Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.unternommen hat; eine Spur von Unwillen veredelt sein Antlitz. Er hat graue Haare (am Barte sind sie fast weiß) ohne ein Greis zu seyn. Die herrlichste Gewalt des Mannes zeichnet sich in seiner Gestalt, in den Sehnen des Halses und der Hand die das Messer faßt. Der linke Arm, der dunkel über das rothe Gewand hinreicht, und der andre, der in einiger Verkürzung daraus hervorgeht, machen eine bewunderungswürdige Wirkung, da beyde schöne Farben sich abschneiden, ohne grell gegen einander abzustehen. Das einzige vielleicht, was an der kräftigen Figur weniger würdig erscheint, ist das mit zu sichtbarem Nachdruck von ihr ab gestellte linke Bein. Der Körper des Knaben ist bescheiden gefärbt, ein wenig blaß gehalten, als wenn das unschuldige Blut, das vergossen werden soll, zurückgetreten wäre; doch keine steinerne Behandlung. Der Engel füllt den kleinen Raum zwischen dem Kopfe des Abraham und der obern Ecke des Bildes aus, und ist ein geflügeltes Kind, das gute Bothschaft bringt. Man könnte ihn sich größer und ernster denken: der mahlerische Kontrast gewinnt aber durch die Verschiedenheit der drey Figuren. Die Landschaft im Hintergrunde kann nur für einen bunten Holzschnitt gelten. Andrea del Sarto hat Abraham als den Laokoon des Christenthums vorgestellt. Nicht daß ihm bloß bey der Zeichnung des Jsaak die Söhne Laokoons gegenwärtig gewesen seyn möchten: nein, dem Gedanken und dem Geiste nach. Dieser ist nicht der fromme Abraham im langen Gewande, welcher dem Gott unternommen hat; eine Spur von Unwillen veredelt sein Antlitz. Er hat graue Haare (am Barte sind sie fast weiß) ohne ein Greis zu seyn. Die herrlichste Gewalt des Mannes zeichnet sich in seiner Gestalt, in den Sehnen des Halses und der Hand die das Messer faßt. Der linke Arm, der dunkel uͤber das rothe Gewand hinreicht, und der andre, der in einiger Verkuͤrzung daraus hervorgeht, machen eine bewunderungswuͤrdige Wirkung, da beyde schoͤne Farben sich abschneiden, ohne grell gegen einander abzustehen. Das einzige vielleicht, was an der kraͤftigen Figur weniger wuͤrdig erscheint, ist das mit zu sichtbarem Nachdruck von ihr ab gestellte linke Bein. Der Koͤrper des Knaben ist bescheiden gefaͤrbt, ein wenig blaß gehalten, als wenn das unschuldige Blut, das vergossen werden soll, zuruͤckgetreten waͤre; doch keine steinerne Behandlung. Der Engel fuͤllt den kleinen Raum zwischen dem Kopfe des Abraham und der obern Ecke des Bildes aus, und ist ein gefluͤgeltes Kind, das gute Bothschaft bringt. Man koͤnnte ihn sich groͤßer und ernster denken: der mahlerische Kontrast gewinnt aber durch die Verschiedenheit der drey Figuren. Die Landschaft im Hintergrunde kann nur fuͤr einen bunten Holzschnitt gelten. Andrea del Sarto hat Abraham als den Laokoon des Christenthums vorgestellt. Nicht daß ihm bloß bey der Zeichnung des Jsaak die Soͤhne Laokoons gegenwaͤrtig gewesen seyn moͤchten: nein, dem Gedanken und dem Geiste nach. Dieser ist nicht der fromme Abraham im langen Gewande, welcher dem Gott <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0093" n="85"/> unternommen hat; eine Spur von Unwillen veredelt sein Antlitz. Er hat graue Haare (am Barte sind sie fast weiß) ohne ein Greis zu seyn. Die herrlichste Gewalt des Mannes zeichnet sich in seiner Gestalt, in den Sehnen des Halses und der Hand die das Messer faßt. Der linke Arm, der dunkel uͤber das rothe Gewand hinreicht, und der andre, der in einiger Verkuͤrzung daraus hervorgeht, machen eine bewunderungswuͤrdige Wirkung, da beyde schoͤne Farben sich abschneiden, ohne grell gegen einander abzustehen. Das einzige vielleicht, was an der kraͤftigen Figur weniger wuͤrdig erscheint, ist das mit zu sichtbarem Nachdruck von ihr ab gestellte linke Bein. Der Koͤrper des Knaben ist bescheiden gefaͤrbt, ein wenig blaß gehalten, als wenn das unschuldige Blut, das vergossen werden soll, zuruͤckgetreten waͤre; doch keine steinerne Behandlung. Der Engel fuͤllt den kleinen Raum zwischen dem Kopfe des Abraham und der obern Ecke des Bildes aus, und ist ein gefluͤgeltes Kind, das gute Bothschaft bringt. Man koͤnnte ihn sich groͤßer und ernster denken: der mahlerische Kontrast gewinnt aber durch die Verschiedenheit der drey Figuren. Die Landschaft im Hintergrunde kann nur fuͤr einen bunten Holzschnitt gelten.</p><lb/> <p>Andrea del Sarto hat Abraham als den Laokoon des Christenthums vorgestellt. Nicht daß ihm bloß bey der Zeichnung des Jsaak die Soͤhne Laokoons gegenwaͤrtig gewesen seyn moͤchten: nein, dem Gedanken und dem Geiste nach. Dieser ist nicht der fromme Abraham im langen Gewande, welcher dem Gott </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0093]
unternommen hat; eine Spur von Unwillen veredelt sein Antlitz. Er hat graue Haare (am Barte sind sie fast weiß) ohne ein Greis zu seyn. Die herrlichste Gewalt des Mannes zeichnet sich in seiner Gestalt, in den Sehnen des Halses und der Hand die das Messer faßt. Der linke Arm, der dunkel uͤber das rothe Gewand hinreicht, und der andre, der in einiger Verkuͤrzung daraus hervorgeht, machen eine bewunderungswuͤrdige Wirkung, da beyde schoͤne Farben sich abschneiden, ohne grell gegen einander abzustehen. Das einzige vielleicht, was an der kraͤftigen Figur weniger wuͤrdig erscheint, ist das mit zu sichtbarem Nachdruck von ihr ab gestellte linke Bein. Der Koͤrper des Knaben ist bescheiden gefaͤrbt, ein wenig blaß gehalten, als wenn das unschuldige Blut, das vergossen werden soll, zuruͤckgetreten waͤre; doch keine steinerne Behandlung. Der Engel fuͤllt den kleinen Raum zwischen dem Kopfe des Abraham und der obern Ecke des Bildes aus, und ist ein gefluͤgeltes Kind, das gute Bothschaft bringt. Man koͤnnte ihn sich groͤßer und ernster denken: der mahlerische Kontrast gewinnt aber durch die Verschiedenheit der drey Figuren. Die Landschaft im Hintergrunde kann nur fuͤr einen bunten Holzschnitt gelten.
Andrea del Sarto hat Abraham als den Laokoon des Christenthums vorgestellt. Nicht daß ihm bloß bey der Zeichnung des Jsaak die Soͤhne Laokoons gegenwaͤrtig gewesen seyn moͤchten: nein, dem Gedanken und dem Geiste nach. Dieser ist nicht der fromme Abraham im langen Gewande, welcher dem Gott
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