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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnißvollen Nacht. Fernab liegt die Welt -- in eine tiefe Gruft versenkt -- wüst und einsam ist ihre Stelle. Jn den Sayten der Brust weht tiefe Wehmuth. Jn Thautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. -- Fernen der Erinnerung, Wünsche der Jugend, der Kindheit Träume, des ganzen langen Lebens kurze Freuden und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne Untergang. Jn andern Räumen schlug die lustigen Gezelte das Licht auf. Sollte es nie zu seinen Kindern wiederkommen, die mit der Unschuld Glauben seiner harren?

Was quillt auf einmal so ahndungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmuth weiche Luft? Hast auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht? Was hältst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kräftig an die Seele geht? Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel Mohn. Die schweren Flügel des Gemüths hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich fühlen wir uns bewegt -- ein ernstes Antlitz seh ich froh erschrocken, das sanft und andachtsvoll sich zu mir neigt, und unter unendlich verschlungenen Locken der Mutter liebe Jugend zeigt. Wie arm und kindisch dünkt mir das Licht nun -- wie erfreulich und gesegnet des Tages Abschied -- Also nur darum, weil die Nacht dir abwendig macht die Dienenden, säetest du in des Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verkünden deine Allmacht -- deine Wiederkehr -- in den Zeiten deiner Entfernung.

Abwaͤrts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnißvollen Nacht. Fernab liegt die Welt — in eine tiefe Gruft versenkt — wuͤst und einsam ist ihre Stelle. Jn den Sayten der Brust weht tiefe Wehmuth. Jn Thautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. — Fernen der Erinnerung, Wuͤnsche der Jugend, der Kindheit Traͤume, des ganzen langen Lebens kurze Freuden und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne Untergang. Jn andern Raͤumen schlug die lustigen Gezelte das Licht auf. Sollte es nie zu seinen Kindern wiederkommen, die mit der Unschuld Glauben seiner harren?

Was quillt auf einmal so ahndungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmuth weiche Luft? Hast auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht? Was haͤltst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kraͤftig an die Seele geht? Koͤstlicher Balsam traͤuft aus deiner Hand, aus dem Buͤndel Mohn. Die schweren Fluͤgel des Gemuͤths hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich fuͤhlen wir uns bewegt — ein ernstes Antlitz seh ich froh erschrocken, das sanft und andachtsvoll sich zu mir neigt, und unter unendlich verschlungenen Locken der Mutter liebe Jugend zeigt. Wie arm und kindisch duͤnkt mir das Licht nun — wie erfreulich und gesegnet des Tages Abschied — Also nur darum, weil die Nacht dir abwendig macht die Dienenden, saͤetest du in des Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verkuͤnden deine Allmacht — deine Wiederkehr — in den Zeiten deiner Entfernung.

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[189/0201] Abwaͤrts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnißvollen Nacht. Fernab liegt die Welt — in eine tiefe Gruft versenkt — wuͤst und einsam ist ihre Stelle. Jn den Sayten der Brust weht tiefe Wehmuth. Jn Thautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. — Fernen der Erinnerung, Wuͤnsche der Jugend, der Kindheit Traͤume, des ganzen langen Lebens kurze Freuden und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne Untergang. Jn andern Raͤumen schlug die lustigen Gezelte das Licht auf. Sollte es nie zu seinen Kindern wiederkommen, die mit der Unschuld Glauben seiner harren? Was quillt auf einmal so ahndungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmuth weiche Luft? Hast auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht? Was haͤltst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kraͤftig an die Seele geht? Koͤstlicher Balsam traͤuft aus deiner Hand, aus dem Buͤndel Mohn. Die schweren Fluͤgel des Gemuͤths hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich fuͤhlen wir uns bewegt — ein ernstes Antlitz seh ich froh erschrocken, das sanft und andachtsvoll sich zu mir neigt, und unter unendlich verschlungenen Locken der Mutter liebe Jugend zeigt. Wie arm und kindisch duͤnkt mir das Licht nun — wie erfreulich und gesegnet des Tages Abschied — Also nur darum, weil die Nacht dir abwendig macht die Dienenden, saͤetest du in des Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verkuͤnden deine Allmacht — deine Wiederkehr — in den Zeiten deiner Entfernung.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/201>, abgerufen am 15.05.2024.