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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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giebt uns einen tiefen Blick in die Weltansicht eines Landpredigers; ja dieser Roman wäre vielleicht, wenn Olivia ihre verlohrne Unschuld am Ende wieder fände, der beste unter allen Engländischen Romanen.

Aber wie sparsam und tropfenweise wird einem in allen diesen Büchern das wenige Reelle zugezählt! Und welche Reisebeschreibung, welche Briefsammlung, welche Selbstgeschichte wäre nicht für den, der sie in einem romantischen Sinne liest, ein besserer Roman als der beste von jenen? --

Besonders die Confessions gerathen meistens auf dem Wege des Naiven von selbst in die Arabeske, wozu sich jene Romane höchstens am Schluß erheben, wenn die bankerotten Kaufleute wieder Geld und Kredit, alle armen Schlucker zu essen bekommen, die liebenswürdigen Spitzbuben ehrlich und die gefallnen Mädchen wieder tugendhaft werden.

Die Confessions von Rousseau sind in meinen Augen ein höchst vortrefflicher Roman; die Heloise nur ein sehr mittelmäßiger.

Jch schicke Jhnen hier die Selbstgeschichte eines berühmten Mannes, die Sie, so viel ich weiß, noch nicht kennen: die Memoirs von Gibbon. Es ist ein unendlich gebildetes und ein unendlich drolliges Buch. Es wird Jhnen auf halbem Wege entgegenkommen, und wirklich ist der komische Roman, der darin liegt, fast ganz fertig. Sie werden den Engländer, den Gentleman, den Virtuosen, den Gelehrten, den Hagestolzen, den Elegant vom guten Ton in seiner ganzen zierlichen Lächerlichkeit durch die Würde dieser historischen

giebt uns einen tiefen Blick in die Weltansicht eines Landpredigers; ja dieser Roman waͤre vielleicht, wenn Olivia ihre verlohrne Unschuld am Ende wieder faͤnde, der beste unter allen Englaͤndischen Romanen.

Aber wie sparsam und tropfenweise wird einem in allen diesen Buͤchern das wenige Reelle zugezaͤhlt! Und welche Reisebeschreibung, welche Briefsammlung, welche Selbstgeschichte waͤre nicht fuͤr den, der sie in einem romantischen Sinne liest, ein besserer Roman als der beste von jenen? —

Besonders die Confessions gerathen meistens auf dem Wege des Naiven von selbst in die Arabeske, wozu sich jene Romane hoͤchstens am Schluß erheben, wenn die bankerotten Kaufleute wieder Geld und Kredit, alle armen Schlucker zu essen bekommen, die liebenswuͤrdigen Spitzbuben ehrlich und die gefallnen Maͤdchen wieder tugendhaft werden.

Die Confessions von Rousseau sind in meinen Augen ein hoͤchst vortrefflicher Roman; die Heloise nur ein sehr mittelmaͤßiger.

Jch schicke Jhnen hier die Selbstgeschichte eines beruͤhmten Mannes, die Sie, so viel ich weiß, noch nicht kennen: die Memoirs von Gibbon. Es ist ein unendlich gebildetes und ein unendlich drolliges Buch. Es wird Jhnen auf halbem Wege entgegenkommen, und wirklich ist der komische Roman, der darin liegt, fast ganz fertig. Sie werden den Englaͤnder, den Gentleman, den Virtuosen, den Gelehrten, den Hagestolzen, den Elegant vom guten Ton in seiner ganzen zierlichen Laͤcherlichkeit durch die Wuͤrde dieser historischen

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[127/0135] giebt uns einen tiefen Blick in die Weltansicht eines Landpredigers; ja dieser Roman waͤre vielleicht, wenn Olivia ihre verlohrne Unschuld am Ende wieder faͤnde, der beste unter allen Englaͤndischen Romanen. Aber wie sparsam und tropfenweise wird einem in allen diesen Buͤchern das wenige Reelle zugezaͤhlt! Und welche Reisebeschreibung, welche Briefsammlung, welche Selbstgeschichte waͤre nicht fuͤr den, der sie in einem romantischen Sinne liest, ein besserer Roman als der beste von jenen? — Besonders die Confessions gerathen meistens auf dem Wege des Naiven von selbst in die Arabeske, wozu sich jene Romane hoͤchstens am Schluß erheben, wenn die bankerotten Kaufleute wieder Geld und Kredit, alle armen Schlucker zu essen bekommen, die liebenswuͤrdigen Spitzbuben ehrlich und die gefallnen Maͤdchen wieder tugendhaft werden. Die Confessions von Rousseau sind in meinen Augen ein hoͤchst vortrefflicher Roman; die Heloise nur ein sehr mittelmaͤßiger. Jch schicke Jhnen hier die Selbstgeschichte eines beruͤhmten Mannes, die Sie, so viel ich weiß, noch nicht kennen: die Memoirs von Gibbon. Es ist ein unendlich gebildetes und ein unendlich drolliges Buch. Es wird Jhnen auf halbem Wege entgegenkommen, und wirklich ist der komische Roman, der darin liegt, fast ganz fertig. Sie werden den Englaͤnder, den Gentleman, den Virtuosen, den Gelehrten, den Hagestolzen, den Elegant vom guten Ton in seiner ganzen zierlichen Laͤcherlichkeit durch die Wuͤrde dieser historischen

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/135>, abgerufen am 15.05.2024.