Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

haben. Wir können uns allenfalls begnügen, wenn unsre Fantasie die Rhapsodien des Alten mit solchen Bildern begleitet, wie sie einem gebildeten Griechen aus den Zeiten der blühenden Kunst dabey gegenwärtig waren. Dahin streben nun grade Flaxmans Umrisse. Für den, welcher den Homer immer nur als begeisterten Natursohn, als Barden wilder Völkerstämme fühlt, könnten sie ein gutes Gegenmittel seyn, ihn auch einmal an die unnachahmliche Schönheit, Ausbildung und Harmonie seines Epos zu erinnern. Ein vollendeter Styl der Poesie kann nur durch einen eben so vollendeten Styl der bildenden Kunst ausgedrückt werden. -- Wie übrigens in Homers Zeitalter der Zustand der mechanischen Künste, und die ersten Versuche in schönen Künsten beschaffen gewesen, hat man wohl noch nicht gehörig durch Ausscheidung des Historischen in seinen Beschreibungen ausgemacht. Man würde dabey auf Punkte treffen, wo die Frage sehr verwickelt aber wichtig wird: ob die Dichtung Anlässe von der Wirklichkeit genommen oder ihr ganz und gar vorausgeeilt? Daß bey solcher Rohheit in vielen Stücken, bey der Eingeschränktheit der Bedürfnisse, ein so großer Nachdruck auf Zierlichkeit in Weberey, Metallarbeittn u. s. w. gelegt wird, ist ein charakteristischer Zug, der dahin deutet, daß aus Homers Achäern Hellenen werden sollten. Auch von körperlicher Schönheit ist viel die Rede, schon regen sich die Anfänge der Gymnastik, und es ist nicht zu übersehen, daß Achilles, der stärkste unter allen aufgeführten Helden, der schnellfüßige heißt.

haben. Wir koͤnnen uns allenfalls begnuͤgen, wenn unsre Fantasie die Rhapsodien des Alten mit solchen Bildern begleitet, wie sie einem gebildeten Griechen aus den Zeiten der bluͤhenden Kunst dabey gegenwaͤrtig waren. Dahin streben nun grade Flaxmans Umrisse. Fuͤr den, welcher den Homer immer nur als begeisterten Natursohn, als Barden wilder Voͤlkerstaͤmme fuͤhlt, koͤnnten sie ein gutes Gegenmittel seyn, ihn auch einmal an die unnachahmliche Schoͤnheit, Ausbildung und Harmonie seines Epos zu erinnern. Ein vollendeter Styl der Poesie kann nur durch einen eben so vollendeten Styl der bildenden Kunst ausgedruͤckt werden. — Wie uͤbrigens in Homers Zeitalter der Zustand der mechanischen Kuͤnste, und die ersten Versuche in schoͤnen Kuͤnsten beschaffen gewesen, hat man wohl noch nicht gehoͤrig durch Ausscheidung des Historischen in seinen Beschreibungen ausgemacht. Man wuͤrde dabey auf Punkte treffen, wo die Frage sehr verwickelt aber wichtig wird: ob die Dichtung Anlaͤsse von der Wirklichkeit genommen oder ihr ganz und gar vorausgeeilt? Daß bey solcher Rohheit in vielen Stuͤcken, bey der Eingeschraͤnktheit der Beduͤrfnisse, ein so großer Nachdruck auf Zierlichkeit in Weberey, Metallarbeittn u. s. w. gelegt wird, ist ein charakteristischer Zug, der dahin deutet, daß aus Homers Achaͤern Hellenen werden sollten. Auch von koͤrperlicher Schoͤnheit ist viel die Rede, schon regen sich die Anfaͤnge der Gymnastik, und es ist nicht zu uͤbersehen, daß Achilles, der staͤrkste unter allen aufgefuͤhrten Helden, der schnellfuͤßige heißt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0241" n="231"/>
