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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Ton gehalten wird. Die tiefe Weichlichkeit einer durchaus musikalischen Natur ist noch nie im Modernen mit dieser sinnreichen Gründlichkeit dargestellt. Alles ist hier Antithese und Musik, und das zarteste Lächeln der feinsten Geselligkeit schwebt über dem stillen Gemählde, das sich am Anfange und Ende in seiner eignen Schönheit zu spiegeln scheint. Es mußten und sollten Unarten eines verzärtelten Virtuosen zum Vorschein kommen: aber sie zeigen sich im schönsten Blumenschmuck der Poesie beynah liebenswürdig. Das Ganze schwebt in der Atmosphäre künstlicher Verhältnisse und Misverhältnisse vornehmer Stände, und das Räthselhafte der Auflösung ist nur auf den Standpunkt berechnet, wo Verstand und Willkühr allein herrschen, und das Gefühl beinah schweigt. Jn allen diesen Eigenschaften finde ich den Egmont jenem Werk ähnlich oder auf eine so symmetrische Art unähnlich, daß er auch dadurch ein Pedant desselben wird. Auch Egmonts Geist ist ein Spiegel des Weltalls; die andern nur ein Wiederschein dieses Lichts. Auch hier unterliegt eine schöne Natur der ewigen Macht des Verstandes. Nur ist der Verstand im Egmont mehr ins Gehäßige nuancirt, der Egoismus des Helden hingegen ist weit edler und liebenswürdiger als der des Tasso. Das Misverhältniß liegt schon ursprünglich in diesem selbst, in seiner Empfindungsweise; die andern sind mit sich selbst Eins und werden nur durch den Fremdling aus höhern Sphären gestört. Jm Egmont hingegen wird alles, was Mislaut ist, in die Nebenpersonen gelegt.

Ton gehalten wird. Die tiefe Weichlichkeit einer durchaus musikalischen Natur ist noch nie im Modernen mit dieser sinnreichen Gruͤndlichkeit dargestellt. Alles ist hier Antithese und Musik, und das zarteste Laͤcheln der feinsten Geselligkeit schwebt uͤber dem stillen Gemaͤhlde, das sich am Anfange und Ende in seiner eignen Schoͤnheit zu spiegeln scheint. Es mußten und sollten Unarten eines verzaͤrtelten Virtuosen zum Vorschein kommen: aber sie zeigen sich im schoͤnsten Blumenschmuck der Poesie beynah liebenswuͤrdig. Das Ganze schwebt in der Atmosphaͤre kuͤnstlicher Verhaͤltnisse und Misverhaͤltnisse vornehmer Staͤnde, und das Raͤthselhafte der Aufloͤsung ist nur auf den Standpunkt berechnet, wo Verstand und Willkuͤhr allein herrschen, und das Gefuͤhl beinah schweigt. Jn allen diesen Eigenschaften finde ich den Egmont jenem Werk aͤhnlich oder auf eine so symmetrische Art unaͤhnlich, daß er auch dadurch ein Pedant desselben wird. Auch Egmonts Geist ist ein Spiegel des Weltalls; die andern nur ein Wiederschein dieses Lichts. Auch hier unterliegt eine schoͤne Natur der ewigen Macht des Verstandes. Nur ist der Verstand im Egmont mehr ins Gehaͤßige nuancirt, der Egoismus des Helden hingegen ist weit edler und liebenswuͤrdiger als der des Tasso. Das Misverhaͤltniß liegt schon urspruͤnglich in diesem selbst, in seiner Empfindungsweise; die andern sind mit sich selbst Eins und werden nur durch den Fremdling aus hoͤhern Sphaͤren gestoͤrt. Jm Egmont hingegen wird alles, was Mislaut ist, in die Nebenpersonen gelegt.

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[175/0187] Ton gehalten wird. Die tiefe Weichlichkeit einer durchaus musikalischen Natur ist noch nie im Modernen mit dieser sinnreichen Gruͤndlichkeit dargestellt. Alles ist hier Antithese und Musik, und das zarteste Laͤcheln der feinsten Geselligkeit schwebt uͤber dem stillen Gemaͤhlde, das sich am Anfange und Ende in seiner eignen Schoͤnheit zu spiegeln scheint. Es mußten und sollten Unarten eines verzaͤrtelten Virtuosen zum Vorschein kommen: aber sie zeigen sich im schoͤnsten Blumenschmuck der Poesie beynah liebenswuͤrdig. Das Ganze schwebt in der Atmosphaͤre kuͤnstlicher Verhaͤltnisse und Misverhaͤltnisse vornehmer Staͤnde, und das Raͤthselhafte der Aufloͤsung ist nur auf den Standpunkt berechnet, wo Verstand und Willkuͤhr allein herrschen, und das Gefuͤhl beinah schweigt. Jn allen diesen Eigenschaften finde ich den Egmont jenem Werk aͤhnlich oder auf eine so symmetrische Art unaͤhnlich, daß er auch dadurch ein Pedant desselben wird. Auch Egmonts Geist ist ein Spiegel des Weltalls; die andern nur ein Wiederschein dieses Lichts. Auch hier unterliegt eine schoͤne Natur der ewigen Macht des Verstandes. Nur ist der Verstand im Egmont mehr ins Gehaͤßige nuancirt, der Egoismus des Helden hingegen ist weit edler und liebenswuͤrdiger als der des Tasso. Das Misverhaͤltniß liegt schon urspruͤnglich in diesem selbst, in seiner Empfindungsweise; die andern sind mit sich selbst Eins und werden nur durch den Fremdling aus hoͤhern Sphaͤren gestoͤrt. Jm Egmont hingegen wird alles, was Mislaut ist, in die Nebenpersonen gelegt.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/187>, abgerufen am 21.11.2024.