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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Personen, so gesucht werden.

Man wünscht einen Mann von gesetzten Jahren, der nie in seinem Leben einige Erwärmung von einem Werke des Genie's verspürt, überhaupt gegen alle Originalität eine innerliche Abneigung hegt, beyläufig einige Verse gemacht hat, auch bereit ist, den Eid auf die symbolischen Bücher der Korrektheit, als Batteux von Ramler übersetzt u. s. w., abzulegen, und übrigens eine leserliche, fließende und weitläuftige Hand schreibt, als Mitarbeiter der Bibliothek der schönen Künste und Wissenschaften gegen ein mäßiges Honorar zu engagiren. Anderweitige Emolumente bey der Stelle sind, daß er die Komödien und politischen Schriften des Buchhändlers und Magisters Dyck gratis erhält, auch auf Verlangen zum Leipziger Magister kreirt werden soll.




Entdeckung.

Herr Fr. Nicolai hat letzthin in einer der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelesenen Abhandlung, zur völligen Widerlegung des transzendentalen Jdealismus, einen auf eigne Beobachtung gegründeten und also unumstößlichen Unterschied zwischen Erscheinungen und Dingen an sich erörtert. Verschwindet etwas, wenn man sich sechs Blutigel an den After setzen läßt, so ist es eine bloße Erscheinung; bleibt es, so ist es eine Realität oder, welches in seiner Sprache einerley gilt, ein Ding an sich Ungeachtet nun der Akademist sich durch jenes Mittel von einem kranken Zustande, während dessen er allerley Phantasme vor sich herumwandeln sah, gründlich geheilt glaubte, so wollten doch einsichtsvolle Kenner bemerken, daß in der Abhandluug die eigne "lebhafte Einbildungskraft" des Verfassers herumspuke, die offenbar kein Ding an sich, auch keine Realität, nicht einmal eine rechtliche, ordentliche Erscheinung, sondern lediglich ein Phantasma sey. Man beschloß also, die Kur zu erneuern, und die Blutigel wurden sogleich noch einmal applizirt. Dies hatte den gewünschten Erfolg: der Pazient

Personen, so gesucht werden.

Man wuͤnscht einen Mann von gesetzten Jahren, der nie in seinem Leben einige Erwaͤrmung von einem Werke des Genie's verspuͤrt, uͤberhaupt gegen alle Originalitaͤt eine innerliche Abneigung hegt, beylaͤufig einige Verse gemacht hat, auch bereit ist, den Eid auf die symbolischen Buͤcher der Korrektheit, als Batteux von Ramler uͤbersetzt u. s. w., abzulegen, und uͤbrigens eine leserliche, fließende und weitlaͤuftige Hand schreibt, als Mitarbeiter der Bibliothek der schoͤnen Kuͤnste und Wissenschaften gegen ein maͤßiges Honorar zu engagiren. Anderweitige Emolumente bey der Stelle sind, daß er die Komoͤdien und politischen Schriften des Buchhaͤndlers und Magisters Dyck gratis erhaͤlt, auch auf Verlangen zum Leipziger Magister kreirt werden soll.




Entdeckung.

Herr Fr. Nicolai hat letzthin in einer der Koͤnigl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelesenen Abhandlung, zur voͤlligen Widerlegung des transzendentalen Jdealismus, einen auf eigne Beobachtung gegruͤndeten und also unumstoͤßlichen Unterschied zwischen Erscheinungen und Dingen an sich eroͤrtert. Verschwindet etwas, wenn man sich sechs Blutigel an den After setzen laͤßt, so ist es eine bloße Erscheinung; bleibt es, so ist es eine Realitaͤt oder, welches in seiner Sprache einerley gilt, ein Ding an sich Ungeachtet nun der Akademist sich durch jenes Mittel von einem kranken Zustande, waͤhrend dessen er allerley Phantasme vor sich herumwandeln sah, gruͤndlich geheilt glaubte, so wollten doch einsichtsvolle Kenner bemerken, daß in der Abhandluug die eigne “lebhafte Einbildungskraft” des Verfassers herumspuke, die offenbar kein Ding an sich, auch keine Realitaͤt, nicht einmal eine rechtliche, ordentliche Erscheinung, sondern lediglich ein Phantasma sey. Man beschloß also, die Kur zu erneuern, und die Blutigel wurden sogleich noch einmal applizirt. Dies hatte den gewuͤnschten Erfolg: der Pazient

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[337/0347] Personen, so gesucht werden. Man wuͤnscht einen Mann von gesetzten Jahren, der nie in seinem Leben einige Erwaͤrmung von einem Werke des Genie's verspuͤrt, uͤberhaupt gegen alle Originalitaͤt eine innerliche Abneigung hegt, beylaͤufig einige Verse gemacht hat, auch bereit ist, den Eid auf die symbolischen Buͤcher der Korrektheit, als Batteux von Ramler uͤbersetzt u. s. w., abzulegen, und uͤbrigens eine leserliche, fließende und weitlaͤuftige Hand schreibt, als Mitarbeiter der Bibliothek der schoͤnen Kuͤnste und Wissenschaften gegen ein maͤßiges Honorar zu engagiren. Anderweitige Emolumente bey der Stelle sind, daß er die Komoͤdien und politischen Schriften des Buchhaͤndlers und Magisters Dyck gratis erhaͤlt, auch auf Verlangen zum Leipziger Magister kreirt werden soll. Entdeckung. Herr Fr. Nicolai hat letzthin in einer der Koͤnigl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelesenen Abhandlung, zur voͤlligen Widerlegung des transzendentalen Jdealismus, einen auf eigne Beobachtung gegruͤndeten und also unumstoͤßlichen Unterschied zwischen Erscheinungen und Dingen an sich eroͤrtert. Verschwindet etwas, wenn man sich sechs Blutigel an den After setzen laͤßt, so ist es eine bloße Erscheinung; bleibt es, so ist es eine Realitaͤt oder, welches in seiner Sprache einerley gilt, ein Ding an sich Ungeachtet nun der Akademist sich durch jenes Mittel von einem kranken Zustande, waͤhrend dessen er allerley Phantasme vor sich herumwandeln sah, gruͤndlich geheilt glaubte, so wollten doch einsichtsvolle Kenner bemerken, daß in der Abhandluug die eigne “lebhafte Einbildungskraft” des Verfassers herumspuke, die offenbar kein Ding an sich, auch keine Realitaͤt, nicht einmal eine rechtliche, ordentliche Erscheinung, sondern lediglich ein Phantasma sey. Man beschloß also, die Kur zu erneuern, und die Blutigel wurden sogleich noch einmal applizirt. Dies hatte den gewuͤnschten Erfolg: der Pazient

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/347>, abgerufen am 24.11.2024.