haben. Wir ko&#x0364;nnen uns allenfalls begnu&#x0364;gen, wenn unsre Fantasie die Rhapsodien des Alten mit solchen Bildern begleitet, wie sie einem gebildeten Griechen aus den Zeiten der blu&#x0364;henden Kunst dabey gegenwa&#x0364;rtig waren. Dahin streben nun grade Flaxmans Umrisse. Fu&#x0364;r den, welcher den Homer immer nur als begeisterten Natursohn, als Barden wilder Vo&#x0364;lkersta&#x0364;mme fu&#x0364;hlt, ko&#x0364;nnten sie ein gutes Gegenmittel seyn, ihn auch einmal an die unnachahmliche Scho&#x0364;nheit, Ausbildung und Harmonie seines Epos zu erinnern. Ein vollendeter Styl der Poesie kann nur durch einen eben so vollendeten Styl der bildenden Kunst ausgedru&#x0364;ckt werden. &#x2014; Wie u&#x0364;brigens in Homers Zeitalter der Zustand der mechanischen Ku&#x0364;nste, und die ersten Versuche in scho&#x0364;nen Ku&#x0364;nsten beschaffen gewesen, hat man wohl noch nicht geho&#x0364;rig durch Ausscheidung des Historischen in seinen Beschreibungen ausgemacht. Man wu&#x0364;rde dabey auf Punkte treffen, wo die Frage sehr verwickelt aber wichtig wird: ob die Dichtung Anla&#x0364;sse von der Wirklichkeit genommen oder ihr ganz und gar vorausgeeilt? Daß bey solcher Rohheit in vielen Stu&#x0364;cken, bey der Eingeschra&#x0364;nktheit der Bedu&#x0364;rfnisse, ein so großer Nachdruck auf Zierlichkeit in Weberey, Metallarbeittn u. s. w. gelegt wird, ist ein charakteristischer Zug, der dahin deutet, daß aus Homers Acha&#x0364;ern Hellenen werden sollten. Auch von ko&#x0364;rperlicher Scho&#x0364;nheit ist viel die Rede, schon regen sich die Anfa&#x0364;nge der Gymnastik, und es ist nicht zu u&#x0364;bersehen, daß Achilles, der sta&#x0364;rkste unter allen aufgefu&#x0364;hrten Helden, der schnellfu&#x0364;ßige heißt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0241] haben. Wir koͤnnen uns allenfalls begnuͤgen, wenn unsre Fantasie die Rhapsodien des Alten mit solchen Bildern begleitet, wie sie einem gebildeten Griechen aus den Zeiten der bluͤhenden Kunst dabey gegenwaͤrtig waren. Dahin streben nun grade Flaxmans Umrisse. Fuͤr den, welcher den Homer immer nur als begeisterten Natursohn, als Barden wilder Voͤlkerstaͤmme fuͤhlt, koͤnnten sie ein gutes Gegenmittel seyn, ihn auch einmal an die unnachahmliche Schoͤnheit, Ausbildung und Harmonie seines Epos zu erinnern. Ein vollendeter Styl der Poesie kann nur durch einen eben so vollendeten Styl der bildenden Kunst ausgedruͤckt werden. — Wie uͤbrigens in Homers Zeitalter der Zustand der mechanischen Kuͤnste, und die ersten Versuche in schoͤnen Kuͤnsten beschaffen gewesen, hat man wohl noch nicht gehoͤrig durch Ausscheidung des Historischen in seinen Beschreibungen ausgemacht. Man wuͤrde dabey auf Punkte treffen, wo die Frage sehr verwickelt aber wichtig wird: ob die Dichtung Anlaͤsse von der Wirklichkeit genommen oder ihr ganz und gar vorausgeeilt? Daß bey solcher Rohheit in vielen Stuͤcken, bey der Eingeschraͤnktheit der Beduͤrfnisse, ein so großer Nachdruck auf Zierlichkeit in Weberey, Metallarbeittn u. s. w. gelegt wird, ist ein charakteristischer Zug, der dahin deutet, daß aus Homers Achaͤern Hellenen werden sollten. Auch von koͤrperlicher Schoͤnheit ist viel die Rede, schon regen sich die Anfaͤnge der Gymnastik, und es ist nicht zu uͤbersehen, daß Achilles, der staͤrkste unter allen aufgefuͤhrten Helden, der schnellfuͤßige heißt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/241
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/241>, abgerufen am 18.05.2024.