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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Die Vorzeit wo die Sinne licht
Jn hohen Flammen brannten,
Des Vaters Hand und Angesicht
Die Menschen noch erkannten.
Und hohen Sinns, einfältiglich
Noch mancher seinem Urbild glich.
Die Vorzeit, wo noch blüthenreich
Uralte Stämme prangten,
Und Kinder für das Himmelreich
Nach Quaal und Tod verlangten.
Und wenn auch Lust und Leben sprach
Doch manches Herz für Liebe brach.
Die Vorzeit, wo in Jugendglut
Gott selbst sich kundgegeben
Und frühem Tod in Liebesmuth
Geweiht sein süßes Leben.
Und Angst und Schmerz nicht von sich trieb,
Damit er uns nur theuer blieb.
Mit banger Sehnsucht sehn wir sie
Jn dunkle Nacht gehüllet,
Jn dieser Zeitlichkeit wird nie
Der heiße Durst gestillet.
Wir müssen nach der Heymath gehn,
Um diese heilge Zeit zu sehn.
Was hält noch unsre Rückkehr auf,
Die Liebsten ruhn schon lange.
Jhr Grab schließt unsern Lebenslauf,
Nun wird uns weh und bange.
Zu suchen haben wir nichts mehr --
Das Herz ist satt -- die Welt ist leer.
Die Vorzeit wo die Sinne licht
Jn hohen Flammen brannten,
Des Vaters Hand und Angesicht
Die Menschen noch erkannten.
Und hohen Sinns, einfaͤltiglich
Noch mancher seinem Urbild glich.
Die Vorzeit, wo noch bluͤthenreich
Uralte Staͤmme prangten,
Und Kinder fuͤr das Himmelreich
Nach Quaal und Tod verlangten.
Und wenn auch Lust und Leben sprach
Doch manches Herz fuͤr Liebe brach.
Die Vorzeit, wo in Jugendglut
Gott selbst sich kundgegeben
Und fruͤhem Tod in Liebesmuth
Geweiht sein suͤßes Leben.
Und Angst und Schmerz nicht von sich trieb,
Damit er uns nur theuer blieb.
Mit banger Sehnsucht sehn wir sie
Jn dunkle Nacht gehuͤllet,
Jn dieser Zeitlichkeit wird nie
Der heiße Durst gestillet.
Wir muͤssen nach der Heymath gehn,
Um diese heilge Zeit zu sehn.
Was haͤlt noch unsre Ruͤckkehr auf,
Die Liebsten ruhn schon lange.
Jhr Grab schließt unsern Lebenslauf,
Nun wird uns weh und bange.
Zu suchen haben wir nichts mehr —
Das Herz ist satt — die Welt ist leer.
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[203/0215] Die Vorzeit wo die Sinne licht Jn hohen Flammen brannten, Des Vaters Hand und Angesicht Die Menschen noch erkannten. Und hohen Sinns, einfaͤltiglich Noch mancher seinem Urbild glich. Die Vorzeit, wo noch bluͤthenreich Uralte Staͤmme prangten, Und Kinder fuͤr das Himmelreich Nach Quaal und Tod verlangten. Und wenn auch Lust und Leben sprach Doch manches Herz fuͤr Liebe brach. Die Vorzeit, wo in Jugendglut Gott selbst sich kundgegeben Und fruͤhem Tod in Liebesmuth Geweiht sein suͤßes Leben. Und Angst und Schmerz nicht von sich trieb, Damit er uns nur theuer blieb. Mit banger Sehnsucht sehn wir sie Jn dunkle Nacht gehuͤllet, Jn dieser Zeitlichkeit wird nie Der heiße Durst gestillet. Wir muͤssen nach der Heymath gehn, Um diese heilge Zeit zu sehn. Was haͤlt noch unsre Ruͤckkehr auf, Die Liebsten ruhn schon lange. Jhr Grab schließt unsern Lebenslauf, Nun wird uns weh und bange. Zu suchen haben wir nichts mehr — Das Herz ist satt — die Welt ist leer.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/215>, abgerufen am 15.05.2024.