Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.einleuchten, daß man keine günstigere Conjektur aufstellen kann, als die, daß fast alles ohne Veränderung aus alten Papieren genommen ist. Daß der Malteserritter zu der neuen bayrischen Zunge gehört, die nun schon zum zweiten Male neu ist, daß über den Werth der Kritik Mendelssohn noch redend eingeführt wird, und daß das junge Frauenzimmer in der "Spinne" gar in das Sechszehnte Stück des Philosophen für die Welt zu Hause gehört -- gestehen Sie, antiquirter kan man unmöglich sein: -- darauf will ich mich gar nicht einmal berufen. Glauben Sie indeß nicht, daß diese Verlegungen in alte Zeit etwa nur die Form constituiren, die doch jeder Schriftsteller frei wählen kann: nein, nein! es sind höchst wesentliche und nothwendige Decorationen, ohne die das Buch auch nicht einmal einen Jnhalt haben würde. Wenn man nichts als alte abgemachte Sachen vorbringt, von denen heut zu Tage gar nicht mehr die Rede sein kann, so thut man freilich wohl, auch die Scene in alte Zeiten zu verlegen. Bis auf den Gipfel des Aetna sollen wir uns bemühen, um zu erfahren, daß menschliche Glückseligkeit nicht im Besitz, sondern im Streben und Erringen besteht; Graun, Euler und Mendelssohn werden aus der Unterwelt citirt, um uns zu sagen, daß die Kritik zwar nicht Kunstwerke zu produciren lehre, aber doch an und für sich einen Werth habe und nebenbei auch noch dem Künstler nützlich sei; in ein Jrrenhaus müssen wir gehen, und dort bis an die Grenzen des Ekels aushalten, um zu lernen, daß das Laster -- noch dazu nach einleuchten, daß man keine guͤnstigere Conjektur aufstellen kann, als die, daß fast alles ohne Veraͤnderung aus alten Papieren genommen ist. Daß der Malteserritter zu der neuen bayrischen Zunge gehoͤrt, die nun schon zum zweiten Male neu ist, daß uͤber den Werth der Kritik Mendelssohn noch redend eingefuͤhrt wird, und daß das junge Frauenzimmer in der “Spinne” gar in das Sechszehnte Stuͤck des Philosophen fuͤr die Welt zu Hause gehoͤrt — gestehen Sie, antiquirter kan man unmoͤglich sein: — darauf will ich mich gar nicht einmal berufen. Glauben Sie indeß nicht, daß diese Verlegungen in alte Zeit etwa nur die Form constituiren, die doch jeder Schriftsteller frei waͤhlen kann: nein, nein! es sind hoͤchst wesentliche und nothwendige Decorationen, ohne die das Buch auch nicht einmal einen Jnhalt haben wuͤrde. Wenn man nichts als alte abgemachte Sachen vorbringt, von denen heut zu Tage gar nicht mehr die Rede sein kann, so thut man freilich wohl, auch die Scene in alte Zeiten zu verlegen. Bis auf den Gipfel des Aetna sollen wir uns bemuͤhen, um zu erfahren, daß menschliche Gluͤckseligkeit nicht im Besitz, sondern im Streben und Erringen besteht; Graun, Euler und Mendelssohn werden aus der Unterwelt citirt, um uns zu sagen, daß die Kritik zwar nicht Kunstwerke zu produciren lehre, aber doch an und fuͤr sich einen Werth habe und nebenbei auch noch dem Kuͤnstler nuͤtzlich sei; in ein Jrrenhaus muͤssen wir gehen, und dort bis an die Grenzen des Ekels aushalten, um zu lernen, daß das Laster — noch dazu nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0256" n="244"/> einleuchten, daß man keine guͤnstigere Conjektur aufstellen kann, als die, daß fast alles ohne Veraͤnderung aus alten Papieren genommen ist. Daß der Malteserritter zu der <hi rendition="#g">neuen</hi> bayrischen Zunge gehoͤrt, die nun schon zum zweiten Male neu ist, daß uͤber den Werth der Kritik Mendelssohn noch redend eingefuͤhrt wird, und daß das junge Frauenzimmer in der “<hi rendition="#g">Spinne</hi>” gar in das Sechszehnte Stuͤck des Philosophen fuͤr die Welt zu Hause gehoͤrt — gestehen Sie, antiquirter kan man unmoͤglich sein: — darauf will ich mich gar nicht einmal berufen. Glauben Sie indeß nicht, daß diese Verlegungen in alte Zeit etwa nur die Form constituiren, die doch jeder Schriftsteller frei waͤhlen kann: nein, nein! es sind hoͤchst wesentliche und nothwendige Decorationen, ohne die das Buch auch nicht einmal einen Jnhalt haben wuͤrde. Wenn man nichts als alte abgemachte Sachen vorbringt, von denen heut zu Tage gar nicht mehr die Rede sein kann, so thut man freilich wohl, auch die Scene in alte Zeiten zu verlegen. Bis auf den Gipfel des Aetna sollen wir uns bemuͤhen, um zu erfahren, daß menschliche Gluͤckseligkeit nicht im Besitz, sondern im Streben und Erringen besteht; Graun, Euler und Mendelssohn werden aus der Unterwelt citirt, um uns zu sagen, daß die Kritik zwar nicht Kunstwerke zu produciren lehre, aber doch an und fuͤr sich einen Werth habe und nebenbei auch noch dem Kuͤnstler nuͤtzlich sei; in ein Jrrenhaus muͤssen wir gehen, und dort bis an die Grenzen des Ekels aushalten, um zu lernen, daß das Laster — noch dazu nach </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [244/0256]
einleuchten, daß man keine guͤnstigere Conjektur aufstellen kann, als die, daß fast alles ohne Veraͤnderung aus alten Papieren genommen ist. Daß der Malteserritter zu der neuen bayrischen Zunge gehoͤrt, die nun schon zum zweiten Male neu ist, daß uͤber den Werth der Kritik Mendelssohn noch redend eingefuͤhrt wird, und daß das junge Frauenzimmer in der “Spinne” gar in das Sechszehnte Stuͤck des Philosophen fuͤr die Welt zu Hause gehoͤrt — gestehen Sie, antiquirter kan man unmoͤglich sein: — darauf will ich mich gar nicht einmal berufen. Glauben Sie indeß nicht, daß diese Verlegungen in alte Zeit etwa nur die Form constituiren, die doch jeder Schriftsteller frei waͤhlen kann: nein, nein! es sind hoͤchst wesentliche und nothwendige Decorationen, ohne die das Buch auch nicht einmal einen Jnhalt haben wuͤrde. Wenn man nichts als alte abgemachte Sachen vorbringt, von denen heut zu Tage gar nicht mehr die Rede sein kann, so thut man freilich wohl, auch die Scene in alte Zeiten zu verlegen. Bis auf den Gipfel des Aetna sollen wir uns bemuͤhen, um zu erfahren, daß menschliche Gluͤckseligkeit nicht im Besitz, sondern im Streben und Erringen besteht; Graun, Euler und Mendelssohn werden aus der Unterwelt citirt, um uns zu sagen, daß die Kritik zwar nicht Kunstwerke zu produciren lehre, aber doch an und fuͤr sich einen Werth habe und nebenbei auch noch dem Kuͤnstler nuͤtzlich sei; in ein Jrrenhaus muͤssen wir gehen, und dort bis an die Grenzen des Ekels aushalten, um zu lernen, daß das Laster — noch dazu nach
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