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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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eigenthümlichen Wesen des Verfassers geben, auf den Kampf eines redlichen Willens mit einem kleinen Gemüth, und eines kleinen Geistes mit großen Gegenständen, die er am liebsten zersplittern möchte, um sie nur umfassen zu können: ein Kampf der zwar kein festliches Schauspiel für die Götter, für einen Menschen aber bis zur wehmüthigen Theilnahme rührend ist. Was Garve seyn wollte, nemlich ein liebenswürdiger Gesellschafter und ein feiner Beobachter, klingt freilich wie etwas Großes: wenn man aber näher betrachtet, was er sich darunter dachte, wenn man Acht giebt auf die immer und überall wiederkehrende Vergötterung des Vornehmen und der Bildung, welche unter den höhern Ständen jetzt wirklich anzutreffen ist; wenn man auf das offne und wiederholte Geständniß merkt, daß alles Bestreben nach Erkenntniß nur in dem nach Beifall, und alles Beobachten Seiner Selbst nur in der eitlen Vergleichung mit Andern seinen Grund hat: so kann man sich nicht bergen, daß diese Tendenz seines Lebens nur etwas sehr geringes war. Aber mit diesem Wenigen nimmt er es denn so genau, verliert es so nie aus den Augen, und erzählt zur Warnung und Belehrung so offenherzig jeden Schritt vorwärts und zurück, daß man diesen redlichen Willen nothwendig achten, und die Verschwendung desselben beklagen muß; und daß man es nicht erst nöthig findet ein Urtheil über den Charakter auszusprechen, der sich selbst in einer so eigenthümlichen Mischung von Bescheidenheit und Eitelkeit dargestellt hat, worin nemlich die Bescheidenheit keinesweges eitel, sondern ächt und

eigenthuͤmlichen Wesen des Verfassers geben, auf den Kampf eines redlichen Willens mit einem kleinen Gemuͤth, und eines kleinen Geistes mit großen Gegenstaͤnden, die er am liebsten zersplittern moͤchte, um sie nur umfassen zu koͤnnen: ein Kampf der zwar kein festliches Schauspiel fuͤr die Goͤtter, fuͤr einen Menschen aber bis zur wehmuͤthigen Theilnahme ruͤhrend ist. Was Garve seyn wollte, nemlich ein liebenswuͤrdiger Gesellschafter und ein feiner Beobachter, klingt freilich wie etwas Großes: wenn man aber naͤher betrachtet, was er sich darunter dachte, wenn man Acht giebt auf die immer und uͤberall wiederkehrende Vergoͤtterung des Vornehmen und der Bildung, welche unter den hoͤhern Staͤnden jetzt wirklich anzutreffen ist; wenn man auf das offne und wiederholte Gestaͤndniß merkt, daß alles Bestreben nach Erkenntniß nur in dem nach Beifall, und alles Beobachten Seiner Selbst nur in der eitlen Vergleichung mit Andern seinen Grund hat: so kann man sich nicht bergen, daß diese Tendenz seines Lebens nur etwas sehr geringes war. Aber mit diesem Wenigen nimmt er es denn so genau, verliert es so nie aus den Augen, und erzaͤhlt zur Warnung und Belehrung so offenherzig jeden Schritt vorwaͤrts und zuruͤck, daß man diesen redlichen Willen nothwendig achten, und die Verschwendung desselben beklagen muß; und daß man es nicht erst noͤthig findet ein Urtheil uͤber den Charakter auszusprechen, der sich selbst in einer so eigenthuͤmlichen Mischung von Bescheidenheit und Eitelkeit dargestellt hat, worin nemlich die Bescheidenheit keinesweges eitel, sondern aͤcht und

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[131/0139] eigenthuͤmlichen Wesen des Verfassers geben, auf den Kampf eines redlichen Willens mit einem kleinen Gemuͤth, und eines kleinen Geistes mit großen Gegenstaͤnden, die er am liebsten zersplittern moͤchte, um sie nur umfassen zu koͤnnen: ein Kampf der zwar kein festliches Schauspiel fuͤr die Goͤtter, fuͤr einen Menschen aber bis zur wehmuͤthigen Theilnahme ruͤhrend ist. Was Garve seyn wollte, nemlich ein liebenswuͤrdiger Gesellschafter und ein feiner Beobachter, klingt freilich wie etwas Großes: wenn man aber naͤher betrachtet, was er sich darunter dachte, wenn man Acht giebt auf die immer und uͤberall wiederkehrende Vergoͤtterung des Vornehmen und der Bildung, welche unter den hoͤhern Staͤnden jetzt wirklich anzutreffen ist; wenn man auf das offne und wiederholte Gestaͤndniß merkt, daß alles Bestreben nach Erkenntniß nur in dem nach Beifall, und alles Beobachten Seiner Selbst nur in der eitlen Vergleichung mit Andern seinen Grund hat: so kann man sich nicht bergen, daß diese Tendenz seines Lebens nur etwas sehr geringes war. Aber mit diesem Wenigen nimmt er es denn so genau, verliert es so nie aus den Augen, und erzaͤhlt zur Warnung und Belehrung so offenherzig jeden Schritt vorwaͤrts und zuruͤck, daß man diesen redlichen Willen nothwendig achten, und die Verschwendung desselben beklagen muß; und daß man es nicht erst noͤthig findet ein Urtheil uͤber den Charakter auszusprechen, der sich selbst in einer so eigenthuͤmlichen Mischung von Bescheidenheit und Eitelkeit dargestellt hat, worin nemlich die Bescheidenheit keinesweges eitel, sondern aͤcht und

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/139>, abgerufen am 15.05.2024.