Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746.Canut, Fünfter Auftritt. Ulfo, Estrithe. Estrithe. Jch will nicht dem Gesetz der Ehre wiederstehen. Du hast den Streit erregt und darfst ihm nicht ent- gehen. Doch, daß dein hartes Herz, das nur von Mordgier brennt, Estrithen nicht einmal ein Lebewohl vergönnt, Daß du, in dem ich seh, wie du mich hintergangen, Mir nicht einmal erlaubst, dich, Falscher, zu um- fangen, Denk, ist dieß nicht zu viel? ist dieß nicht Grausamkeit? Jsts möglich zwar vielleicht, daß noch dein Herz sich scheut, Du fürchtest wohl, daß ich mich nur beklagen wollte, Und meynst, ich hasse dich, weil ich dich hassen sollte. Nein! du hast schon geprüft, daß ich nicht hassen kann. Ach! wüßt ich alles nur, was du an mir gethan! Jch hör itzt sonst von nichts als deinem Frevel sprechen, Ein jeder Augenblick zeigt mir ein neu Verbrechen. Was ich sonst so beweint, das scheint mir itzt nur klein. Du lehrst mich, Grausamer, dir alles zu verzeihn. Daß du mein ängstlich Flehn durch falsche Reu be- trogen, Mich selbst in den Verrath, auf den du denkst, gezogen, Und daß dein trotzig Herz an der Versöhnung statt, Die du zu stiften kamst, nur Haß zur Absicht hat, Daß du den tollen Zweck vor aller Welt entdeckest, Und mich vor deiner Wut betrübten Folgen schreckest, Daß
Canut, Fuͤnfter Auftritt. Ulfo, Eſtrithe. Eſtrithe. Jch will nicht dem Geſetz der Ehre wiederſtehen. Du haſt den Streit erregt und darfſt ihm nicht ent- gehen. Doch, daß dein hartes Herz, das nur von Mordgier brennt, Eſtrithen nicht einmal ein Lebewohl vergoͤnnt, Daß du, in dem ich ſeh, wie du mich hintergangen, Mir nicht einmal erlaubſt, dich, Falſcher, zu um- fangen, Denk, iſt dieß nicht zu viel? iſt dieß nicht Grauſamkeit? Jſts moͤglich zwar vielleicht, daß noch dein Herz ſich ſcheut, Du fuͤrchteſt wohl, daß ich mich nur beklagen wollte, Und meynſt, ich haſſe dich, weil ich dich haſſen ſollte. Nein! du haſt ſchon gepruͤft, daß ich nicht haſſen kann. Ach! wuͤßt ich alles nur, was du an mir gethan! Jch hoͤr itzt ſonſt von nichts als deinem Frevel ſprechen, Ein jeder Augenblick zeigt mir ein neu Verbrechen. Was ich ſonſt ſo beweint, das ſcheint mir itzt nur klein. Du lehrſt mich, Grauſamer, dir alles zu verzeihn. Daß du mein aͤngſtlich Flehn durch falſche Reu be- trogen, Mich ſelbſt in den Verrath, auf den du denkſt, gezogen, Und daß dein trotzig Herz an der Verſoͤhnung ſtatt, Die du zu ſtiften kamſt, nur Haß zur Abſicht hat, Daß du den tollen Zweck vor aller Welt entdeckeſt, Und mich vor deiner Wut betruͤbten Folgen ſchreckeſt, Daß
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Canut,
Fuͤnfter Auftritt.
Ulfo, Eſtrithe.
Eſtrithe.
Jch will nicht dem Geſetz der Ehre wiederſtehen.
Du haſt den Streit erregt und darfſt ihm nicht ent-
gehen.
Doch, daß dein hartes Herz, das nur von Mordgier
brennt,
Eſtrithen nicht einmal ein Lebewohl vergoͤnnt,
Daß du, in dem ich ſeh, wie du mich hintergangen,
Mir nicht einmal erlaubſt, dich, Falſcher, zu um-
fangen,
Denk, iſt dieß nicht zu viel? iſt dieß nicht Grauſamkeit?
Jſts moͤglich zwar vielleicht, daß noch dein Herz ſich
ſcheut,
Du fuͤrchteſt wohl, daß ich mich nur beklagen wollte,
Und meynſt, ich haſſe dich, weil ich dich haſſen ſollte.
Nein! du haſt ſchon gepruͤft, daß ich nicht haſſen kann.
Ach! wuͤßt ich alles nur, was du an mir gethan!
Jch hoͤr itzt ſonſt von nichts als deinem Frevel ſprechen,
Ein jeder Augenblick zeigt mir ein neu Verbrechen.
Was ich ſonſt ſo beweint, das ſcheint mir itzt nur klein.
Du lehrſt mich, Grauſamer, dir alles zu verzeihn.
Daß du mein aͤngſtlich Flehn durch falſche Reu be-
trogen,
Mich ſelbſt in den Verrath, auf den du denkſt, gezogen,
Und daß dein trotzig Herz an der Verſoͤhnung ſtatt,
Die du zu ſtiften kamſt, nur Haß zur Abſicht hat,
Daß du den tollen Zweck vor aller Welt entdeckeſt,
Und mich vor deiner Wut betruͤbten Folgen ſchreckeſt,
Daß
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