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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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keine Jdee isoliert, sondern sie ist was sie ist, nur unter allen Jdeen. Ein Beyspiel wird den Sinn erklären. Alle classischen Gedichte der Alten hängen zusammen, unzertrennlich, bilden ein organisches Ganzes, sind richtig angesehen nur Ein Gedicht, das einzige in welchem die Dichtkunst selbst vollkommen erscheint. Auf eine ähnliche Weise sollen in der vollkommnen Litteratur alle Bücher nur Ein Buch seyn, und in einem solchen ewig werdenden Buche wird das Evangelium der Menschheit und der Bildung offenbart werden.



Alle Philosophie ist Jdealismus und es giebt keinen wahren Realismus als den der Poesie. Aber Poesie und Philosophie sind nur Extreme. Sagt man nun, einige sind schlechthin Jdealisten, andre entschieden Realisten; so ist das eine sehr wahre Bemerkung. Anders ausgedrückt heißt es, es giebt noch keine durchaus gebildete Menschen, es giebt noch keine Religion.



Günstiges Zeichen, daß ein Physiker sogar -- der tiefsinnige Baader -- aus der Mitte der Physik sich erhoben hat, die Poesie zu ahnden, die Elemente als organische Jndividuen zu verehren, und auf das Göttliche im Centrum der Materie zu deuten!



Denke dir ein Endliches ins Unendliche gebildet, so denkst du einen Menschen.



keine Jdee isoliert, sondern sie ist was sie ist, nur unter allen Jdeen. Ein Beyspiel wird den Sinn erklaͤren. Alle classischen Gedichte der Alten haͤngen zusammen, unzertrennlich, bilden ein organisches Ganzes, sind richtig angesehen nur Ein Gedicht, das einzige in welchem die Dichtkunst selbst vollkommen erscheint. Auf eine aͤhnliche Weise sollen in der vollkommnen Litteratur alle Buͤcher nur Ein Buch seyn, und in einem solchen ewig werdenden Buche wird das Evangelium der Menschheit und der Bildung offenbart werden.



Alle Philosophie ist Jdealismus und es giebt keinen wahren Realismus als den der Poesie. Aber Poesie und Philosophie sind nur Extreme. Sagt man nun, einige sind schlechthin Jdealisten, andre entschieden Realisten; so ist das eine sehr wahre Bemerkung. Anders ausgedruͤckt heißt es, es giebt noch keine durchaus gebildete Menschen, es giebt noch keine Religion.



Guͤnstiges Zeichen, daß ein Physiker sogar — der tiefsinnige Baader — aus der Mitte der Physik sich erhoben hat, die Poesie zu ahnden, die Elemente als organische Jndividuen zu verehren, und auf das Goͤttliche im Centrum der Materie zu deuten!



Denke dir ein Endliches ins Unendliche gebildet, so denkst du einen Menschen.



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[21/0029] keine Jdee isoliert, sondern sie ist was sie ist, nur unter allen Jdeen. Ein Beyspiel wird den Sinn erklaͤren. Alle classischen Gedichte der Alten haͤngen zusammen, unzertrennlich, bilden ein organisches Ganzes, sind richtig angesehen nur Ein Gedicht, das einzige in welchem die Dichtkunst selbst vollkommen erscheint. Auf eine aͤhnliche Weise sollen in der vollkommnen Litteratur alle Buͤcher nur Ein Buch seyn, und in einem solchen ewig werdenden Buche wird das Evangelium der Menschheit und der Bildung offenbart werden. Alle Philosophie ist Jdealismus und es giebt keinen wahren Realismus als den der Poesie. Aber Poesie und Philosophie sind nur Extreme. Sagt man nun, einige sind schlechthin Jdealisten, andre entschieden Realisten; so ist das eine sehr wahre Bemerkung. Anders ausgedruͤckt heißt es, es giebt noch keine durchaus gebildete Menschen, es giebt noch keine Religion. Guͤnstiges Zeichen, daß ein Physiker sogar — der tiefsinnige Baader — aus der Mitte der Physik sich erhoben hat, die Poesie zu ahnden, die Elemente als organische Jndividuen zu verehren, und auf das Goͤttliche im Centrum der Materie zu deuten! Denke dir ein Endliches ins Unendliche gebildet, so denkst du einen Menschen.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/29>, abgerufen am 21.11.2024.