Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.selbst nach Voltaire's toleranter Erklärung; denn sie ist langweilig. Ueberhaupt bleibt es dabey: Margot war die erste Liebe, und diese fühlt man nur Einmal. Aus einem Briefe von Paris über Kotzebue's Menschenhaß und Reue. -- "Seit einigen Wochen weint man hier, daß die Leinwand theuer werden möchte, und rathen Sie worüber? -- Nichts als unsre alten ci-devant Thränen über Menschenhaß und Reue. Es wurde manches sehr gut gespielt, aber Eulaliens Rolle nicht zur Hälfte so edel und schön wie bisweilen von der Unzelmann. Das Aergste waren die heftigen Convulsionen, die mir ordentlich medicinisch merkwürdig schienen. Die Franzosen, denen eine solche Reue ganz unbegreiflich vorkommt, glauben bonnement, der weibliche Körper müsse dadurch wohl aus seinen Angeln gehoben werden, und so applaudiren sie unbändig; wie denn das Stück überhaupt einen ganz ekelhaften Beyfall erhalten hat. Von einem einzigen jungen Menschen hörte ich die sehr gesunde Kritik: Cependant je prefererois toujours une femme innocente a une femme convulsivement vertueuse. Zum Beweis, wie wenig das Costum hier immer vortrefflich ist, will ich Jhnen nur anführen, daß der Menschenfeind schwarze Beinkleider, Stiefeln mit doppelten schwarzen Aufklappen, eine ganz lange scharlachene Weste, und einen altmodischen blauen selbst nach Voltaire's toleranter Erklaͤrung; denn sie ist langweilig. Ueberhaupt bleibt es dabey: Margot war die erste Liebe, und diese fuͤhlt man nur Einmal. Aus einem Briefe von Paris uͤber Kotzebue's Menschenhaß und Reue. — “Seit einigen Wochen weint man hier, daß die Leinwand theuer werden moͤchte, und rathen Sie woruͤber? — Nichts als unsre alten ci-devant Thraͤnen uͤber Menschenhaß und Reue. Es wurde manches sehr gut gespielt, aber Eulaliens Rolle nicht zur Haͤlfte so edel und schoͤn wie bisweilen von der Unzelmann. Das Aergste waren die heftigen Convulsionen, die mir ordentlich medicinisch merkwuͤrdig schienen. Die Franzosen, denen eine solche Reue ganz unbegreiflich vorkommt, glauben bonnement, der weibliche Koͤrper muͤsse dadurch wohl aus seinen Angeln gehoben werden, und so applaudiren sie unbaͤndig; wie denn das Stuͤck uͤberhaupt einen ganz ekelhaften Beyfall erhalten hat. Von einem einzigen jungen Menschen hoͤrte ich die sehr gesunde Kritik: Cependant je préférerois toujours une femme innocente à une femme convulsivement vertueuse. Zum Beweis, wie wenig das Costum hier immer vortrefflich ist, will ich Jhnen nur anfuͤhren, daß der Menschenfeind schwarze Beinkleider, Stiefeln mit doppelten schwarzen Aufklappen, eine ganz lange scharlachene Weste, und einen altmodischen blauen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0331" n="321"/> selbst nach Voltaire's toleranter Erklaͤrung; denn sie ist langweilig. Ueberhaupt bleibt es dabey: Margot war die erste Liebe, und diese fuͤhlt man nur Einmal.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p><hi rendition="#g">Aus einem Briefe von Paris uͤber Kotzebue's Menschenhaß und Reue</hi>. — “Seit einigen Wochen weint man hier, daß die Leinwand theuer werden moͤchte, und rathen Sie woruͤber? — Nichts als unsre alten ci-devant Thraͤnen uͤber Menschenhaß und Reue. Es wurde manches sehr gut gespielt, aber Eulaliens Rolle nicht zur Haͤlfte so edel und schoͤn wie bisweilen von der Unzelmann. Das Aergste waren die heftigen Convulsionen, die mir ordentlich medicinisch merkwuͤrdig schienen. Die Franzosen, denen eine <hi rendition="#g">solche</hi> Reue ganz unbegreiflich vorkommt, glauben bonnement, der weibliche Koͤrper muͤsse dadurch wohl aus seinen Angeln gehoben werden, und so applaudiren sie unbaͤndig; wie denn das Stuͤck uͤberhaupt einen ganz ekelhaften Beyfall erhalten hat. Von einem einzigen jungen Menschen hoͤrte ich die sehr gesunde Kritik: Cependant je préférerois toujours une femme innocente à une femme convulsivement vertueuse.</p><lb/> <p>Zum Beweis, wie wenig das Costum hier immer vortrefflich ist, will ich Jhnen nur anfuͤhren, daß der Menschenfeind schwarze Beinkleider, Stiefeln mit doppelten schwarzen Aufklappen, eine ganz lange scharlachene Weste, und einen altmodischen blauen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [321/0331]
selbst nach Voltaire's toleranter Erklaͤrung; denn sie ist langweilig. Ueberhaupt bleibt es dabey: Margot war die erste Liebe, und diese fuͤhlt man nur Einmal.
Aus einem Briefe von Paris uͤber Kotzebue's Menschenhaß und Reue. — “Seit einigen Wochen weint man hier, daß die Leinwand theuer werden moͤchte, und rathen Sie woruͤber? — Nichts als unsre alten ci-devant Thraͤnen uͤber Menschenhaß und Reue. Es wurde manches sehr gut gespielt, aber Eulaliens Rolle nicht zur Haͤlfte so edel und schoͤn wie bisweilen von der Unzelmann. Das Aergste waren die heftigen Convulsionen, die mir ordentlich medicinisch merkwuͤrdig schienen. Die Franzosen, denen eine solche Reue ganz unbegreiflich vorkommt, glauben bonnement, der weibliche Koͤrper muͤsse dadurch wohl aus seinen Angeln gehoben werden, und so applaudiren sie unbaͤndig; wie denn das Stuͤck uͤberhaupt einen ganz ekelhaften Beyfall erhalten hat. Von einem einzigen jungen Menschen hoͤrte ich die sehr gesunde Kritik: Cependant je préférerois toujours une femme innocente à une femme convulsivement vertueuse.
Zum Beweis, wie wenig das Costum hier immer vortrefflich ist, will ich Jhnen nur anfuͤhren, daß der Menschenfeind schwarze Beinkleider, Stiefeln mit doppelten schwarzen Aufklappen, eine ganz lange scharlachene Weste, und einen altmodischen blauen
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/331>, abgerufen am 16.07.2024. |