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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Jn dem eben erwähnten Aufsatze wird die Bemerkung gemacht, daß die Nationen nicht so verschieden von einander sind, als es oft der Charakter beyder Geschlechter in der nämlichen Nation seyn kann, wie z. B. die Engländerin von dem Engländer, und, wir müssen hinzusetzen, die Engländerin von der Engländerin. Davon zeugt das Leben der bekannten Mary Wollstonecraft, von ihrem Freunde, nachherigem Gatten William Goodwin beschrieben. Woher hat sie doch ihren Charakter, ihre Vorurtheilslosigkeit genommen? Sie ist weit merkwürdiger dadurch als durch ihre Schriften, die keineswegs über die Englische Bildung hinausgehn und zum Theil einen etwas steifen Zuschnitt haben. Wie viel Beharrlichkeit, Jnnigkeit und edler Kampf mit dem Unglück! Die Freyheit ihres Geistes konnte sie nicht über das häufige Loos ihres Geschlechtes hinwegführen, sie wurde von dem Mann gefühllos verlassen, dem sie sich anvertraut hatte, und ihr Herz brach darüber. Jhr Geschichtschreiber schildert ihr Aeußeres sanft und anmuthig, und wenn das Bildniß, das vor der Deutschen Uebersetzung steht, ihr glich, so müssen wir ihm glauben. Freylich verändert es die Sache erstaunlich, ob die Vertheidigerin der Frauenrechte ein widerwärtiges Mannweib war, für welches schon die Natur auf das schönste aller Rechte Verzicht geleistet hatte, oder ob ein zartes liebendes Wesen kühn die Foderungen der Vernunft geltend machte. Was den Grund und Boden der gewöhnlichen Weiblichkeit ausmacht, das war bey dieser selbständigen Frau gleichsam die letzte Hand

Jn dem eben erwaͤhnten Aufsatze wird die Bemerkung gemacht, daß die Nationen nicht so verschieden von einander sind, als es oft der Charakter beyder Geschlechter in der naͤmlichen Nation seyn kann, wie z. B. die Englaͤnderin von dem Englaͤnder, und, wir muͤssen hinzusetzen, die Englaͤnderin von der Englaͤnderin. Davon zeugt das Leben der bekannten Mary Wollstonecraft, von ihrem Freunde, nachherigem Gatten William Goodwin beschrieben. Woher hat sie doch ihren Charakter, ihre Vorurtheilslosigkeit genommen? Sie ist weit merkwuͤrdiger dadurch als durch ihre Schriften, die keineswegs uͤber die Englische Bildung hinausgehn und zum Theil einen etwas steifen Zuschnitt haben. Wie viel Beharrlichkeit, Jnnigkeit und edler Kampf mit dem Ungluͤck! Die Freyheit ihres Geistes konnte sie nicht uͤber das haͤufige Loos ihres Geschlechtes hinwegfuͤhren, sie wurde von dem Mann gefuͤhllos verlassen, dem sie sich anvertraut hatte, und ihr Herz brach daruͤber. Jhr Geschichtschreiber schildert ihr Aeußeres sanft und anmuthig, und wenn das Bildniß, das vor der Deutschen Uebersetzung steht, ihr glich, so muͤssen wir ihm glauben. Freylich veraͤndert es die Sache erstaunlich, ob die Vertheidigerin der Frauenrechte ein widerwaͤrtiges Mannweib war, fuͤr welches schon die Natur auf das schoͤnste aller Rechte Verzicht geleistet hatte, oder ob ein zartes liebendes Wesen kuͤhn die Foderungen der Vernunft geltend machte. Was den Grund und Boden der gewoͤhnlichen Weiblichkeit ausmacht, das war bey dieser selbstaͤndigen Frau gleichsam die letzte Hand

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[312/0322] Jn dem eben erwaͤhnten Aufsatze wird die Bemerkung gemacht, daß die Nationen nicht so verschieden von einander sind, als es oft der Charakter beyder Geschlechter in der naͤmlichen Nation seyn kann, wie z. B. die Englaͤnderin von dem Englaͤnder, und, wir muͤssen hinzusetzen, die Englaͤnderin von der Englaͤnderin. Davon zeugt das Leben der bekannten Mary Wollstonecraft, von ihrem Freunde, nachherigem Gatten William Goodwin beschrieben. Woher hat sie doch ihren Charakter, ihre Vorurtheilslosigkeit genommen? Sie ist weit merkwuͤrdiger dadurch als durch ihre Schriften, die keineswegs uͤber die Englische Bildung hinausgehn und zum Theil einen etwas steifen Zuschnitt haben. Wie viel Beharrlichkeit, Jnnigkeit und edler Kampf mit dem Ungluͤck! Die Freyheit ihres Geistes konnte sie nicht uͤber das haͤufige Loos ihres Geschlechtes hinwegfuͤhren, sie wurde von dem Mann gefuͤhllos verlassen, dem sie sich anvertraut hatte, und ihr Herz brach daruͤber. Jhr Geschichtschreiber schildert ihr Aeußeres sanft und anmuthig, und wenn das Bildniß, das vor der Deutschen Uebersetzung steht, ihr glich, so muͤssen wir ihm glauben. Freylich veraͤndert es die Sache erstaunlich, ob die Vertheidigerin der Frauenrechte ein widerwaͤrtiges Mannweib war, fuͤr welches schon die Natur auf das schoͤnste aller Rechte Verzicht geleistet hatte, oder ob ein zartes liebendes Wesen kuͤhn die Foderungen der Vernunft geltend machte. Was den Grund und Boden der gewoͤhnlichen Weiblichkeit ausmacht, das war bey dieser selbstaͤndigen Frau gleichsam die letzte Hand

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/322>, abgerufen am 25.11.2024.