Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

Arm geht etwas unter der Brust her, die Hände treffen zusammen und falten die rosigen Finger leicht in einander. Jhre Augen sind auf ein Buch gerichtet, das nach der Mitte des Bildes zu an einen Todtenkopf gelehnt ist. Ob der innre Sinn aber nicht ein wenig dabey umherflattert? Wie auserlesen sie noch in der Einsamkeit ihre Kleidung geordnet hat! Das klare Hemde bedeckt nur die linke Schulter, von der rechten ist es bis unter den Arm und die eine Brust herabgezogen, und am linken Arm hoch hinaufgestreift. Ein himmelblaues Gewand liegt oben lose um sie her gebreitet, daß ihre Arme noch weißer und weicher hervortreten, und den harten Stein nicht berühren mögen; dann schließt es sich fest um die Hüften und bis zu den Füßen hinab an den Körper, dessen Lage so freylich mehr gewählt als natürlich erscheint. Man zweifelt, ob sie es darin lange wird aushalten können, besonders mit dem aufgestützten Arme, der eben schon durch den Druck der Last, und weil das blaue Gewand hie und da die reinen Umrisse versteckt, ganz in Schlangenlinien zum Vorschein kommt. Sehr gefällig ist aber die Neigung des Kopfes und die zurücktretende Schulter, hinter welche das blonde Haar hinabgeht, und sie dem hellsten Licht aussetzt. Ja es läßt sich nichts reizenderes und durchsichtigeres denken als diese Theile überhaupt, von da, wo die Röthe der Wange in Weiß gleichsam verfliegt und das zarte Ohr sich anschließt, wie auch der Uebergang zum Halse, bis zu der leisen Vertiefung, welche die Schulter von der Brust scheidet. Das Haar geht aus der Stirn zurück,

Arm geht etwas unter der Brust her, die Haͤnde treffen zusammen und falten die rosigen Finger leicht in einander. Jhre Augen sind auf ein Buch gerichtet, das nach der Mitte des Bildes zu an einen Todtenkopf gelehnt ist. Ob der innre Sinn aber nicht ein wenig dabey umherflattert? Wie auserlesen sie noch in der Einsamkeit ihre Kleidung geordnet hat! Das klare Hemde bedeckt nur die linke Schulter, von der rechten ist es bis unter den Arm und die eine Brust herabgezogen, und am linken Arm hoch hinaufgestreift. Ein himmelblaues Gewand liegt oben lose um sie her gebreitet, daß ihre Arme noch weißer und weicher hervortreten, und den harten Stein nicht beruͤhren moͤgen; dann schließt es sich fest um die Huͤften und bis zu den Fuͤßen hinab an den Koͤrper, dessen Lage so freylich mehr gewaͤhlt als natuͤrlich erscheint. Man zweifelt, ob sie es darin lange wird aushalten koͤnnen, besonders mit dem aufgestuͤtzten Arme, der eben schon durch den Druck der Last, und weil das blaue Gewand hie und da die reinen Umrisse versteckt, ganz in Schlangenlinien zum Vorschein kommt. Sehr gefaͤllig ist aber die Neigung des Kopfes und die zuruͤcktretende Schulter, hinter welche das blonde Haar hinabgeht, und sie dem hellsten Licht aussetzt. Ja es laͤßt sich nichts reizenderes und durchsichtigeres denken als diese Theile uͤberhaupt, von da, wo die Roͤthe der Wange in Weiß gleichsam verfliegt und das zarte Ohr sich anschließt, wie auch der Uebergang zum Halse, bis zu der leisen Vertiefung, welche die Schulter von der Brust scheidet. Das Haar geht aus der Stirn zuruͤck,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="91"/>
Arm geht etwas unter der Brust her, die Ha&#x0364;nde treffen zusammen und falten die rosigen Finger leicht in einander. Jhre Augen sind auf ein Buch gerichtet, das nach der Mitte des Bildes zu an einen Todtenkopf gelehnt ist. Ob der innre Sinn aber nicht ein wenig dabey umherflattert? Wie auserlesen sie noch in der Einsamkeit ihre Kleidung geordnet hat! Das klare Hemde bedeckt nur die linke Schulter, von der rechten ist es bis unter den Arm und die eine Brust herabgezogen, und am linken Arm hoch hinaufgestreift. Ein himmelblaues Gewand liegt oben lose um sie her gebreitet, daß ihre Arme noch weißer und weicher hervortreten, und den harten Stein nicht beru&#x0364;hren mo&#x0364;gen; dann schließt es sich fest um die Hu&#x0364;ften und bis zu den Fu&#x0364;ßen hinab an den Ko&#x0364;rper, dessen Lage so freylich mehr gewa&#x0364;hlt als natu&#x0364;rlich erscheint. Man zweifelt, ob sie es darin lange wird aushalten ko&#x0364;nnen, besonders mit dem aufgestu&#x0364;tzten Arme, der eben schon durch den Druck der Last, und weil das blaue Gewand hie und da die reinen Umrisse versteckt, ganz in Schlangenlinien zum Vorschein kommt. Sehr gefa&#x0364;llig ist aber die Neigung des Kopfes und die zuru&#x0364;cktretende Schulter, hinter welche das blonde Haar hinabgeht, und sie dem hellsten Licht aussetzt. Ja es la&#x0364;ßt sich nichts reizenderes und durchsichtigeres denken als diese Theile u&#x0364;berhaupt, von da, wo die Ro&#x0364;the der Wange in Weiß gleichsam verfliegt und das zarte Ohr sich anschließt, wie auch der Uebergang zum Halse, bis zu der leisen Vertiefung, welche die Schulter von der Brust scheidet. Das Haar geht aus der Stirn zuru&#x0364;ck,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0099] Arm geht etwas unter der Brust her, die Haͤnde treffen zusammen und falten die rosigen Finger leicht in einander. Jhre Augen sind auf ein Buch gerichtet, das nach der Mitte des Bildes zu an einen Todtenkopf gelehnt ist. Ob der innre Sinn aber nicht ein wenig dabey umherflattert? Wie auserlesen sie noch in der Einsamkeit ihre Kleidung geordnet hat! Das klare Hemde bedeckt nur die linke Schulter, von der rechten ist es bis unter den Arm und die eine Brust herabgezogen, und am linken Arm hoch hinaufgestreift. Ein himmelblaues Gewand liegt oben lose um sie her gebreitet, daß ihre Arme noch weißer und weicher hervortreten, und den harten Stein nicht beruͤhren moͤgen; dann schließt es sich fest um die Huͤften und bis zu den Fuͤßen hinab an den Koͤrper, dessen Lage so freylich mehr gewaͤhlt als natuͤrlich erscheint. Man zweifelt, ob sie es darin lange wird aushalten koͤnnen, besonders mit dem aufgestuͤtzten Arme, der eben schon durch den Druck der Last, und weil das blaue Gewand hie und da die reinen Umrisse versteckt, ganz in Schlangenlinien zum Vorschein kommt. Sehr gefaͤllig ist aber die Neigung des Kopfes und die zuruͤcktretende Schulter, hinter welche das blonde Haar hinabgeht, und sie dem hellsten Licht aussetzt. Ja es laͤßt sich nichts reizenderes und durchsichtigeres denken als diese Theile uͤberhaupt, von da, wo die Roͤthe der Wange in Weiß gleichsam verfliegt und das zarte Ohr sich anschließt, wie auch der Uebergang zum Halse, bis zu der leisen Vertiefung, welche die Schulter von der Brust scheidet. Das Haar geht aus der Stirn zuruͤck,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/99
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/99>, abgerufen am 21.11.2024.