Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.gefaltet und gepufft, um den Hals ein gestickter steifer Kragen, der Kopfputz sehr künstlich in Perlen und Filagran gearbeitet, an der Seite ist eine Flechte von braunem Haar darum her gebogen. Sie hat eine helle zarte Gesichtsfarbe, und macht darin, wie in der Pracht des Putzes, dem sehr länglichten Kopf und matteren Augen das Gegenstück des Bruders. Nur ihre Stellung ist ungeschickter: auf beyden Knien liegend, den Leib vorgebogen, den Kopf geneigt, die Schultern zurück. Sie betet am Rosenkranz, und sieht, die Wahrheit zu sagen, dabey etwas langweilig und etwas albern vor sich hin: man weiß nicht, ob es die Albernheit der Langeweile, oder die Langeweile der Albernheit ist. Sie gleicht einer Blüthe, die in harter Schale verschlossen gehalten wird, bis die Jahreszeit vergeht, in der sie sich entfalten könnte. Aber wie wahr und treu so recht das eigenste dieser Beschränkungen ergriffen ist, und wie die Mutter Gottes nun mit höherem freyerem Wesen dagegen erscheint, in holdseliger Pracht eine demüthige geistliche Königin! Jhre Ergebung ist liebevoll, ihre Züchtigkeit milde, sie senkt den Blick anmuthig, und die volle Wölbung der Augenlieder läßt seelenvolle Augen unter ihnen vermuthen. Der Mund ist von großer Lieblichkeit, unter den Augen aber fehlt diese: es ist da wie eine leere Stelle, wo sie verflogen wäre. Sie trägt auf dem Haupt eine reiche Krone, deren schmale Bogen wie Blenden jeder ein Heiligenbild, künstlich in Gold gearbeitet, enthalten; die aber, etwas zurückgeschoben, die hohe reine Stirn ganz erkennen läßt. Jhr blondes Haar fließt gefaltet und gepufft, um den Hals ein gestickter steifer Kragen, der Kopfputz sehr kuͤnstlich in Perlen und Filagran gearbeitet, an der Seite ist eine Flechte von braunem Haar darum her gebogen. Sie hat eine helle zarte Gesichtsfarbe, und macht darin, wie in der Pracht des Putzes, dem sehr laͤnglichten Kopf und matteren Augen das Gegenstuͤck des Bruders. Nur ihre Stellung ist ungeschickter: auf beyden Knien liegend, den Leib vorgebogen, den Kopf geneigt, die Schultern zuruͤck. Sie betet am Rosenkranz, und sieht, die Wahrheit zu sagen, dabey etwas langweilig und etwas albern vor sich hin: man weiß nicht, ob es die Albernheit der Langeweile, oder die Langeweile der Albernheit ist. Sie gleicht einer Bluͤthe, die in harter Schale verschlossen gehalten wird, bis die Jahreszeit vergeht, in der sie sich entfalten koͤnnte. Aber wie wahr und treu so recht das eigenste dieser Beschraͤnkungen ergriffen ist, und wie die Mutter Gottes nun mit hoͤherem freyerem Wesen dagegen erscheint, in holdseliger Pracht eine demuͤthige geistliche Koͤnigin! Jhre Ergebung ist liebevoll, ihre Zuͤchtigkeit milde, sie senkt den Blick anmuthig, und die volle Woͤlbung der Augenlieder laͤßt seelenvolle Augen unter ihnen vermuthen. Der Mund ist von großer Lieblichkeit, unter den Augen aber fehlt diese: es ist da wie eine leere Stelle, wo sie verflogen waͤre. Sie traͤgt auf dem Haupt eine reiche Krone, deren schmale Bogen wie Blenden jeder ein Heiligenbild, kuͤnstlich in Gold gearbeitet, enthalten; die aber, etwas zuruͤckgeschoben, die hohe reine Stirn ganz erkennen laͤßt. Jhr blondes Haar fließt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0081" n="73"/> gefaltet