Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.lockern Pagen, Jupiter die eines Erziehers nach den neuesten pädagogischen Grundsätzen spielt, und worin die Anekdote mit der Clytie dreist mit verwebt ist. Wie in aller Welt können Personen, die sich so bürgerlich ausnehmen, auf einmal ganz genialisch sich in Sonnenblume und Lorbeer verwandeln? Diese Erzählung schließt mit dem Ausruf, "o Rousseau! o Petrarca!" -- O Apollo! o Ramdohr! möchte man rufen. -- So sehr der moralische Erzähler auch bemüht ist, die Auswüchse seiner jugendlichen Fantasie, als ungeziemend für Dichtungen dieser Art zu unterdrücken, und so oft er auch gegen eine lebhafte Einbildungskraft als die Quelle vieles menschlichen Elendes warnt, so kann er ihrer doch nicht immer Meister bleiben. Der Aufenthalt am Garigliano war ursprünglich wohl nur zum Bekanntwerden mit den vier Damen bestimmt, welche zum Gegenstück für Humes vier Philosophensekten, als Repräsentantinnen der vier weiblichen Glückseligkeitssysteme auftreten: dennoch trift man hier ein Paar unartige überlästige Passagiere, die zwar dem Erzähler damals viel Langeweile machten, aber mit dem Zweck in gar keiner Verbindung stehen, bloß als unaufhaltbare Regung der Fantasie bei der Erinnerung an jene Langeweile. So werden die schrecklichen Folgen der Fantasie bestätigt; und was darf man nicht von ihr fürchten, wenn sie noch an den Grenzen der Lüneburger Heide solche Unordnungen anrichtet? Sie war auch einigermaßen, und gewiß gegen die redliche Absicht des Verfassers in den Biographien der Damen mit im Spiele! Aber lockern Pagen, Jupiter die eines Erziehers nach den neuesten paͤdagogischen Grundsaͤtzen spielt, und worin die Anekdote mit der Clytie dreist mit verwebt ist. Wie in aller Welt koͤnnen Personen, die sich so buͤrgerlich ausnehmen, auf einmal ganz genialisch sich in Sonnenblume und Lorbeer verwandeln? Diese Erzaͤhlung schließt mit dem Ausruf, “o Rousseau! o Petrarca!” — O Apollo! o Ramdohr! moͤchte man rufen. — So sehr der moralische Erzaͤhler auch bemuͤht ist, die Auswuͤchse seiner jugendlichen Fantasie, als ungeziemend fuͤr Dichtungen dieser Art zu unterdruͤcken, und so oft er auch gegen eine lebhafte Einbildungskraft als die Quelle vieles menschlichen Elendes warnt, so kann er ihrer doch nicht immer Meister bleiben. Der Aufenthalt am Garigliano war urspruͤnglich wohl nur zum Bekanntwerden mit den vier Damen bestimmt, welche zum Gegenstuͤck fuͤr Humes vier Philosophensekten, als Repraͤsentantinnen der vier weiblichen Gluͤckseligkeitssysteme auftreten: dennoch trift man hier ein Paar unartige uͤberlaͤstige Passagiere, die zwar dem Erzaͤhler damals viel Langeweile machten, aber mit dem Zweck in gar keiner Verbindung stehen, bloß als unaufhaltbare Regung der Fantasie bei der Erinnerung an jene Langeweile. So werden die schrecklichen Folgen der Fantasie bestaͤtigt; und was darf man nicht von ihr fuͤrchten, wenn sie noch an den Grenzen der Luͤneburger Heide solche Unordnungen anrichtet? Sie war auch einigermaßen, und gewiß gegen die redliche Absicht des Verfassers in den Biographien der Damen mit im Spiele! Aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0253" n="241"/> lockern Pagen, Jupiter die eines Erziehers nach den neuesten paͤdagogischen Grundsaͤtzen spielt, und worin die Anekdote mit der Clytie dreist mit verwebt ist. Wie in aller Welt koͤnnen Personen, die sich so buͤrgerlich ausnehmen, auf einmal ganz genialisch sich in Sonnenblume und Lorbeer verwandeln? Diese Erzaͤhlung schließt mit dem Ausruf, “o Rousseau! o Petrarca!” — O Apollo! o Ramdohr! moͤchte man rufen. — So sehr der moralische Erzaͤhler auch bemuͤht ist, die Auswuͤchse seiner jugendlichen Fantasie, als ungeziemend fuͤr Dichtungen dieser Art zu unterdruͤcken, und so oft er auch gegen eine lebhafte Einbildungskraft als die Quelle vieles menschlichen Elendes warnt, so kann er ihrer doch nicht immer Meister bleiben. Der Aufenthalt am Garigliano war urspruͤnglich wohl nur zum Bekanntwerden mit den vier Damen bestimmt, welche zum Gegenstuͤck fuͤr Humes vier Philosophensekten, als Repraͤsentantinnen der vier weiblichen Gluͤckseligkeitssysteme auftreten: dennoch trift man hier ein Paar unartige uͤberlaͤstige Passagiere, die zwar dem Erzaͤhler damals viel Langeweile machten, aber mit dem Zweck in gar keiner Verbindung stehen, bloß als unaufhaltbare Regung der Fantasie bei der Erinnerung an jene Langeweile. So werden die schrecklichen Folgen der Fantasie bestaͤtigt; und was darf man nicht von ihr fuͤrchten, wenn sie noch an den Grenzen der Luͤneburger Heide solche Unordnungen anrichtet? Sie war auch einigermaßen, und gewiß gegen die redliche Absicht des Verfassers in den Biographien der Damen mit im Spiele! Aber </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [241/0253]
lockern Pagen, Jupiter die eines Erziehers nach den neuesten paͤdagogischen Grundsaͤtzen spielt, und worin die Anekdote mit der Clytie dreist mit verwebt ist. Wie in aller Welt koͤnnen Personen, die sich so buͤrgerlich ausnehmen, auf einmal ganz genialisch sich in Sonnenblume und Lorbeer verwandeln? Diese Erzaͤhlung schließt mit dem Ausruf, “o Rousseau! o Petrarca!” — O Apollo! o Ramdohr! moͤchte man rufen. — So sehr der moralische Erzaͤhler auch bemuͤht ist, die Auswuͤchse seiner jugendlichen Fantasie, als ungeziemend fuͤr Dichtungen dieser Art zu unterdruͤcken, und so oft er auch gegen eine lebhafte Einbildungskraft als die Quelle vieles menschlichen Elendes warnt, so kann er ihrer doch nicht immer Meister bleiben. Der Aufenthalt am Garigliano war urspruͤnglich wohl nur zum Bekanntwerden mit den vier Damen bestimmt, welche zum Gegenstuͤck fuͤr Humes vier Philosophensekten, als Repraͤsentantinnen der vier weiblichen Gluͤckseligkeitssysteme auftreten: dennoch trift man hier ein Paar unartige uͤberlaͤstige Passagiere, die zwar dem Erzaͤhler damals viel Langeweile machten, aber mit dem Zweck in gar keiner Verbindung stehen, bloß als unaufhaltbare Regung der Fantasie bei der Erinnerung an jene Langeweile. So werden die schrecklichen Folgen der Fantasie bestaͤtigt; und was darf man nicht von ihr fuͤrchten, wenn sie noch an den Grenzen der Luͤneburger Heide solche Unordnungen anrichtet? Sie war auch einigermaßen, und gewiß gegen die redliche Absicht des Verfassers in den Biographien der Damen mit im Spiele! Aber
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