirklichen Menschen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/184
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/184>, abgerufen am 18.05.2024.