und gepufft, um den Hals ein gestickter steifer Kragen, der Kopfputz sehr kuͤnstlich in Perlen und Filagran gearbeitet, an der Seite ist eine Flechte von braunem Haar darum her gebogen. Sie hat eine helle zarte Gesichtsfarbe, und macht darin, wie in der Pracht des Putzes, dem sehr laͤnglichten Kopf und matteren Augen das Gegenstuͤck des Bruders. Nur ihre Stellung ist ungeschickter: auf beyden Knien liegend, den Leib vorgebogen, den Kopf geneigt, die Schultern zuruͤck. Sie betet am Rosenkranz, und sieht, die Wahrheit zu sagen, dabey etwas langweilig und etwas albern vor sich hin: man weiß nicht, ob es die Albernheit der Langeweile, oder die Langeweile der Albernheit ist. Sie gleicht einer Bluͤthe, die in harter Schale verschlossen gehalten wird, bis die Jahreszeit vergeht, in der sie sich entfalten koͤnnte. Aber wie wahr und treu so recht das eigenste dieser Beschraͤnkungen ergriffen ist, und wie die Mutter Gottes nun mit hoͤherem freyerem Wesen dagegen erscheint, in holdseliger Pracht eine demuͤthige geistliche Koͤnigin! Jhre Ergebung ist liebevoll, ihre Zuͤchtigkeit milde, sie senkt den Blick anmuthig, und die volle Woͤlbung der Augenlieder laͤßt seelenvolle Augen unter ihnen vermuthen. Der Mund ist von großer Lieblichkeit, unter den Augen aber fehlt diese: es ist da wie eine leere Stelle, wo sie verflogen waͤre. Sie traͤgt auf dem Haupt eine reiche Krone, deren schmale Bogen wie Blenden jeder ein Heiligenbild, kuͤnstlich in Gold gearbeitet, enthalten; die aber, etwas zuruͤckgeschoben, die hohe reine Stirn ganz erkennen laͤßt. Jhr blondes Haar fließt </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [73/0081]
gefaltet und gepufft, um den Hals ein gestickter steifer Kragen, der Kopfputz sehr kuͤnstlich in Perlen und Filagran gearbeitet, an der Seite ist eine Flechte von braunem Haar darum her gebogen. Sie hat eine helle zarte Gesichtsfarbe, und macht darin, wie in der Pracht des Putzes, dem sehr laͤnglichten Kopf und matteren Augen das Gegenstuͤck des Bruders. Nur ihre Stellung ist ungeschickter: auf beyden Knien liegend, den Leib vorgebogen, den Kopf geneigt, die Schultern zuruͤck. Sie betet am Rosenkranz, und sieht, die Wahrheit zu sagen, dabey etwas langweilig und etwas albern vor sich hin: man weiß nicht, ob es die Albernheit der Langeweile, oder die Langeweile der Albernheit ist. Sie gleicht einer Bluͤthe, die in harter Schale verschlossen gehalten wird, bis die Jahreszeit vergeht, in der sie sich entfalten koͤnnte. Aber wie wahr und treu so recht das eigenste dieser Beschraͤnkungen ergriffen ist, und wie die Mutter Gottes nun mit hoͤherem freyerem Wesen dagegen erscheint, in holdseliger Pracht eine demuͤthige geistliche Koͤnigin! Jhre Ergebung ist liebevoll, ihre Zuͤchtigkeit milde, sie senkt den Blick anmuthig, und die volle Woͤlbung der Augenlieder laͤßt seelenvolle Augen unter ihnen vermuthen. Der Mund ist von großer Lieblichkeit, unter den Augen aber fehlt diese: es ist da wie eine leere Stelle, wo sie verflogen waͤre. Sie traͤgt auf dem Haupt eine reiche Krone, deren schmale Bogen wie Blenden jeder ein Heiligenbild, kuͤnstlich in Gold gearbeitet, enthalten; die aber, etwas zuruͤckgeschoben, die hohe reine Stirn ganz erkennen laͤßt. Jhr blondes Haar fließt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |