Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Waller. Lästern Sie nicht die große Schöpferin der Dinge, die einmal in der Seele des ersten Menschen rief: es werde Licht, und es ward Licht. Das einzelne Wort thut es freylich nicht, eben so wenig als der Zauber der Mahlerey in den abgesonderten Farben auf Jhrer Pallette liegt. Aber aus der Verbindung und Zusammenstellung der Worte gehn nicht nur Gestalten hervor: die Rede giebt ihnen auch ein Kolorit und kann stärker oder sanfter beleuchten. Louise. Brav! Diesmal reden Sie ganz nach meinem Herzen. Waller. Freylich muß sie, um hierin die höchste Vollkommenheit zu erreichen, auch die Töne mit Wahl zusammenstellen, und die Bewegungen nach Gesetzen ordnen. Louise. O weh! Es soll also förmlich gedichtet seyn. Mit den Sylbenmaßen habe ich mich niemals abgegeben. Reinhold. Nun, Waller, zeichnen Sie mir doch einmal den verwünschten Ringer da mit Worten ab, da ich schon mit meiner Kreide so sehr den Kürzeren gegen ihn ziehe. Waller. Sie verstehen mich unrecht, bester Freund. Es fällt mir nicht ein, mit der Sprache eben das ausrichten zu wollen, was nur ein sinnlicher Abdruck leisten kann. Jch sage bloß, daß sie fähig ist, den Geist eines Werkes der bildenden Kunst lebendig zu fassen und darzustellen. Reinhold. Dieser so genannte Geist ist immer nicht die Sache selbst. Waller. Laͤstern Sie nicht die große Schoͤpferin der Dinge, die einmal in der Seele des ersten Menschen rief: es werde Licht, und es ward Licht. Das einzelne Wort thut es freylich nicht, eben so wenig als der Zauber der Mahlerey in den abgesonderten Farben auf Jhrer Pallette liegt. Aber aus der Verbindung und Zusammenstellung der Worte gehn nicht nur Gestalten hervor: die Rede giebt ihnen auch ein Kolorit und kann staͤrker oder sanfter beleuchten. Louise. Brav! Diesmal reden Sie ganz nach meinem Herzen. Waller. Freylich muß sie, um hierin die hoͤchste Vollkommenheit zu erreichen, auch die Toͤne mit Wahl zusammenstellen, und die Bewegungen nach Gesetzen ordnen. Louise. O weh! Es soll also foͤrmlich gedichtet seyn. Mit den Sylbenmaßen habe ich mich niemals abgegeben. Reinhold. Nun, Waller, zeichnen Sie mir doch einmal den verwuͤnschten Ringer da mit Worten ab, da ich schon mit meiner Kreide so sehr den Kuͤrzeren gegen ihn ziehe. Waller. Sie verstehen mich unrecht, bester Freund. Es faͤllt mir nicht ein, mit der Sprache eben das ausrichten zu wollen, was nur ein sinnlicher Abdruck leisten kann. Jch sage bloß, daß sie faͤhig ist, den Geist eines Werkes der bildenden Kunst lebendig zu fassen und darzustellen. Reinhold. Dieser so genannte Geist ist immer nicht die Sache selbst. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0056" n="48"/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Laͤstern Sie nicht die große Schoͤpferin der Dinge, die einmal in der Seele des ersten Menschen rief: es werde Licht, und es ward Licht. Das einzelne Wort thut es freylich nicht, eben so wenig als der Zauber der Mahlerey in den abgesonderten Farben auf Jhrer Pallette liegt. Aber aus der Verbindung und Zusammenstellung der Worte gehn nicht nur Gestalten hervor: die Rede giebt ihnen auch ein Kolorit und kann staͤrker oder sanfter beleuchten.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Brav! Diesmal reden Sie ganz nach meinem Herzen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Freylich muß sie, um hierin die hoͤchste Vollkommenheit zu erreichen, auch die Toͤne mit Wahl zusammenstellen, und die Bewegungen nach Gesetzen ordnen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. O weh! Es soll also foͤrmlich gedichtet seyn. Mit den Sylbenmaßen habe ich mich niemals abgegeben.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Nun, Waller, zeichnen Sie mir doch einmal den verwuͤnschten Ringer da mit Worten ab, da ich schon mit meiner Kreide so sehr den Kuͤrzeren gegen ihn ziehe.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Sie verstehen mich unrecht, bester Freund. Es faͤllt mir nicht ein, mit der Sprache eben das ausrichten zu wollen, was nur ein sinnlicher Abdruck leisten kann. Jch sage bloß, daß sie faͤhig ist, den Geist eines Werkes der bildenden Kunst lebendig zu fassen und darzustellen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Dieser so genannte Geist ist immer nicht die Sache selbst.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0056]
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Louise. Brav! Diesmal reden Sie ganz nach meinem Herzen.
Waller. Freylich muß sie, um hierin die hoͤchste Vollkommenheit zu erreichen, auch die Toͤne mit Wahl zusammenstellen, und die Bewegungen nach Gesetzen ordnen.
Louise. O weh! Es soll also foͤrmlich gedichtet seyn. Mit den Sylbenmaßen habe ich mich niemals abgegeben.
Reinhold. Nun, Waller, zeichnen Sie mir doch einmal den verwuͤnschten Ringer da mit Worten ab, da ich schon mit meiner Kreide so sehr den Kuͤrzeren gegen ihn ziehe.
Waller. Sie verstehen mich unrecht, bester Freund. Es faͤllt mir nicht ein, mit der Sprache eben das ausrichten zu wollen, was nur ein sinnlicher Abdruck leisten kann. Jch sage bloß, daß sie faͤhig ist, den Geist eines Werkes der bildenden Kunst lebendig zu fassen und darzustellen.
Reinhold. Dieser so genannte Geist ist immer nicht die Sache selbst.
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