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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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so eigemlich nicht wissen: gewiß ist es aber, sie thun weder das eine noch das andere. Uns kommt diese Zwittergattung wohl eigentlich von den Franzosen, die sie Moral nennen, weil sie es überhaupt nicht sehr genau mit den philosophischen Benennungen nehmen: denn dies Zergliedern der Charaktere, und dies haarfeine Ausspinnen und beängstigende widersprechende Zerren der unergründlichen Motive gehört ja eher zu dem, was man Psychologie nennt, wofür aber die Franzosen keine Benennung haben; ihre Contes nennen sie moraux, weil sie nicht physiques sind. Aus demselben Grunde sind denn auch diese Erzählungen wohl moralisch zu nennen, oder auch per antiphrasin, weil alle darin handelnde Personen eben nichts von Moralität wissen.

Eitelkeit und Untreue in der Liebe ist gewöhnlich die Sünde dieser Helden und Heldinnen; Langeweile, Leere des Herzens und oft der bittere Tod ihre Bestrafung: gehen sie aber noch zur rechten Zeit in sich und bessern sich, so führen sie zur irdischen Belohnung ein zufriednes Leben. Eheleute besuchen sich friedlich einander; der Mann sagt der Dame einige Worte sehr delikat ins Ohr, und nikt sie ihm dann freundlich zu, so geht er sehr delikat nicht mit dem Gast nach Hause, welche Maaßregel nicht wenig beyträgt, das gute Vernehmen zu erhalten. Sie gehen auch zusammen ins Theater; dies ist gemeinhin der Ort, wo die sympathetisch fühlenden Seelen sich begegnen, und die beste Gelegenheit für Liebende oder für Eheleute tiefe Blicke in ihre Herzen zu thun. Was kann

so eigemlich nicht wissen: gewiß ist es aber, sie thun weder das eine noch das andere. Uns kommt diese Zwittergattung wohl eigentlich von den Franzosen, die sie Moral nennen, weil sie es uͤberhaupt nicht sehr genau mit den philosophischen Benennungen nehmen: denn dies Zergliedern der Charaktere, und dies haarfeine Ausspinnen und beaͤngstigende widersprechende Zerren der unergruͤndlichen Motive gehoͤrt ja eher zu dem, was man Psychologie nennt, wofuͤr aber die Franzosen keine Benennung haben; ihre Contes nennen sie moraux, weil sie nicht physiques sind. Aus demselben Grunde sind denn auch diese Erzaͤhlungen wohl moralisch zu nennen, oder auch per antiphrasin, weil alle darin handelnde Personen eben nichts von Moralitaͤt wissen.

Eitelkeit und Untreue in der Liebe ist gewoͤhnlich die Suͤnde dieser Helden und Heldinnen; Langeweile, Leere des Herzens und oft der bittere Tod ihre Bestrafung: gehen sie aber noch zur rechten Zeit in sich und bessern sich, so fuͤhren sie zur irdischen Belohnung ein zufriednes Leben. Eheleute besuchen sich friedlich einander; der Mann sagt der Dame einige Worte sehr delikat ins Ohr, und nikt sie ihm dann freundlich zu, so geht er sehr delikat nicht mit dem Gast nach Hause, welche Maaßregel nicht wenig beytraͤgt, das gute Vernehmen zu erhalten. Sie gehen auch zusammen ins Theater; dies ist gemeinhin der Ort, wo die sympathetisch fuͤhlenden Seelen sich begegnen, und die beste Gelegenheit fuͤr Liebende oder fuͤr Eheleute tiefe Blicke in ihre Herzen zu thun. Was kann

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[239/0251] so eigemlich nicht wissen: gewiß ist es aber, sie thun weder das eine noch das andere. Uns kommt diese Zwittergattung wohl eigentlich von den Franzosen, die sie Moral nennen, weil sie es uͤberhaupt nicht sehr genau mit den philosophischen Benennungen nehmen: denn dies Zergliedern der Charaktere, und dies haarfeine Ausspinnen und beaͤngstigende widersprechende Zerren der unergruͤndlichen Motive gehoͤrt ja eher zu dem, was man Psychologie nennt, wofuͤr aber die Franzosen keine Benennung haben; ihre Contes nennen sie moraux, weil sie nicht physiques sind. Aus demselben Grunde sind denn auch diese Erzaͤhlungen wohl moralisch zu nennen, oder auch per antiphrasin, weil alle darin handelnde Personen eben nichts von Moralitaͤt wissen. Eitelkeit und Untreue in der Liebe ist gewoͤhnlich die Suͤnde dieser Helden und Heldinnen; Langeweile, Leere des Herzens und oft der bittere Tod ihre Bestrafung: gehen sie aber noch zur rechten Zeit in sich und bessern sich, so fuͤhren sie zur irdischen Belohnung ein zufriednes Leben. Eheleute besuchen sich friedlich einander; der Mann sagt der Dame einige Worte sehr delikat ins Ohr, und nikt sie ihm dann freundlich zu, so geht er sehr delikat nicht mit dem Gast nach Hause, welche Maaßregel nicht wenig beytraͤgt, das gute Vernehmen zu erhalten. Sie gehen auch zusammen ins Theater; dies ist gemeinhin der Ort, wo die sympathetisch fuͤhlenden Seelen sich begegnen, und die beste Gelegenheit fuͤr Liebende oder fuͤr Eheleute tiefe Blicke in ihre Herzen zu thun. Was kann

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/251>, abgerufen am 21.11.2024.