Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Duft einer glänzenden Helle in einander gewebt. Der Wiederschein der Gegenstände im klaren See wird zum Theil noch von der Sonne erleuchtet: der Himmel geht in einem etwas tieferen Azur aus diesem Bade hervor. Die großen Bäume sind voll und kräftig hingeworfen; der linker Hand erscheint nur zu röthlich, samt den Felsen darunter, die in Dietrichschem Geschmack behandelt sind. Die weite Ferne ist täuschend. Der Ton der Hauptparthie weicht beträchtlich vom Vorgrunde ab, und geht schon ins Graue über. Nach mehren Landschaften von Hackert könnte dies, so wie der hohe Standpunkt, Gewohnheit bey ihm seyn: hier unterbricht es indessen die Harmonie nicht. Alle Farben des Bildes sind wie sein Himmel, sanft und freundlich, nicht stark aufgetragen, aber auch nicht durchsichtig, so daß man sie eher für gouache als für Oel ansehen möchte. Kein Lüftchen regt die Blätter oder kräuselt die Wellen; die südliche Heiterkeit ist überall ausgedrückt. Woher kommt es aber, daß dieß blendende Gemählde in seiner weiten Ausdehnung dennoch keinen Eindruck von Größe und erhabnem Reiz macht, und nur wie ein leichter Syrenengesang in die Wirklichkeit lockt, die es wiederzugeben versucht? Jch glaube, weil es sie nach Art einer camera obscura wiedergiebt: das Große in einer netten Verkleinerung. Es wirkt weniger als die Natur vermag und doch nicht genug als Kunst. Vielleicht giebt es Flecke auf der Erde, die zu üppig für die Darstellung sind, welche sich gern Beschränkungen gefallen läßt, um dann erst, wie Duft einer glaͤnzenden Helle in einander gewebt. Der Wiederschein der Gegenstaͤnde im klaren See wird zum Theil noch von der Sonne erleuchtet: der Himmel geht in einem etwas tieferen Azur aus diesem Bade hervor. Die großen Baͤume sind voll und kraͤftig hingeworfen; der linker Hand erscheint nur zu roͤthlich, samt den Felsen darunter, die in Dietrichschem Geschmack behandelt sind. Die weite Ferne ist taͤuschend. Der Ton der Hauptparthie weicht betraͤchtlich vom Vorgrunde ab, und geht schon ins Graue uͤber. Nach mehren Landschaften von Hackert koͤnnte dies, so wie der hohe Standpunkt, Gewohnheit bey ihm seyn: hier unterbricht es indessen die Harmonie nicht. Alle Farben des Bildes sind wie sein Himmel, sanft und freundlich, nicht stark aufgetragen, aber auch nicht durchsichtig, so daß man sie eher fuͤr gouache als fuͤr Oel ansehen moͤchte. Kein Luͤftchen regt die Blaͤtter oder kraͤuselt die Wellen; die suͤdliche Heiterkeit ist uͤberall ausgedruͤckt. Woher kommt es aber, daß dieß blendende Gemaͤhlde in seiner weiten Ausdehnung dennoch keinen Eindruck von Groͤße und erhabnem Reiz macht, und nur wie ein leichter Syrenengesang in die Wirklichkeit lockt, die es wiederzugeben versucht? Jch glaube, weil es sie nach Art einer camera obscura wiedergiebt: das Große in einer netten Verkleinerung. Es wirkt weniger als die Natur vermag und doch nicht genug als Kunst. Vielleicht giebt es Flecke auf der Erde, die zu uͤppig fuͤr die Darstellung sind, welche sich gern Beschraͤnkungen gefallen laͤßt, um dann erst, wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0076" n="68"/> Duft einer glaͤnzenden Helle in einander gewebt. Der Wiederschein der Gegenstaͤnde im klaren See wird zum Theil noch von der Sonne erleuchtet: der Himmel geht in einem etwas tieferen Azur aus diesem Bade hervor. Die großen Baͤume sind voll und kraͤftig hingeworfen; der linker Hand erscheint nur zu roͤthlich, samt den Felsen darunter, die in Dietrichschem Geschmack behandelt sind. Die weite Ferne ist taͤuschend. Der Ton der Hauptparthie weicht betraͤchtlich vom Vorgrunde ab, und geht schon ins Graue uͤber. Nach mehren Landschaften von Hackert koͤnnte dies, so wie der hohe Standpunkt, Gewohnheit bey ihm seyn: hier unterbricht es indessen die Harmonie nicht. Alle Farben des Bildes sind wie sein Himmel, sanft und freundlich, nicht stark aufgetragen, aber auch nicht durchsichtig, so daß man sie eher fuͤr gouache als fuͤr Oel ansehen moͤchte. Kein Luͤftchen regt die Blaͤtter oder kraͤuselt die Wellen; die suͤdliche Heiterkeit ist uͤberall ausgedruͤckt.</p><lb/> <p>Woher kommt es aber, daß dieß blendende Gemaͤhlde in seiner weiten Ausdehnung dennoch keinen Eindruck von Groͤße und erhabnem Reiz macht, und nur wie ein leichter Syrenengesang in die Wirklichkeit lockt, die es wiederzugeben versucht? Jch glaube, weil es sie nach Art einer camera obscura wiedergiebt: das Große in einer netten Verkleinerung. Es wirkt weniger als die Natur vermag und doch nicht genug als Kunst. Vielleicht giebt es Flecke auf der Erde, die zu uͤppig fuͤr die Darstellung sind, welche sich gern Beschraͤnkungen gefallen laͤßt, um dann erst, wie </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0076]
Duft einer glaͤnzenden Helle in einander gewebt. Der Wiederschein der Gegenstaͤnde im klaren See wird zum Theil noch von der Sonne erleuchtet: der Himmel geht in einem etwas tieferen Azur aus diesem Bade hervor. Die großen Baͤume sind voll und kraͤftig hingeworfen; der linker Hand erscheint nur zu roͤthlich, samt den Felsen darunter, die in Dietrichschem Geschmack behandelt sind. Die weite Ferne ist taͤuschend. Der Ton der Hauptparthie weicht betraͤchtlich vom Vorgrunde ab, und geht schon ins Graue uͤber. Nach mehren Landschaften von Hackert koͤnnte dies, so wie der hohe Standpunkt, Gewohnheit bey ihm seyn: hier unterbricht es indessen die Harmonie nicht. Alle Farben des Bildes sind wie sein Himmel, sanft und freundlich, nicht stark aufgetragen, aber auch nicht durchsichtig, so daß man sie eher fuͤr gouache als fuͤr Oel ansehen moͤchte. Kein Luͤftchen regt die Blaͤtter oder kraͤuselt die Wellen; die suͤdliche Heiterkeit ist uͤberall ausgedruͤckt.
Woher kommt es aber, daß dieß blendende Gemaͤhlde in seiner weiten Ausdehnung dennoch keinen Eindruck von Groͤße und erhabnem Reiz macht, und nur wie ein leichter Syrenengesang in die Wirklichkeit lockt, die es wiederzugeben versucht? Jch glaube, weil es sie nach Art einer camera obscura wiedergiebt: das Große in einer netten Verkleinerung. Es wirkt weniger als die Natur vermag und doch nicht genug als Kunst. Vielleicht giebt es Flecke auf der Erde, die zu uͤppig fuͤr die Darstellung sind, welche sich gern Beschraͤnkungen gefallen laͤßt, um dann erst, wie
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